Wintersleep

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Am Pfingstwochenende stellten Wintersleep ihr aktuelles Album "Welcome to the Night Sky" auch endlich in Heidelberg vor und konnten leider nicht ganz die Erwartungen erfüllen. Aber die waren vielleicht auch etwas zu hoch gesteckt.

{image}Ganz selten sind Platten länger als zwei Wochen überhaupt in meinem CD-Player, das meiste verschwindet schon vorher wieder. Wenige "Klassiker" überleben diese magische Grenze, zuletzt hatte Beyond von Dinosaur Jr. die Ehre. Doch dann kam ein Album, von dem man es beim ersten, zweiten und dann sogar dritten Hören eigentlich nicht erwartet. Weil es eben kein wirklicher "Klassiker" ist, sondern einfach nur eine Indie-Rockplatte ist. Weil die ganz großen Momente nicht da sind, im Kleinen dann daber doch Lichter aufleuchten. Weil zwischen den ganzen "Aaaaaahs" und "Ohhhhs" eine tiefe Traurigkeit aufschimmert, die man erst nicht bemerkt und dann plötzlich da ist. Deswegen rotiert Welcome to the Night Sky der kanadischen Wintersleep dank eines guten Importhändlers seit einem guten Jahr im Plattenspieler und wird dort wohl noch ein paar Tage bleiben. Die Platte des Quintetts aus Halifax erschien erst im Februar diesen Jahres auch in Deutschland, weshalb Wintersleep kurz darauf ein paar Livekonzerte gaben und im Mai hier erneut auf der Bühne standen. Beim Auftritt in Frankfurt im Sinkkasten im Rahmen der ersten kleinen Deutschland-Tournee musste die Gruppe noch mit massiven Soundproblemen kämpfen und klang eher wie eine Schülerband bei ihrem ersten Auftritt – sehr verbesserungswürdig. Was die Besucher daher jetzt im Karlstorbahnhof in Heidelberg zu erwarten hatte, war schwer abzusehen.

Vorab muss aber erst noch kurz auf die Platte eingegangen werden, bei der es sich auf den ersten Blick wie bereits gesagt einfach nur um Indierock handelt. Erspart bleibt dem Hörer aber die typische Britpop-Rock-Mischpoke, man hört Wintersleep im Gegenteil die kanadische Herkunft und auch die Freundschaft mit Holy Fuck unterschwellig an. Da bauen sich bei Archaeologists Gitarren auf, nur um bei Weighty Ghost wieder einzustürzen und darauf Murderer in einen kleinen Postrock-Zirkus zu werfen. Oblivion macht einen auf Hittrack des Albums inklusive Rock-Video und am Ende legt Miasmal Smoke & The Yellow Bellied Freaks nicht umsonst einen langen Songtitel vor, denn hier wird aus dem kleinen Postrock auf einmal der größere, bei dem man sich eine gefühlte Ewigkeit auf Sänger Paul Murphy freut, der einen geradezu einlädt, die Fäuste in die Luft zu strecken. Alles ist garniert mit vielen langen "Aaahaaas" und einem netten Keyboard. Live hört es sich aber ganz anders an.

{image}Irgendjemand sollte Paul Murphy einfach mal stecken, dass man nicht immer betont und laut singen muss, und dass die leisen Teile der Songs auf Platte auch live bestimmt leise weitaus besser rüberkämen. Ein anderer mutiger Mensch könnte Loel Campbell am Schlagzeug auch mitteilen, dass seine Drums nicht alles niederknüppeln müssen. Solange das jedenfalls nicht passiert, wird aus den vielen guten Songs der Band live immer ein Standard-Rock-Kram werden, genauso wie es an diesem Abend in Heidelberg passiert. Murderer mutiert zum Krachgewitter mit Geschrei in der Mitte, Astronaut gibt in der Melodie nicht mehr die Fragen des Textes wieder und rockt sich einfach durch, ohne auch nur eine Aussage zu haben: Nur zwei Beispiele von beinahe allen irgendwie kaputt gespielten Songs des Abends. Man meint beinahe, eine andere Band vor sich stehen zu haben, die Wintersleep lediglich covert. Schade eigentlich, aber es gibt nunmal Bands, die live nicht das halten können, was sie vorher versprochen haben – aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei, warten wir also gespannt auf die nächste Tournee.

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