Holy Fuck.

Holy Fuck. © James Mejia

Holy Fuck macht etwas andere elektronische Musik, was sich nicht nur in der Spielweise zeigt, sondern vor allem in der Wirkung beim Konzertbesucher niederschlägt. Der Versuch einer Beschreibung eines wunderbaren Konzerts in Heidelberg im Mai.

{image}Es soll sie noch geben, die Unbelehrbaren, die die seltsame Fragen stellen, wer denn eigentlich Holy Fuck sei. Daher hier eine schnelle Zusammenfassung: Das Quartet aus Schlagzeuger, Basser und zwei Elektrotechnikern stammt aus dem schönen Toronto in Kanada und macht passenderweise elektronische Musik. Dabei geht die Band aber den Klischees gekonnt aus dem Weg, denn auf der Bühne steht niemals ein Computer: Hier wird der Strom noch per Hand geleitet. Wer reinhören möchte, kann sich derzeit beim amerikanischen Label der Band kostenlos den (kurzen, aber intensiven) Song Jungles herunterladen, wobei der Titel nicht zu viel verspricht. Auf Albumlänge kann Holy Fuck überzeugen, muss aber – wenn man ganz ehrlich ist – auch nicht. Denn auch wenn das letzte Album LP, bereits 2007 erschienen, große Soundstrukturen hatte, fehlte im Endeffekt dann doch etwas Druck. Diesen bekam man nun im Karlstorbahnhof zu spüren und konnte spätestens jetzt begreifen, warum die Band zu den besten Liveformationen aus dem Land mit dem Ahornblatt zählt. Allein schon das Schlagzeug von Matt Schulz zeigt, mit wem man es hier zu tun hat, denn sein kraftvolles und treibendes Spiel hält sich doch gleichzeitig im Hintergrund: Ganz großes Kino. Am Bass gibt Matt McQuaid, der den noch im letzten Jahr im Café Central anwesenden Mike Bigelow (Wintersleep) ersetzt, alles und sorgt für den letzten Schliff.

{image}Im Vordergrund stehen aber immernoch Brian Borchardt und Graham Walsh, die, mit den Möglichkeiten der Technik und des Klangs bastelnd und spielend, in ihrer eigenen Welt versinken. Unzählige Kabel, echte und Spielzeug-Keyboards und sonstige Spielereien breiten sich vor ihnen aus und schaffen einen Sound, der dem Zuhörer zwar vieles abverlangt, aber sofort weitaus mehr zurückgibt. Aus dem Sammelsurium sticht besonders das 35mm-Tonbandgerät aus der Filmsynchronisation hervor, nicht nur weil es genau vor dem Publikum positioniert ist, sondern weil Walsh damit die entspannte Klangfrickelei endgültig in körperliche Anstrengung verwandelt: Er bearbeitet das Gerät, ruckelt daran und zieht am meterlangen Magnetband als wäre es ein Tau. Der Elektro-Musiker als Abbild des Seemanns: Selten ist Musik so ein großartiger Kampf.

Nach jedem Song wird weggeräumt, dazugestellt und umgestöpselt. Der Beat des nächsten Liedes läuft bereits und hinten links fehlt noch ein Kabel – Hektik(!) und daher auch kaum Zeit für Ansagen. Natürlich ist wieder Lovely Allen dabei und überhaupt so einiges der LP und von Holy Fuck (erschienen 2005). Aber am Ende hat man nur eine ungewisse Ahnung im Kopf, was gespielt wurde und man weiß nur, dass gespielt wurde. Was bleibt also übrig? Man ist überwältigt und durch das Zusehen angestrengt. Die Atmosphäre muss aber irgendwie eingefangen werden, weswegen sofort nach Konzertende alle Poster am Eingang verschwunden sind. Aber dankenswerterweise gibt es noch Buttons zu kaufen...

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