Farin Urlaub Racing Team

Farin Urlaub Racing Team © Erik Weiss

Seit fast sieben Jahren arbeitet der Sänger der deutschen Rockband Die Ärzte, Farin Urlaub, unter dem Namen Farin Urlaub Racing Team nun schon an seinen eigenen Soloprojekten. Drei Longplayer sind seitdem entstanden, das "FURT" ist zu einer großen Band gewachsen, doch Farin Urlaub bleibt der primus inter pares. Mit dem neuesten Album "Die Wahrheit übers Lügen" war die Band Ende 2008 auch wieder auf Tour und besuchte zu Weihnachten die Columbiahalle in Farin Urlaubs Geburtsort Berlin.

{image}Eigentlich können sich die Fans darauf verlassen. Ist erstmal ein Ärzte-Album veröffentlicht und die dazugehörige Tour beendet, dann folgt seit nunmehr sieben Jahren fast schon ganz automatisch eine Soloplatte des Sängers dieser populären Band, Farin Urlaub alias Jan Vetter. Während er bei den ‚Ärzten nur mit seinen zwei Bandkollegen Bela B. und Rodrigo Gonzales Musik macht, hat er sich für sein Soloprojekt ein kleines Ensemble zusammengestellt. So stehen bei den Livekonzerten nicht nur die Bassistin Cindia, die Gitarristin Nessie und die Schlagzeugerin Rachel mit Farin Urlaub auf der Bühne, sondern auch vier Sängerinnen (Celina, Annette, Vanessa, Simone), 1 Trompeter (Hardy), zwei Saxophonisten (Quitte, Fischi) und ein Posaunist (Rob) gesellen sich zu der Truppe des Ärzte-Sängers hinzu. Und so ist sein anfangs gestartetes, eigenes "Soloprojekt" eigentlich gar kein richtiges Soloprojekt, sondern vielmehr ein Nebenprojekt mit einer auf vielen Positionen besetzten Band. Dass Farin Urlaub dabei nicht einfach "nur" als Farin Urlaub, sondern mit der gesamten Gruppe als Farin Urlaub Racing Team auftreten will, zeigt sich auch an der Tatsache, dass sein neues Album Die Wahrheit übers Lügen nicht mehr nur von ihm alleine eingespielt wurde, sondern der Name Farin Urlaub Racing Team zum ersten Mal auch auf dem Cover abgebildet wurde. Vielleicht auch aus dem Grund, weil er es satt war, dass das Publikum bei Zugaberufen immer nur seinen Namen rief, anstatt den des ganzen Farin Urlaub Racing Teams. Allerdings wechselten die Fans beim Konzert kurz vor Weihnachten in der Columbiahalle in seiner Heimstätte Berlin von gewohnten "Farin Urlaub!"-Sprechchören zu "Farin Urlaub Racing Team"-Rufen auch erst nach einer Ermahnung seinerseits. Das war dann aber auch eine der wenigen Dinge, die der Sänger den Fans an diesem Abend ankreiden musste.

{image}Denn auch wenn viele Fans bei dieser Band aufgrund seiner Ärzte-Mitgliedschaft sehr fixiert auf Farin Urlaub sind, der Jubel und die Begeisterung gelten dennoch der gesamten Band. Einer Band, die für die Tour scheinbar eine eigene Tanz-Choreographie einstudiert hat. Eine Tanz-Choreographie, die besonders auf den synchronen Bewegungsablauf der einzelnen Bandteile hinausläuft. Denn während Farin und die beiden Gitarristen am vorderen Teil der Bühne zunächst nur machen, was sich wollen, bewegen sich die vier Backgroundsängerinnen, die darüberhinaus wie Zwillinge in den gleichen rot-schwarzen Kleidern auftreten, in etwa so synchron, wie man es zum Beispiel auch bei Synchronschwimmerinnen im Becken sieht. Auch die ebenfalls vier Blechblasinstrumentalisten, die mit ihren schwarz-roten Hüten und ihren Anzügen ein wenig an Blues-Musiker erinnern, entwickeln hier ihre eigene, scheinbar einstudierte Tanz-Choreographie. Und als schließlich in der zweiten Zugabe Insel getrommelt werden soll, gesellen sich auch Farin und seine Gitarristinnen dazu, um als gesamte Band wie im Akkord synchron und symmetrisch auf die Trommeln zu schlagen.

{image}Zuvor und kurz danach befreit sich Farin Urlaub jedoch schnell wieder aus den Fesseln dieser Gleichmacherei. Er möchte sich offenbar lieber eigenständig bewegen. Zum Beispiel im vom neuen Album stammenden Song F.D.G., bei dem er dem ganzen Publikum schließlich sogar seine ganz eigene Interpretation von Tanzstilen zeigt. Applaus aus dem Publikum ist ihm gewiss, und auch die Band spricht ihm hier in Form seiner Duett-Partnerin in diesem Stück, Simone, Lob für seine Performance aus. Man merkt hieran aber unfraglich, dass – trotz dem scheinbaren Bandgefüge – Farin Urlaub immer noch der treibende und bestimmende Pol im Getriebe dieser Truppe ist. So hat er auch immer mal wieder ein Witz über dieses oder jenes Mitglied der Gruppe übrig. Diese lassen sich durch die gutgemeinten Scherze ihre Laune nicht nehmen. Eher strahlt die Band eine solch lebendige Fröhlichkeit aus, dass es sich auf das ganze Publikum überträgt.

So tanzen die jungen Zuschauer zu dem im Vergleich zu den Ärzten rockigeren Sound fast schon überschwänglich um die Wette, bilden Wall of Deaths, schwenken in den beiden Balladen Die Leiche und Phänomenal egal, so kitschig es auch ist, brennende Feuerzeuge oder leuchtende Handys in der Luft, bejubeln kleine Posaunen-Solos vom oben genannten Rob und hüpfen im traditionell nur live gespielten Song Zehn so lange euphorisiert umher, bis ihre Kräfte sichtlich schwinden. Und wenn Farin Urlaub eine Ansage macht, dann gehorchen sie ihm wie in einer Hypnose. Zum Beispiel wenn er oben genannte Wall Of Death oder leuchtende Feuerzeuge bei Balladen fordert. Manchmal wirkt er dabei allerdings auch wie ein Erzieher. Zum Beispiel, wenn er bei der Bildung der Wall Of Death eingreift und den Fans eine gewisse Übereifrigkeit vorwirft. Oder wenn er beim Pogen die jungen Fans auffordert, aufeinander aufzupassen und jeden, der umfällt, wieder aufzuheben. Einerseits sind diese Ratschläge natürlich wertvoll, da es an diesem Abend auch Zuschauer in die Halle getrieben hat, die nicht viel älter als zehn Jahre wirken. Andererseits aber auch ermüdend, da diese Ratschläge Konzertbesucher eigentlich selbst am besten wissen müssten.

{image}Das Konzert endet schließlich mit dem Abschiedslied und der ebenfalls gewohnten zweiten Version des Hüpf-Lieds Zehn. Hier bündelt das Publikum nach vier Zugabeblöcken noch einmal alle Kräfte, bevor es dann zum wirklichen Abschied kommt. Und wie sollte es anders sein? Auch das Abschiednehmen läuft in einer Choreographie ab. Männchen geht mit Weibchen Hand in Hand aus dem Saal.

Kurz vor Weihnachten wurde hier also noch einmal die perfekte Harmonie vorgelebt. Eine Harmonie, die in solchen Tagen manchmal auch nur ein Wunschtraum bleibt. Umso schöner, wenn wenigstens die Illusion davon bestehen bleibt. Aber Achtung: Weihnachten ist beim Erscheinen dieses Artikels sowieso schon längst vorbei. Deshalb wünscht der Autor hiermit ein frohes Neues und harmonisches Jahr 2009! Prost!

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