Blood Red Shoes (live beim Deichbrand Festival 2019)

Blood Red Shoes (live beim Deichbrand Festival 2019) © Philipp Karadensky

Das Rockduo als Bandbesetzung hat sich etabliert, doch meistens hören die Ähnlichkeiten damit schon wieder auf. Die Blood Red Shoes wollen von solchen Vergleichen sowieso zu Recht nichts wissen. Die Band aus Brighton war am vergangenen Samstagabend im Berliner Lido zu Gast. Nicht zum ersten Mal. Und auch nicht zum ersten Mal vor einem Publikum, das sich zur Musik und Show vollkommen verausgabt. Die Briten stehen dem auf der Bühne aber in nichts nach, egal ob sie live spielen oder ein DJ-Set präsentieren.

{image}Ob Männer, Frauen oder Kinder. Schuhe in den verschiedensten Formen und Farben trägt jeder von ihnen. Und es gibt auch Leute, die so begeistert von der Idee des Schuhes sind, dass sie den Begriff gleich in ihren Bandnamen aufnehmen. Wie zum Beispiel die Good Shoes aus London, die Two Shoes aus Berlin oder aber die Blood Red Shoes aus Brighton. Die Namensidee für die letztgenannte Band geht auf die Schauspielerin Ginger Rogers zurück, die eine Stepptanz-Szene angeblich so oft wiederholen musste, bis sich ihre weißen Schuhe wegen den Wunden an den Füßen blutrot färbten. Das klingt blutrünstig, doch die Zweier-Gruppe aus Schlagzeuger Steven Ansell und Gitarristin Laura-Mary Carter, die nach der Trennung ihrer beiden eigenen Bands Lady Muck und Cat On Form zusammenfanden, ist eigentlich ganz harmlos. Dafür besitzen sie jedoch viel Elan und Energie, was sie mit ihrem punkig-garagigem Alternative-Sound auch im ausverkauften Lido in Berlin unter Beweis stellen wollten. Hier macht ihnen allerdings zunächst die Hitze etwas zu schaffen. Von der Feststellung, dass es im zu spielenden Raum ja unglaublich heiß sei über die Entschuldigung, dass er jetzt wegen der stickigen Luft erstmal tief Luft holen müsse bis zur Aussage, dass er vom Schweiß fast sterbe, durchlebt der von manchen Fans als "Wuschelkopf" bezeichnete Schlagzeuger einige anstrengende Phasen mit Hitzebeschwerden. Durch ihren stetigen, wie von einer Dampfwalze angetriebenen Sound, der ihm als Schlagzeuger keine Pause gönnt, da er noch dazu im Wechselgesang die Hälfte der Songs mit viel Elan selbst ins Mikrofon singt, hat er es hier im Vergleich zu seiner Bandkollegin besonders schwer. Sie bewegt sich allerdings auch energievoll und dauerhaft zwischen Mikrofon und seinem Schlagzeug hin und her, und sie schreit mit ebenso viel Energie und Leidenschaft in mal drängender, mal fordernder Stimme in das Mikrofon. Allein schon die Fußstellung zeigt dieses Engagement, wenn sie – immer pünktlich Einsatz des Gesangs – einen Fuß nach vorne stellt und sich auf Zehenspitzen leicht über das Mikrofon beugt.

Das Publikum steckt sich an diesem wuchtigen und mit viel Elan vorgetragenen Sound schnell an. Zumindest kann es vor Begeisterung nicht mehr stillhalten, sobald der erste Ton erklingt. Die teilweise sehr junge Meute verausgabt sich beim Tanzen, Springen und Hüpfen mit dergleichen Euphorie, mit der ihre Lieblingsband auf der Bühne brilliert. Das merkt man vor allem an den verschiedenen Kommentaren, die im Saal immer wieder zu hören sind. So reichen die Ausrufe der nach Luft schnappenden und schweißgebadeten Fans von einem "Ey, ich kann nicht mehr" bis zu drastischen Aussagen wie "Morgen bin ich tot! Und ich muss auch noch mit dem Zug nach München!".

Es gibt allerdings, wie auf jedem Konzert, auch manche Besucher, die nicht so begeistert sind wie der Großteil der Gäste. Oft ist das die Begleitung, die nur aus Liebe oder Freundschaft mitgekommen ist. Eigentlich ja keine erwähnenswerte Sache, wäre da nicht der im Folgenden geschilderte Fall. Denn wie ein junger Fan hier im Lido seine etwas traurig dreinschauende Begleiterin tröstet, in die Arme nimmt und zum Tanzen animiert, indem er – mit dem Rücken zur Bühne gedreht – ihre Hände nimmt und sie tänzerisch immer intensiver in die Rhythmik des Sounds einführt, bis sie schließlich am Ende des Konzerts doch anfängt, sich von selbst zu bewegen, das kann den geneigten Beobachter aufgrund der Schönheit dieser Szene schon etwas rühren.

{image}Blood Red Shoes spielt und bewegt sich währenddessen immer noch enthusiastisch auf der mit – passend zum Namen – blutrot leuchtenden Stehlampen ausgeschmückten Bühne, um ihr bisher einziges Album Box Of Secrets nun schon das vierte Mal innerhalb von zwei Jahren in Berlin zu präsentieren. So dürfen Songs wie das mit einem dynamischen Refrain ausgestattete You Bring Me Down oder die ebenso temporeichen Songs It’s Getting Boring By The Sea und This Is Not For You oder das Fragenspiel in Doesn’t Matter Much natürlich nicht fehlen. Doch Aussicht auf ein neues Album gibt es an diesem Abend auch. Denn zumindest ein neuer Song wird hier schon einmal vorab präsentiert.

Am Ende hält der Schlagzeuger die Hitze dann nicht mehr aus und spielt die Zugabe mit nacktem Oberkörper, um wenig später auf den Händen der Zuschauer zu surfen, und um schließlich in freudiger Erwartung anzukündigen, dass jetzt ein DJ-Set auf die beiden Musiker wartet. Der Ort des Geschehens ist der Rote Salon in der Volksbühne. Dort finden sich dann auch später einige auf dem Konzert gesichtete Zuschauer ein und genießen das von den beiden Protagonisten ebenso wie zuvor auf dem Konzert mit viel Enthusiasmus vorgeführtes DJ-Set. Es wird eine lange Nacht werden. Denn auch als der Autor um fünf Uhr morgens den Club verlässt, legen die beiden Blood-Red-Shoes-Mitglieder noch immer mit viel Begeisterung in dem gut gefüllten Saal auf. Besonders der Schlagzeuger Steven schwirrte hier wohl noch lange zwischen DJ-Pult und Tanzfläche umher.

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