FOTOS
Foto: Nils Rodekamp

FOTOS Foto: Nils Rodekamp © EMI Music Germany

Die deutsche Band FOTOS tourt nun schon fast das gesamte Jahr unentwegt durch die hiesigen Gefilde, um ihr neustes und zweites Werk "Nach dem Goldrausch" dem heimischen Publikum näher zu bringen. Am vergangenen Samstag Abend schlug die Gruppe dafür auch in der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam ihre Zelte auf. Ein Review über Seifenblasen, tanzende Menschen und überraschende Verhaltensweisen – willkommen im Netz der Fotos!

{image}Wenn Bands auf Tour sind, schauen sie praktisch immer in der deutschen Hauptstadt Berlin vorbei. Diese These ist bekannt. Dass manche Bands dann aber sogar mehrmals im Jahr einen bestimmten Ort besuchen, andere Bezirke Deutschlands dagegen auf ihren Reisen ganz auslassen, führt in manchen Regionen zu Unverständnis und lässt in dem ein oder anderen Musikfan verständlicherweise etwas Neid aufkommen. Das Berliner Publikum kann sich dagegen darüber freuen. So ist ihre Hauptstadt oft nicht nur Schauplatz von exklusiven Konzerten. Nein, Bands wie The Wombats, Blood Red Shoes oder Vampire Weekend spielten oder spielen dieses Jahr schon zum zweiten Mal in der deutschen Metropole. Kein Vergleich aber zu der Band FOTOS, die nach ihrem Gig im Frühjahr im Postbahnhof und einem Akustikset im Gravis-Store in Berlin im Spätsommer nun schon zum dritten Mal in dieser Region vorbeischaute. Diesmal allerdings nicht in der allseits bekannten und beliebten Weltstadt, sondern im Waschhaus der nahegelegenen, brandenburgischen Hauptstadt Potsdam.

Die Gruppe um Tom, Frieder, Deniz und Beppo, die sich 2006 gründete und nach ihrem vom Indierock geprägten und gleichnamigen Debütalbum dieses Jahr ein etwas experimentelleres, auch von Soul-und Funkeinflüssen beeinflusstes Album namens Nach dem Goldrausch (inspiriert wurde die Band hier von Neil Youngs Song After the goldrush) auf den Markt brachte, hat sich an diesem Herbsttag einen sehr kleinen, intimen und für die Jahreszeit sehr angemessenen, kuscheligen Ort ausgesucht, der mit der Größenordnung des Postbahnhofs aus dem Frühjahr eher weniger zu tun hat.

{image}Auch darum ist der Saal an diesem Samstag sehr gut gefüllt, als die vier Musiker die Bühne betreten, um gleich zu Beginn in chorartigem und wiederholendem Rhythmus den Kreislauf des Tourlebens zu beschreiben. Essen, schlafen, warten, spielen lautet hier ihre Erkenntnis von einer langen Tour. So ein monotoner, gleich ablaufender Rhythmus kann ermüdend sein. Aber wie sagen die FOTOS nicht auch in einer Textzeile? "[Sie] sind nur vier von vielen [Bands]", denen es so geht. Und Überraschungsmomente, die einen Musiker aus dem gewohnten Kreislauf herausreißen, gibt es ja auch immer wieder auf Konzerten. So zum Beispiel an diesem Tag, wo mit der Technik anfangs einfach nicht alles klappen will. So gibt es Probleme mit den Instrumentarien Mikrofon und der Gitarre des Sängers. Kurze Zeit später sind die Mängel dann aber auch schon behoben und Sänger Tom kann mit seiner Band "zurück an den Anfang, den unglücklichen Anfang" gehen, indem sie um verstimmte Geigen kämpfen und keine Serenaden mehr spielen. Es folgen beliebte Hits wie Komm zurück oder Ich bin für dich da. Letzterer spricht hierbei in seinem Refrain im übertragenen Sinne genau das aus, was im Saal wohl einige Zuschauer weiter vorne denken: "Halt dich an mir fest/ Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist/ Und wenn du willst, lass nicht mehr los/ Die Gefahr, dass du fällst, ist zu groß" – denn dort hat sich schnell ein kleiner Kreis gebildet, der nun zusammen mit dem gleichmäßig vorwärtstreibenden Beat von einer Seite zur anderen Seite springt und hüpft. Dies ist natürlich auf die Dauer auch für die ausdauerstärksten Zuschauer anstrengend und so sind schnell einige Oberkörper entblößt. Ein Fan nutzt dies, um nun wie ein Cowboy das restliche Konzert über sein T-Shirt wie ein Lasso über den restlichen Zuschauern schwingen zu lassen. Dazu wird auf Anordnung der FOTOS wenig später dem Takt folgend gemeinschaftlich mitgeklatscht, und bei den auf einem Höhepunkt zustrebenden Songs Viele und Giganten werden dann schließlich auch die Stimmen der Zuschauer zum ersten Mal in Anspruch genommen. Und ein Fan hat sich eine ganz besondere Aktion ausgedacht, die allerdings jedoch auch ein wenig an eine Seifenblasen-Aktion auf einem kürzlich stattgefundenen Beatsteaks-Konzert erinnert. So pustet der weibliche Fan dieselben immer wieder in Richtung der Band. Sänger Tom nimmt dies dankend entgegen, fängt eine Seifenblase mit seinem Mund auf und lässt sie bis zum Zerplatzen über seine Mundwinkel tanzen. 

{image}Mit Giganten endet dann vorläufig das Konzert, wobei Sänger Tom schon mal im Voraus "Bis gleich! Wir sehen uns!" ausruft. Ein Musiker, der hiermit zugibt, dass Zugaben eigentlich normalerweise im jeweiligen Songrepertoire der Gigs schon fest eingeplant sind und das Wort "Zugabe" dabei in dieser Form von vielen Musikgruppen nur inszeniert wird, um sich entweder selbst beklatschen zu lassen oder dadurch den Stimmungspegel im Publikum zu messen. Deswegen erscheint es dann auch komisch, dass das Publikum im Waschhaus diese Aussage teilweise wohl ernsthaft als Ende des gesamten Konzerts ansieht. Zumindest leert sich der Saal kurz nach dem oben erwähnten Song schnell, die Türen nach draußen öffnen sich und auch im Vorsaal stellen sich viele wieder zu den Stehtischen, um ein Bier oder sonstiges zu trinken. Erst als ein Security nach draußen geht und die Türen wieder schließt sowie die FOTOS, sichtlich überrascht und verwundert über dieses untypische Verhalten, auf die Bühne zurückkommen, füllt sich der Zuschauerbereich wieder. Tom meint dazu nur etwas verwirrt: "Ihr seid ja komisch!" und ruft nun zum Slogan auf: "Wiederhole deinen Rhythmus!", was von den recht jungen Fans auch schnell wieder beherzigt wird. Kurze Zeit später ist dann die Zeit gekommen, den Alltag ganz zu vergessen, aufzuhören zu funktionieren und lieber die Zeit zum Explodieren zu finden. Noch ein Song der knallt, und der zum Ende dieses Konzertes passen würde. Das könnte man jedenfalls denken. Zumindest sehen das wohl auch die beiden Gitarristen Deniz und Frieder so und wollen die Bühne verlassen. Doch Sänger Tom und Schlagzeuger Beppo denken scheinbar anders und halten die beiden Kollegen zurück, um nochmal zusammen mit der Vorband ihren lässigen, entspannten und den an Nach dem Goldrausch anlehnenden Song Kalifornien zu performen, und schließlich noch eine Vorankündigung publik zu machen. Nämlich dass sie im Dezember zum vierten Mal nach Berlin kommen wollen. Genauer am 20. Dezember, zum zwanzigsten Geburtstag des unter Berliner Indiefans beliebten Magnet Clubs. Und wer weiß, vielleicht spielen sie ja dann auch den ein oder anderen neuen Song von ihrem bald geplanten, neuen Album. Im Waschhaus gab es davon jedenfalls schon mal ein kleines Appetithäppchen. Der Songtitel: Ich weiß nicht, wohin mit mir. Was das wohl aussagt über das neue Album? Wir werden es hoffentlich bald erfahren. Bis dann sieht man sich. Ja, wo wohl? Natürlich in Berlin! Wo denn auch sonst?

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