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Earthbend © Amadis

Luis und Laserpower holen den HipHop aus der Versenkung und kontern jegliche Stereotype. Earthbend versuchen die Erstbesteigung des Rockolymp, entfernen sich aber zu sehr von ihrem eingeschlagenen musikalischen Erfolgsweg. Exit Inside fordern zum Schreien auf und die Doghouse Roses bezirzen mit sanften Tönen. Authentischen Reggae liefern Steelstring – und das direkt aus Bayern! Völlig anders, aber mindestens ebenso gut: Der Sampler "Daptone Records Remixed".

Earthbend – Harmonia | Rookie Records

{image}Mit ihrer ersten Veröffentlichung Young Man Afraid katapultierten sich Earthbend schlagartig an die Spitze aller Anwärter auf den ganz großen Durchbruch, "the next big thing". Kritiker lobten das Meisterwerk zurecht in den Himmel und Fans begannen sich in Scharen um die Newcomer zu sammeln – jetzt steht der Nachfolger in den Regalen und muss zeigen, ob er den Erwartungen gerecht werden kann. Gleich beim Anspielen des Titeltracks Harmonia zeigt sich, dass die rotzige Attitüde epischen Längen und bombastischen Gitarrenflächen gewichen ist. Die Band zeigt mit dem Finger auf die eigene musikalische Reifung. Dass eine Entwicklung stattgefunden hat, kann man nicht in Abrede stellen: Spätestens beim vierten und fünften Track, Bones und Too many Stars, ist diese deutlich zu hören. Die beiden Songs gehen energiegeladen und kraftvoll nach vorne, in der Harmonieführung aber lassen sie ein schlüssiges Konzept vermissen. Ein Makel, der auf dem gesamten Album zu hören ist.

Im Laufe der letzten zwei Jahre scheint die juvenile Attitüde und das wunderbar unbedarfte Rebellentum einer ernsteren Sicht der Dinge untergeordnet worden zu sein. Leider, denn auf Harmonia versuchen Earthbend Hymnen zu schreiben, für die sie noch keine Reputation haben, und so versinken viele geniale Ansätze und Riffs in zu prätentiösen Arrangements. Einzig Jadis, vorletztes Lied auf dem Album, bricht diesen Kreis. Das nur zwei Minuten lange Stück beginnt mit einem Reverse-Soundeffekt und überrascht dann mit einem 3/4-Takt. Dort sind sie wieder kurz zu hören, die typischen Riffs, die zwar nicht nur bei diesem kurzen Instrumental zu finden sind, die kontrastreichen Klänge oder eingängigen Hooks aber, wie sie auf Young Man Afraid zum Beispiel noch auf dem Hula Roadsong zu hören waren, sind verloren gegangen. Auch einen knackigen, stampfenden Power-Rock-Beat, wie bei Ready to Revolt, sucht man bei Harmonia vergebens. Die Band hat sich zu sehr in der Suche nach Individualität verzettelt und gerade auf dieser ein großes Stück an Eigenständigkeit aufgegeben. Das Album sucht und versucht, scheitert aber: Jeder Refrain wird zur verzerrten Fläche mit melodiöser, aber eintöniger Gesanglinie und jedes Lied folgt dem Schema des vorhergegangen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Das Album ist kein schlechtes, reicht aber eben an den Vorgänger nicht heran. Bei Harmonia handelt es sich dennoch unfraglich um eines der handwerklichen eindrücklichsten Rockalben des Jahres, die Macken in Produktion und Songwriting verhindern aber vorerst den Sturm auf den Rockolymp.

Wertung: +++ (Julius Reich)

 

Luis und Laserpower – Laser Neon Strobo Bass | Fair Travail

{image}HipHop-Platten sind allzu gerne mit Stereotypen belegt, die bei neuen Veröffentlichungen erst einmal fragen lassen: Was kommt jetzt? Gangsta-Rap aus dem Block? Aggressives Unterschichtengejaule? Weichspüler R&B? Doch was wäre solch eine Voreingenommenheit im Falle dieser EP für ein unverzeihlicher, ja kapitaler Fehler! Denn kaum hat man das Debütalbum von Luis und Laserpower eingelegt, fällt einem auch schon die "Kinnlade runter". Was da aus den Boxen kommt sind keine stupide aneinandergereihten Samplecollagen, sondern knallharte und auf den Punkt gespielte Gitarrenriffs, treibende Drums und groovende Basslinien. Explosionsartig entfaltet sich vor meinem verblüfften Selbst ein wahnsinniger Bastard aus Hardrock, HipHop und Pop, garniert mit bestem Sprechgesang und perfektem Flow. Die Songs bestechen von der ersten Sekunde an durch Eigendynamik, eingängige Refrains und fast schon brachiale Energie, der man sich nicht entziehen kann. Unabhängig von stilistischer Präferenz wird man auch vom Niveau der Produktion entwaffnet, die hier zwar druckvoll, aber doch sehr differenziert zu Werke geht. Zum Glück muss man sagen, denn in vielen überkomprimierten HipHop-Platten geht im Matsch aus Beat und Bass meist das wichtigste Element unter – der Rap. Anders hier: Die Stimme von Luis Baltes fügt sich nahtlos in den Kontext, bildet mit der Band eine Einheit und bleibt doch immer gut verständlich. Die Zeilen werden einem förmlich um die Ohren geschossen und lassen keinen Zweifel an den verbalen und lyrischen Fähigkeiten des Bandleaders. In den Texten der Songs selbst darf natürlich auch die typische Selbstbeweihräucherung nicht fehlen, und obwohl diese mit wenigen Ausnahmen omnipräsent ist, erscheint sie doch nie inflationär. Hier feiert sich nicht der Rapper, sondern die ganze Band ab. Spätestens nach dem Gitarrensolo auf Gib mir mehr ist dafür auch jede Berechtigung vorhanden. Annerkennend und über alle Zweifel erhaben muss man auf das ganze Album jargongerecht das Wort "Mördertracks" bemühen – jedes Lied hat das Potential zu einer Single. Nicht nur die besungenen "Zeilen bleiben kleben wie Kleister", auch die emotional starken Stücke, allen voran Lass Los, wissen zu überzeugen. Um die Lobhudelei mit drastischen Worten zu einem fazitären Ende zu bringen: Dieses Album haut einem wie eine Faust in die Fresse und wirft einen unvorbereitet vom Stuhl direkt auf den Boden der Disko. 
Kaufen, Tanzen, jetzt!

Wertung: +++++ (Julius Reich)

 

SteelString – To The Root | (unsigned)

{image}Bereits im Juli diesen Jahres veröffentlichten SteelString aus Bayern ihr zweites Album To The Root. 18 Songs mit viel Gitarrenarbeit und viel Reggae. SteelString ist eine Reggae-Band, allerdings keine wie viele andere, die sich eine Gitarre umschnallen, im Offbeat spielen und sich Reggae-Band nennen, sondern die einzige, die ihre zwei Gitarren in den Vordergrund stellt, "die das Bild malen, während der Reggae nur die Leinwand ist". In jedem Song gibt es eine Überraschung der Gitarren: mal ein Strudel aus flächigem Wah-Wah-Chor, mal sauber gespielte, zweistimmige Kirchentonleitern, die man sonst bei überverzerrtem Metal hört, mal reversed oriental Licks und und und... hier haben die Gitarristen Maxim Joker und Chris Minor ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Hier sprühen die Ideen wie aus einer Wiese saftigen Grüns und Sänger Uno Jahma kauft man den Reggae ab! Mit seiner rauen und verrauchten Stimme sowie seinem Jamaican-Slang klingt er sehr authentisch. Eine sehr frische, sauber produzierte und gelungene Platte, die nach Reggae klingt und doch anders ist, als alle anderen; Steelstring beweist sich damit als Reggae-Band, die sich von allen anderen Party-Ska und Möchtegern-Rastas abhebt und den Jamaican-Spirit in sich hat. Sehr empfehlenswert und ein purer Genuss für Gitarren- und Raggae-Fans. Holt euch diese Platte, legt sie auf und ihr werdet eine Stunde, drei Minuten und zwölf Sekunden lang coole Vibes, entspannte Stimmung, echte Reggae-Songs und geile Gitarren erleben! Und wenn ihr nicht genug bekommt, dann drückt einfach auf "Repeat All".

Wertung: ++++ (Philip Bölter)

 

Exit inside – Why don’t you scream | (unsigned)

{image}Why Don’t You Scream ist das zweite Album der Alternative-Rock-Band Exit Inside aus Seesen, Harz. Achtelnder Bass, hart gezerrte Gitarren-Sounds, drückendes Schlagzeug und starke Hooks im Chorus. Dafür überzeugen manche Strophen mit frontalem, unüberlegten Gebrüll nur leider wenig. So der Ersteindruck nach den ersten zwei Songs. Doch dieser soll sich beim Weiterhören ändern. Je länger sich die Platte der vier Jungs, David Friedrich(voc), Marcel Heise (git. + voc), Marc Mengler (b, voc) und David Kozniewski (dr) dreht, desto mehr Gefallen findet man an ihr und desto überraschender wirken die kreativen Ideen der jungen Band. Während einem die sich ständig wiederholende Zeile "Don’t Look Back" im ersten "Klopper-Song" des Albums auf die Nerven geht, kommen die emotional dynamischen und abwechslungsreichen Songs in der Mitte des Albums dem Eindruck umso eher zu gute. Ein starker Song ist Ramona, der sogar für den im September 2007 erschienenen Kinofilm "Video Kings" als Soundtrack verwendet wurde. Der Gesang bleibt bei manchen Songs etwas trocken. Dafür ist der Gesamt-Sound auf dem Album dank zahlreiche Effekte abwechslungsreich. 2006 waren sie beim Emergenza-Finale in Niedersachen. Außerdem waren sie auf Platz 1 verschiedener Internetcharts. Wenn man nun das Durchschnittsalter der Band (20½) bedenkt, kann man sicher sein, dass sie sich in ihrer Studio-Arbeit über die Jahre genauso perfektionieren werden, wie bei ihren Live-Auftritten. Musikalisch ein schönes Album: harmonisch, emotional, hart. Rockt!

Wertung: +++ (Philip Bölter)

 

Doghouse Roses – How’ve You Been (All This Time) | Yellowroom Music

{image}"Folk-Noir", ein wunderbares Genre. Doch was ist das eigentlich? Die Doghouse Roses aus Glasgow interpretieren dies für sich auf ihre ganz eigene Weise: Im Zentrum stehen die Akustikgitarre, gespielt von Paul Tasker, und der Gesang von Iona Macdonald. Abgerundet wird das Ganze hier und da durch Streicher, leichte Chöre und ein wenig Piano. Die Stimme von Macdonald ist sehr sanft bis zerbrechlich, so dass sie an manchen Stellen leider auch ein bisschen zu dünn wirkt. Doch diese Stellen sind schnell vergessen, denn die Stärke des Albums liegt vor allem im Songwriting der beiden Schotten. Ruhige, teilweise keltisch angehauchte Stücke reihen sich sanft aneinander und bieten dem Hörer ein rundes Album ohne Ecken und Kanten. Die erste Singleauskopplung in England, der Song Greener the Grass, wurde dort bereits mir Lob überschüttet und schafft auch sicherlich den Sprung auf den Kontinent. Eine eingängige Melodie, Banjo, ein Rhythmus der an Pferde erinnert, die auf einer Weide dahin trotten. Schön! Aber auch die anderen Songs haben ihre Stärken. So zum Beispiel Stalling, eine wunderbare Ballade mit Klavierbegleitung, das bluesige Happiness oder On The River, das die Wurzeln von Tasker und Macdonald auf musikalische Weise freilegt. Eine schöne Platte aus dem Americana-Universum made in UK.

Wertung: +++ (Sarina Pfiffi)

 

Daptone Records Remixed – Sampler | Scion (Carsale)

{image}"Daptone Records Remixed" heißt die 19. Ausgabe des Scion-CD-Samplers, auf dem sich allerlei Vertreter der verzweigten Subgenres des Funk & Soul an neun Daptone-Originale heranwagen und diese neu arrangieren. Erfolgsgarant für dieses Experiment ist dabei einmal mehr die multifunktionale Soul-Röhre von Sharon Jones, die sich scheinbar bereitwillig auf nahezu jeden Rhythmus legen lässt. Gemeinsam mit ihrer Funk-Band The Dap-Kings erscheint sie deshalb gleich vier Mal und stellt damit den Hauptanteil der Scheibe. Unter anderem lässt Ticklah Sharon mit How Long Do I Have To Wait For You? in ein einwandfreies Retro-Reggae-Gewand schlüpfen, Stranded In Your Love erlebt im "Sweet Nothing Mix" ein unverschämt lazy-geflowtes Rapfeature von Cool Calm Pete, während DJ Spinna ihrem hochfunkigen My Man Is A Mean Man fast einen Drum’n’Bass-artigen Drive verpasst, bei dem die Trommeln im up-tempo gehörig rasseln. Als besonders gelungen kann man auch den von Kenny Dope inszenierten Remix von Keep On Looking bezeichnen, der mittlerweile als erste Single der CD ausgekoppelt wurde. Krönender Abschluss des Samplers markiert der von Bull Jun geremixte Bosco’s Blues von The Sugarman Three & Co., auf den kein geringerer als Large Professor von Main Source seinen lässigen Sprechgesang legt und damit ein wahres Schmuckstück veredelt. Schwachstellen sind Fehlanzeige – Daptone Records definiert sich damit nicht zum ersten Mal als "High Quality Label". In nostalgischer Vinyl-Optik erscheint der Sampler als Doppel-CD mit Zugabe des jeweiligen Daptone-Originals.

Wertung: +++++ (Andreas Margara)

 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

ein Stück Musikgeschichte

Alles zu den Themen:

aufgelegt luis & laserpower earthbend