Beim PopCamp ist hartes Arbeiten angesagt.

Beim PopCamp ist hartes Arbeiten angesagt. © Jonathan Gröger

Vom 15. bis 22.11 findet in Berlin das "PopCamp" statt, mit dem der Deutsche Musikrat jedes Jahr junge Pop- und Rockbands unterstützt. Fünf Nachwuchsbands arbeiten mit Experten an Sound, Präsentation und Songmaterial, und sie erhalten Hintergrundwissen über die Branche. Unser Gesprächspartner Kai Thomsen berät die Bands beim Berliner "PopCamp" im Bereich Marketing.

{image}Am 21. November ab 20.30 Uhr treten die fünf Bands der aktuellen Staffel (Alin Coen und Band, Auletta, Formelwesen, Hesslers und Maren & Montauk) im Kesselhaus der Kulturbrauerei Berlin beim großen "PopCamp"-Konzert auf. Dort müssen sie dann auf der Bühne beweisen, was sie im Laufe der intensiven Coachingphasen gelernt haben. Und dass sie etwas gelernt haben, dazu wird sicher auch unser Interview-Partner beitragen: Kai Thomsen berät die jungen Musiker im Bereich Marketing. Er arbeitete zuvor schon als Dozent, Fotograf und Journalist, veröffentlichte Publikationen über Medien- und Musikmarketing und war bis 2000 als Produktmanager sowie Marketing- und später Labelmanager bei verschiedenen Plattenfirmen tätig (u.a. Eye Q, Harthouse, ISS Records). Auf freiberuflicher Basis beriet er Verlage und Labels und konzipierte eine Musical-Tourneeproduktion. Seit 2000 ist er Geschäftsführer der CD-Kaserne in Celle, einem der größten Jugend- und Veranstaltungszentren in Norddeutschland. Das Interview führte Felix Kubach, freier Journalist, u.a. tätig für diverse Printpublikationen wie "Berliner Zeitung" sowie die Bürgerjournalismusplattform "Readers Edition".

Herr Thomsen, Sie sind Dozent beim "PopCamp" für die Bereiche Management, Marketing und Controlling. Was bringen Sie den Bands im PopCamp bei?

{image}Thomsen: Es geht um den wachsenden Bedarf an Werkzeugen aus dem Bereich Selbstmanagement. Die Anforderungen an junge Künstler, eigenverantwortlich und betriebswirtschaftlich selbst und souverän auf den Beinen zu stehen, sind in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gewachsen. Es gibt weniger externe Manager oder Agenturen, die Dir sagen: Ich nehme Dir den betriebswirtschaftlichen Part ab. Ein Künstler von heute ist ein Allrounder, er muss sich neben der Musik auch in den Bereichen Marketing, Betriebswirtschaft, Steuern, und juristischen Angelegenheiten kompetent bewegen.

Und weshalb gibt es diese Unterstützung von außen nicht mehr?

Thomsen: Die Einnahmequellen sprudeln nicht mehr so ausgiebig. Die Agenturen verdienen in den verschiedenen Bereichen weniger Geld. Außerdem gibt es viel mehr Künstler, also ein viel größeres Angebot. Und da fängt es an, für die Bands interessant zu werden, zu sagen: Wenn es niemanden gibt, der klassische Management-Aufgaben übernimmt, muss ich es selber tun.

Während es früher so war, dass Scouts die Bands aus den Konzertsälen ins Studio geholt haben, müssen sich die Bands heute selbst kümmern.

{image}Thomsen: Ja, klassische Artist-Developement-Aufgaben lagen bis vor zehn Jahren noch bei den Plattenfirmen. Heute ist diese Aufgabe viel verbreiteter. Viele Tonstudios, kleine Labels und Kleinstunternehmen übernehmen dies, ohne dass es dafür Vorbilder in den Plattenfirmen gäbe. Da ist es wichtig, dass der Künstler weiß, was eigentlich passiert. Worauf lasse ich mich ein? Was macht mein Partner da gerade? – Ich habe es immer wieder erlebt, dass Künstler nicht kompetent verhandeln, sich für diese Bereiche zu wenig interessieren. Gerade diese Künstler waren später mit Entscheidungen ihrer Partner sehr unglücklich.

Nun sind Musiker aber nicht selten Idealisten, Künstlerpersönlichkeiten...

{image}Thomsen: ...und trotzdem muss man sich wie in Wirtschaftsprozessen das Produkt anschauen. Was macht ein Produktmanager in der Wirtschaft? Er analysiert erst einmal das Produkt nach seinen Spezifikationen, seiner Zielgruppe, er entwickelt Projektstrukturpläne, Investitionspläne. Übertragen auf die Bands heißt das: Man muss jede Band analysieren und schauen, was sie gerade jetzt braucht und am Ende hat man den klassischen Marketing-Mix der Produktvermarktung. Da gibt es allerdings kein Patentrezept, keinen einzigen richtigen Mix für Künstler.

Viele Bands stehen solch ausgeklügelten Marketingstrategien eher skeptisch gegenüber.

Thomsen: Das ist generell bei Künstlern die Crux. Künstler sind emotional sehr nahe an ihrer Musik – an ihrem Produkt. Es fällt ihnen schwer, das Wagnis einzugehen, einen Schritt zur Seite zu treten – zu sagen: Ich schaue mich jetzt einmal von außen an. Einem Künstler im bildhauerischen Bereich fällt das vielleicht leichter. Er fertigt eine Skulptur an und mit dem Abschluss der Arbeit verliert er ein Stück emotionaler Bindung. Er kann sich davon trennen, verkauft die Skulptur und fertigt die nächste an. Bei Musikern ist es schwieriger. Sie performen mit jeder Probe und mit jedem Konzert das Gefühl des Songs, diese emotionale Bindung neu und verkörpern diese als Künstler.

Wie löst man Künstler aus dieser Bindung?

{image}Thomsen: Ich rate Künstlern immer wieder, sich in Außensicht zu üben – wie in einer Therapiegruppe. Man betrachtet sein Musikwerk einfach einmal von außen und sagt sich: "OK, ich habe jetzt diese Songs auf CD produziert – für wen sind die eigentlich?" Für Marketingfragen ist es wichtig, den Blick auf die Zielgruppe zu lenken.

Musiker befürchten aber oft, dass ein Teil der Emotionen verloren geht, wenn man nur die Zielgruppe im Auge hat.

Thomsen: Das sollen sie ja nicht, aber trotzdem brauchen sie eine Marketing-Kompetenz. Niemand wird bestreiten, dass es z.B. für Kinder wichtig ist, Medien-Kompetenz zu besitzen, damit sie kritische Fernsehzuschauer werden. Ähnlich verhält es sich mit Marketing und Management für Künstler.

Herr Thomsen, vielen Dank für das Gespräch!

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