Rembert Stiewe

Rembert Stiewe

Eine Idylle in Ostwestfalen. Die Weser schlängelt sich durch Rapsfelder, die Bienen surren durch die Luft, kleine Ruderboote gleiten mit der Wasserströmung an einem vorbei... Doch da! Klänge aus der Glitterhouse-Villa! Bereits im 13. Jahr veranstaltet das Glitterhouse-Label in seinem Garten das "Orange Blossom Special"-Festival, das vielleicht kleinste, aber durchaus eines der sympatischsten Festivals unserer Zeit. Um zum Teenagerstatus zu gratulieren haben wir Rembert Stiewe, OBS-Mastermind, zum Interview geladen.

{image}RA: Hallo Rembert. Das OBS beobachten wir schon eine ganze Weile. Kommerzialisierung und Massenfanhaltung sucht man hier vergebens. Alles verläuft friedlich, mit bester Laune und Bier. So soll es sein. Jetzt wird das Festival 13. Zum echten Teenager! Welche Charaktereigenschaften des eigentlich so sympatischen Festivals sprechen für, und welche gegen diesen Lebensabschnitt? 
Rembert Stiewe: OBS-Jahre zählen wie Hundejahre. Mindestens "x 7", also. Das heißt, dass das Orange Blossom Special schon 91 Jahre alt ist. Und dafür hat es sich ziemlich gut gehalten. Im reiferen Alter hat das Festival an Weisheit zugelegt: Man muss ständig am Programm feilen, Neues bieten, überraschend sein – ohne jedoch die liebgewonnenen Traditionen und Rituale zu vernachlässigen. Dass beispielsweise ein Großteil der Festival-Durchführung, vom Hygiene-Dienst über Kassendienst bis zur Moderation des Programms, unter Verzicht auf Dienstleister, von uns selbst erledigt wird, soll und wird immer so bleiben. Auch die Örtlichkeit: Der Garten einer Gründerzeit-Villa, die das Pech hat, in einem Misch-Gewerbe-Wohngebiet zwischen Bauunternehmen und riesigen Lagerhallen mit der Anmutung von WKII-Bunkern eingezwängt zu sein. Wir wollen hier nicht weg, auch wenn wir woanders mehr Karten verkaufen könnten. Hier ist es kuschelig!

Kannst du uns etwas über die Kindheitsjahre erzählen? 

{image}Rembert Stiewe: Wir wussten von nichts. Eigentlich sollte es eine eintägige Gartenparty mit Livemusik werden, für Freunde und einige Mailorder-Kunden. Der Eintritt war frei. Plötzlich standen geschätzte 800 Leute bei uns im Garten. Wir hatten nichtmal Starkstrom. Die PA wurde aufgebaut, als schon die meisten Zuschauer vor Ort waren. Es regnete. Wir hatten zu wenig Grillkapazitäten und mussten jedes Bierfass einzeln aus dem Kühlhaus des örtlichen Bierverlegers holen. Es war liebenswert-anarchisch. Und großartig. Danach wurde das kleine Monster immer größer. Mehr Bands, bekanntere Künstler, drei Tage lang, mehr Zuschauer. Irgendwann filmte sogar der WDR-Rockpalast das OBS. Zum 10-jährigen Jubiläum. Das war der Ritterschlag. Wir waren ein richtiges Festival geworden.

Das Programm ist 2009 mal wieder hervorragend. Hervorstechend sind vor allem die Auftritte von Maria Taylor, Kristofer Aström, I Am Kloot und Get Well Soon. Welche Kriterien gelten für euch, eine Band zum OBS zu holen? 

{image}Nunja: Mainstream gibt es hier nicht. Die Bands müssen mir, bzw. uns, gefallen. Dann gefallen sie auch dem Publikum. Die Mischung sollte trotzdem ausgewogen sein, es sollte ein musikalischer "flow" entstehen. Es dürfen sich gerne einige Bands hintereinander in melancholischen Elegien ergehen. Aber zwischendurch sollte es auch mal rocken. Die Acts, die hier auftreten, müssen nicht zwangsläufig bekannt sein. Nichteinmal in ihrer oder unserer kleinen musikalischen Nische. Sie sind aber stets interessant, erfrischend, besonders. Nicht umsonst haben hier solche Künstler wie Madrugada, Gisbert zu Knyphausen, Scott Matthew oder Get Well Sonn ihre ersten Openair-Auftritte überhaupt absolviert. Was davon zeugt, dass das OBS ein Entdeckerfestival ist. Wir stellen unsere Trüffelschwein-Qualitäten in den Dienst des Publikums und das Publikum entdeckt fantastische Musik.

{image}In jedem Jahr werden mir so um die 250 Bands angeboten. Da ist es gar nicht leicht, die letztendlich übrig bleibenden 19 herauszusieben. Aber es macht auch Spaß. Und das OBS definiert sich keinesfalls über Headliner. Sowas gibt's hier nicht. Ich prognostiziere z.B., dass nicht nur die von Dir genannten Acts zu Pfingsten bei uns im Garten begeistern werden. Mit Marissa Nadler haben wir eine Frau unter Vertrag genommen, von der derzeit die Musikkritik der halben Welt schwärmt. Mit Benedicte Braenden oder Kristoffer Ragnstam werden zwei noch nicht arg bekante skandinavische Acts für Verblüffung sorgen. Gods Of Blitz, Fabulous Penetrators und Baskery werden das Publikum rocken. Tenfold Loadstar, Black Rust (Anmerkung der Redaktion: wie Get Well Soon sind auch Black Rust bei uns zu finden) und The Miserable Rich werden es be- und verzaubern. Und: Washington! Chris Eckman! Real Ones! Baby Universal! Boy Division! Band Of Heathens! Ich muss ganz unbescheiden sagen: Ein großartiges Programm, auf das ich mich selbst wie Bolle freue.

Das OBS nennt ihr "das (fast) kleinste Festival der Welt". Was macht euer Festival zu etwas besonderem?

Die Leute, das Team, die Musik und die Location. Es ist klein, familiär, kuschelig. Keine Aggressivität, aber auch kein verstrahltes Hippiehippie-Esoterik-Brimborium. Man geht respektvoll miteinander um. Man freut sich miteinander. An allem. Alle sind für drei Tage auf einem fremden Planeten. Und das mitten in Beverungen, Ostwestfalen.

Was wird die Besucher, abgesehen vom Line-Up, denn noch Einzigartiges erwarten? 

{image}Das Wetter wird gut. Das Campingareal am Weserufer wird wieder der malerischste Ort der Welt sein. Die Duschen im Freibad, im Tennisclub und in der Eishalle werden eher zur Abkühlung denn zur Reinigung herhalten. Wir werden wie immer haufenweise schlechte Witze in den Umbaupausen bzw. Anmoderationen erzählen. Die After-Show-Parties im "Stadtkrug" werden Allen Alles abfordern. Die PA wird wieder, wie in den vergangenen Jahren auch, die beste Beschallungsanlage sein, die man für eine Veranstaltung dieser Größen- bzw. Kleinenordnung mieten kann. Boy Division spielen im Publikum, während der Umbaupausen. Es wird wieder ein Gemälde fürn guten Zweck vesteigert, signiert von allen auftretenden Künstlern. Essen und Trinken sind wie stets günstig, Parken und Zelten umsonst. Irgendeiner aus dem OBS-Helferteam ...ich tippe auf David... wird sich wieder fürchterlich zum Brot machen. All das und noch viel mehr.

Danke dir für das Interview, Rembert. Wir wünschen viel Erfolg!