Dave Holland

Dave Holland

Dave Holland und seine Band waren für ihr Konzert im Rahmen des "Enjoy Jazz"-Festivals am vergangenen Montag im Ludwigshafener Kulturzentrum dasHaus aus Litauen angereist – und verspäteten sich prompt. Während die Musiker noch schnell ihr Abendessen verspeisten, rutschten die Zuschauer ob der fortgeschrittenen Stunde unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Es gibt sicherlich idealere Voraussetzungen für ein Konzert, und doch gelang Dave Holland ein exzellenter, fast zweistündiger Auftritt.

Dave Holland verfügt über jahrzehntelange Erfahrung, die es ihm ermöglicht, solche Probleme locker zu bewältigen. Der 1946 in Wolverhampton, England geborene Musiker zählt zur großen Gruppe heute berühmter Jazzer, die in ihrer Anfangszeit von Miles Davis entdeckt oder gefördert wurden. Holland spielte mit Davis auf so legendären Alben wie In A Silent Way und Bitches Brew, wandte sich dann eine Zeitlang dem Freejazz zu, bevor er in späterer Zeit zu melodischeren Formen zurückkehrte. Sein Quintett, mit dem er im Augenblick auf Tournee ist, beruht auf der langjährigen Partnerschaft mit den beteiligten Musikern. Mit Posaunist Robin Eubanks hat Holland zum ersten Mal vor fast 20 Jahren zusammengearbeitet, Vibraphonist Steve Nelson begleitet ihn schon seit ungefähr 15 Jahren, Alt- und Sopransaxophonist Chris Potter seit Beginn des neuen Jahrtausends. Dementsprechend groß ist das instinktive Verständnis der Musiker untereinander. Lediglich Schlagzeuger Billy Kilson ist erst vor vergleichsweise kurzer Zeit Teil des Quintetts geworden.

Das Zusammenspiel des Ensembles zeichnet sich durch eine harmonische und dennoch eindringliche Melodik aus. Melodien und spannungsvolle Rhythmen sind für das Dave Holland Quintett keine Gegensätze, sondern einander ergänzende Faktoren. Die Musik swingt und ist dabei gleichzeitig intensiv und eingängig. An diesem Punkt seiner Karriere angekommen, hat Dave Holland kein Bedürfnis mehr, andauernd im Mittelpunkt zu stehen. Es genügt ihm, das Geschehen zu strukturieren und mit sanfter Hand zu leiten, sofern das nach so vielen Jahren gemeinsamer Arbeit mit den übrigen Musikern überhaupt noch nötig ist. Zu Beginn eines Stückes spielt die Band das Thema gemeinsam, dann treten entweder Eubanks oder Potter in den Mittelpunkt und spielen als Quartett, bevor sich die Gruppe zum Abschluss wieder vereinigt. Manchmal reduziert Holland sein Quintett zu einem Trio aus Schlagzeug, Bass und Vibraphon. Das beeindruckend lebendige Zusammenspiel der drei Musiker zählt zu den Highlights des Abends und lässt vermuten, dass auch ein Trio-Konzert ein großes Vergnügen wäre.

Trotz aller virtuosen Brillanz der Musiker, das Konzert bezieht seine Stärke aus dem gegenseitigen Austausch von Ideen. Wie auch die an diesem Abend gespielten Stücke von den verschiedenen Mitgliedern der Band geschrieben wurden, so findet sich die Idee der Kollaboration auch in der Struktur des Konzerts wieder. Wirkliche Soli – insbesondere der Blechbläser – gibt es weniger häufig als musikalische Konversationen, die der gemeinsamen Entwicklung musikalischer Ideen dienen und jede denkbare Form annehmen können. Der vor Kreativität sprühende dialogische Austausch zwischen Nelson und Holland im Eröffnungsstück Step To It ist ebenso ein Beispiel für diese Vorgehensweise, wie das oft begeisternde Ensemblespiel des vollen Quintetts.

Das Publikum im ausverkauften Haus spendet dem Dave Holland Quintett jedenfalls tosenden Beifall und fordert stürmisch eine Zugabe. Für das kurze Easy Did It, eine Verneigung vor der Jazz-Metropole New Orleans, kehrt das Ensemble noch einmal auf die Bühne zurück, verabschiedet sich dann aber nach fast zwei Stunden endgültig. Kaum einer der Zuschauer dürfte sein Kommen bereut haben, da Dave Holland und seine Band trotz widriger Umstände mit einem exzellenten Auftritt überzeugt haben.

Wer sich darüber ärgert, das Konzert verpasst oder keine Karte mehr erhalten zu haben, dem sei die bei ECM erschienene Doppel-CD Extended Play - Live At Birdland empfohlen. Abgesehen von Billy Kilson spielt dasselbe Quintett und auch die Struktur des Konzerts ist vergleichbar.

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