Gregor Samsa

Gregor Samsa

Jahrelang spielte der Name hauptsächlich in der Literatur eine Rolle: Gregor Samsa kennt man als Hauptfigur in Franz Kafkas berühmter Erzählung "Die Verwandlung". Dort mimte er einen Handelsreisenden, der eines Tages aus schrecklichen Träumen erwacht und sich in der körperlichen Gestalt eines menschlichen Ungeziefers wiederfindet. Doch seitdem sich 2000 eine amerikanische PostRock-Band denselben Namen gab, ist er auch in der Musikbranche in aller Munde.

{image}Gegründet wurde Gregor Samsa von Champ Bennet und Nikki King in Richmond, Virginia. Nachdem sie 2002 ihre erste unbetitelte EP aufgenommen hatten, planten sie, gleich ein Jahr darauf ein ganzes Album folgen zu lassen. Doch der Plan scheitert. Aus Geldgründen wurde aus dem geplanten Longplayer nur eine zweite EP namens 27:36. Umstände, die zwei Mitglieder dazu bewegten, die Band zu verlassen. Doch die Gründungsmitglieder gaben ihr Projekt nicht auf, sondern engagierten zunächst einmal verschiedene, sich abwechselnde Musiker für ihre Tourneen, bevor schließlich Jason Laferra als Bassist und Champs Bruder Billy als feste Mitglieder in das Kollektiv einstiegen. Grund genug, um sich wieder an einem Album zu versuchen: Dieser 55:12 betitelte Longplayer erscheint, nachdem eine interne Krise zuvor fast zur Auflösung der Gruppe geführt hatte, im Jahr 2006. Vergangenes Jahr folgte schließlich das zweite Album Rest. Mit diesem sind Gregor Samsa nun auf einer Europatournee unterwegs, und sie besuchten hierbei vor wenigen Tagen auch den Berliner Magnet Club. regioactive.de war dabei.

Und während jener Gregor Samsa aus Kafkas Erzählung die Vermutung äußert, dass er wohl träume, so glaubt sich auch der Zuschauer beim Konzert der Band an diesem Abend in einem träumerischen Zustand zu befinden. Das liegt hier natürlich insbesondere an der tragisch-melancholischen, sphärischen und oft ruhigen Musik der Amerikaner. Aber auch die durch das Mikrofon erzeugte echoartige, nachhallende Stimme von Champ Bennet und Nikki King, und die ebenfalls hallenden Keyboard-Geräusche erzeugen diese besondere Atmosphäre, die darüberhinaus noch durch gelegentliche Geigeneinsätze dramatisiert wird. Eine Stimmung, die die Band unter allen Umständen auch aufrechterhalten will, denn bis auf eine höfliche Begrüßung, einem Dank ans Publikum für das zahleiche Erscheinen, und einer Verabschiedung, ist aus dem sowieso eher ruhig und zurückhaltend ausschauenden Champ Bennett und seiner Partnerin Nikki King kaum ein Wort herauszubringen. Lieber soll der Zuschauer immer tiefer in diese Traumsphäre eintauchen. Zum Beispiel indem man die Grenzen zwischen den einzelnen Titeln verschwimmen lässt und aus eigenständigen Songs ein stabiles, homogenes Soundgebilde erschafft.

{image}Die Literaturfigur Gregor Samsa erwacht nicht mehr aus ihrem (Alp)traum. Der Zuschauer des Konzerts kehrt nach einer Stunde jedoch wieder wohlbehütet aus diesem Traum in die Realität zurück. Er stellt fest: Gregor Samsa hat mehrere Gesichter, die sich jeweils in verschiedenen Weisen zeigen. In Form der Literaturfigur Gregor Samsa und als Musikgruppe Gregor Samsa.

Und neuerdings eignet sich der Name auch für Restaurants. Zum Beispiel in der Kneipe Gregor Samsa in Nürnberg. Was einen da wohl erwarten könnte? Der Autor weiß es nicht, aber glaubt, dass es bestimmt eine spannende Sache wäre, dies herauszufinden. Um das dritte Gesicht des Gregor Samsa zu lüften. Und vielleicht auch alle Gregor Samsas in einem zu vereinen. Zumindest ist er sich sicher: Ein gutes Essen im Restaurant Gregor Samsa mit der gleichnamigen Lektüre und einer dazu begleitenden Musik der Band Gregor Samsa zu verbinden; das klingt doch wirklich nicht so schlecht, oder? Deswegen der Rat des Autors: Auf nach Nürnberg!