"technique of the damned"

"technique of the damned" © Santeri Ojala

Mittlerweile hat es der finnische Videokünstler Santeri Ojala zu allerlei Ruhm gebracht: Nicht nur ist sein Account bei YouTube gelöscht worden, weil einige von ihm "bearbeitete" Künstler gegen seine Projekte geklagt haben, sondern er hat es mit seinem gebrochenen Schulenglisch schon bis in eine amerikanische Talkshow gebracht, wo er dann neben einem gelangweilten Slash saß. Hierzulande hat sogar der "Spiegel (Online)" schon über ihn geschrieben.

{image}Trotzdem soll nochmals an ihn erinnert werden, auch weil einige Aspekte ein wenig unterbeleuchtet werden, auf der anderen Seite aber interessant zu sehen ist, wie es ein 33-Jähriger aus Helsinki alleine durch seinen MySpace-Videoaccount schafft, mit einfachen Mitteln zu einer halben Berühmtheit zu werden. Und das zu recht! Ojalas Methode ist im Grunde simpel und hält sich mehr oder weniger streng an ein reduktionistisches Regelwerk: Er macht Nachvertonungen ausgewählter Live-Videos von Gitarren- und Rockpropheten wie Joe Satriani, Carlos Santana, Iron Maiden oder Black Sabbath. Und vertont wird nur, was im Bild zu sehen ist. Das erledigt Ojala seinen eigenen bescheidenen Mitteln entsprechend, aber so gut er es eben kann. Sieht man im Bild einen bestimmten Akkord, dann versucht Ojala diesen zu spielen. Sieht man nur Gitarristen mit ihren Armen rudern, dann versucht er auch dazu etwas Sinnvolles hinzubekommen. Ihm ist offenkundig nichts daran gelegen – und das macht die Klagedrohungen gegen ihn so unverständlich –, das künstlerische oder technische Können der Musiker zu diffamieren. Dieses ist gar nicht thematisch, sondern die Bildästhetik.

Demnach besteht Ojalas Methode auch darin, ausschließlich zu vertonen, was im Bild zu sehen ist: In aller Regel sind das Gitarristen, weil sie sich als Projektionsflächen aus irgendeinem Grunde besonders gut anbieten. Ist der Schlagzeuger aber mal kurz dazwischen geschnitten, dann hört man sein Instrument und die meistens unfreiwillig schräge Imitation seines Anschlages. Die Gitarren verstummen dann und setzen erst wieder ein, sobald sie in einer anderen Kameraperspektive sichtbar sind. Dann ist das Schlagzeug nicht mehr hörbar. Das führt freilich zu merkwürdigen Passagen: In einer Black Sabbath-Nachvertonung sieht und hört man über Minuten nur den Gitarristen und Osbournes unrhythmisches Klatschen. Es ist nicht deutlich erkennbar, was der Gitarrist spielt, also improvisiert Ojala in denkbar groben Zügen das dahinter Vermutete. Osbourne klatscht total neben dem Rhythmus, so, wie es im Bild erkennbar ist. Er wirkt hysterisch und aufgelöst, dazu geschnittene Publikumsschreie spiegeln diesen Eindruck. Dazwischen ruft er scheinbar sinnlos ins Mikrofon. In einer anderen Aufnahme sieht man Santana süffisant über die Bühne tänzeln und dabei herausfordernd lächeln, während er scheinbar nur Mist spielt. Aber wie gesagt scheint es nicht Ojalas Anliegen zu sein, bewusst Mist zu spielen; denn zu hören ist nur der Versuch eines Hobbygitarristen, möglichst professionell zu improvisieren.

 

Im folgenden Video wird Slash von Guns 'n Roses auf die Schippe genommen. (Video hosted by youtube)

 

Der Sinn dieser ganzen und ziemlich lustigen Sache ist aber an anderer Stelle zu sehen: Während man zwei Gitarristen und den Bassisten von Iron Maiden sieht und hört, fliegt ständig Bruce Dickinson mit gespreizten Beinen durch das Bild. Eine Handlung ohne nahe liegende Gründe. Das wird erst deutlich, wenn man wie Ojala die Bild- und die Klangebene nur scheinbar voneinander trennt. Denn in Wahrheit führt Ojala sie nur konsequent zusammen, indem er einfach nachspielt, was zu sehen ist. Damit zeigt er nämlich, dass nicht im Film darstellbar ist, was man hört! So wird paradoxerweise die kitschige und befremdliche Dramaturgie der Videoregisseure erkennbar, indem sie vertont und damit eine Umkehrung der Logik betrieben wird. Ojala liefert also den Soundtrack für den Versuch, mit epischen und theatralischen Kamerafahrten ein unterstelltes Bedürfnis des Zuschauers zu befriedigen. Ein Bedürfnis der persönlichen Identifikation mit der Musik, dem "Star", dem Halbgott. "Vom Erhabenen zum Kitsch ist es nur ein kleiner Schritt", soll Napoleon mal sinngemäß gesagt haben. Santeri Ojala macht darauf behutsam aufmerksam.

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