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A Tribute to Albert Ayler

Roy Campbell, Joe McPhee, William Parker und Warren Smith würdigten mit ihrem bewegenden und begeisternden Auftritt im Rahmen des "Enjoy Jazz"-Festivals die frühverstorbene Free-Jazz-Legende Albert Ayler.

"John Coltrane war der Vater, Pharoah Sanders der Sohn und ich der Heilige Geist", so lautete die treffende Selbstbeschreibung Albert Aylers. Als er im Alter von gerade einmal 33 Jahren ertrunken aus dem New Yorker East River geborgen wurde, hinterließ er eine Lücke, die kein anderer Musiker zu füllen vermochte. Albert Ayler war sowohl ein radikaler, abstrakter Modernist, als auch ein traditionsbewusster Melodiker. Aylers Musik basierte auf seiner extrem expressiven Spiritualität, die sozusagen eine musikalische Befreiungstheologie darstellte. Der Titel einer seiner Kompositionen Truth Is Marching In, verweist auf den Text des Bürgerkriegslieds Battle Hmyn Of The Republic und erinnert somit direkt an die Sklavenbefreiung. Aylers Spiritualität und sein Streben nach Befreiung hatte daher auch immer einen politischen Gehalt. Im überbordenden Treiben seiner Musik fanden sich aber auch stets bemerkenswerte Augenblicke der Ruhe. Nichts weniger als die Geschichte und das Schicksal der Afro-Amerikaner spiegelt sich in seiner Musik wider.

{image}Mehr als vierzig Jahre sind seitdem vergangen, in denen die Musik Albert Aylers unzählige Musiker geprägt hat. Vier von ihnen, Roy Campbell, Joe McPhee, William Parker und Warren Smith traten am vergangenem Dienstag im Rahmen des "Enjoy Jazz"-Festivals im Heidelberger Karlstorbahnhof auf, um ihr Vorbild zu würdigen. Ihr hundertminütiger Auftritt lieferte ein begeisterndes und bewegendes Portrait Aylers und seiner Musik, die fast 40 Jahre nach seinem Tod nichts von ihrer beeindruckenden und mitreißenden Kompromisslosigkeit verloren hat.

Dass die vier Musiker den Geist Albert Aylers atmen, verdeutlicht nichts besser, als die grandios gelungene Verbindung von gefühlvoller Melodik und abstrakter, bisweilen radikaler Expressivität. Campbell und McPhee, ersterer an der Trompete, Pocket-Trumpet, am Flügelhorn und der Querflöte, McPhee vornehmlich am Tenor-Saxophon sind diejenigen, die dafür vornehmlich verantwortlich zeichnen, den vorwärtstreibenden Charakter von Aylers Musik auf der Bühne zu verwirklichen. Wenn hingegen Bassist William Parker ins Rampenlicht tritt, dann scheint für einen Augenblick die Zeit stillzustehen. Es ist nicht, dass seine Musik statisch oder frei von Spannung wäre, aber sie scheint einem ganz anderen Kontext entstanden zu sein, der doch auf (für den Autoren) unerklärliche Weise mit Campbell und McPhee harmoniert. Schlagzeuger William Smith glänzt vor allem in den kleinen, subtilen Gesten, für die die Musik Aylers wiederum zahlreiche Gelegenheiten bietet.

{image}Wenn die afro-amerikanische Erfahrung das zentrale Element der Musik von Albert Ayler ist, dann kann der Wahlsieg Barack Obamas nicht ohne Wirkung auf dieses Konzert bleiben. Und so ist es auch. Campbell spricht von der Notwendigkeit, für Obama zu beten, um ihn vor negativen Kräften zu beschützen und leitet damit Aylers Our Prayer ein. Und dann wird klar: Die Wut und Zerrissenheit Aylers haben einer neuen, vorsichtigen, etwas nervösen, aber klar spürbaren Hoffnung Platz gemacht. Mit Barack Obamas Wahl beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Afro-Amerikaner. Was wohl Albert Ayler dazu gesagt hätte?

Einen Tag nach der Wahl Obamas spielte Peter Brötzmann in der Alten Feuerwache. Der Vergleich mit diesem Konzert drängt sich geradezu auf und verdeutlicht die schier endlosen Möglichkeiten, in der Jazzmusik eine individuelle Sprache zu finden. Brötzmann, der sich mit dem "Die Like A Dog"-Quartett, in dem William Parker eine wichtige Rolle spielte, ebenfalls der Musik von Ayler widmete, ist sehr viel stärker an der körperlichen Erfahrung von Musik interessiert. Campbell und seine Mitstreiter hingegen vermitteln ihre Musik nicht nur im Expressiven oder Ekstatischen, sondern gerade auch in den kleinen Gesten, den ruhigen Momenten und in der Stille. Deshalb vermittelt die Musik bei allem stürmischen Tosen ein Gefühl erhabener Ruhe. Es ist ein wenig so, als hätte Albert Ayler in Gestalt von Campbell, McPhee, Parker und Smith seinen Frieden mit der Welt gemacht.

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