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Eine Welt voll Daten, Algorithmen und Playlists

Future Music Camp 2017: Streaming ist das Topthema der Musikbranche

Review von Theo Müller
veröffentlicht am 02.05.2017

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Future Music Camp 2017: Streaming ist das Topthema der Musikbranche

Nick und Anselm von Majestic Casual (li.) im Talk mit Steffen Geldner vom FMC (re.). © Quelle: FMC2017

Bereits zum achten Mal lud die Popakademie am 27. und 28. April 2017 nach Mannheim zum Future Music Camp ein. Inzwischen ist die Musikbusiness-Konferenz zur echten Instanz innerhalb der Branche avanciert.

Schon drei Wochen nach der Öffnung der Registrierung waren die 550 kostenlosen Plätze für das diesjährige Future Music Camp vergeben. Sogar das W-Lan wurde dieses Jahr vierfach verstärkt. Die Kapazitäten der Popakademie werden für dieses Event absolut ausgereizt.

Zu den Haupt-Keynotes im großen Konzert- und Veranstaltungsraum der Popakademie ist es immer sehr gut gefüllt. Viele Teilnehmer bekommen gar keinen Sitzplatz mehr und die Klimaanlage hatte gut zu tun, um für frische Luft zu sorgen. Aber den digitalen Pionieren der Musikbranche haben diese kleinen Unannehmlichkeiten wirklich wenig ausgemacht.

Reger Austausch draußen wie drinnen

Beim Future Music Camp kommen Studenten und Praktiker zusammen, um das Neuste aus der Branche zu erfahren und vor allem um gemeinsam darüber zu diskutieren. Dank der noch überschaubaren Größe der der Veranstaltung und den neugierigen Teilnehmern klappte das auch dieses Jahr wunderbar. Zwar wurde das ursprüngliche Barcamp-Konzept eingeschränkt, bei dem auch vor Ort noch spontane Sessions eingereicht werden konnten. Doch es hat Vorteile, ein festes Programm vorab festzulegen. Gerade die kleineren Sessions an den Nachmittagen luden die Gäste dazu ein, selbst zu Wort zu kommen und mit zu diskutieren. Mehr über das Konzept des FMC erfahrt ihr auch in dem Interview, das wir an anderer Stelle veröffentlicht haben.

Aber auch vor der Tür fand wieder reger Austausch zwischen den Teilnehmern statt. Oft laufen bekannte Gesichter einander über den Weg, man kennt sich schon von den letzten FMCs. Neue Leute lernt man hier sowieso immer schnell kennen. Egal ob bei der Pause vor der Popakademie, zum gemeinsamen Mittagessen oder beim Umtrunk am Donnerstag Abend – Businesstalk und Networking funktionieren auf dem Future Music Camp prima.

Spotify, Spotify & Spotify

Das große Thema dieses Jahr war Spotify. Egal ob in den Keynotes und Sessions oder in privaten Gesprächen – um Spotify kam wirklich niemand herum. Natürlich beschäftigten sich die diesjährigen Speaker vor allem mit Musik-Streaming im weitesten Sinne, doch war es darüber hinaus deutlich zu spüren, dass Spotify die Musikbranche zur Zeit heftig aufwirbelt und entsprechender Gesprächs- und Diskussionsbedarf besteht.

In Schweden ist Vinyl inzwischen der zweitstärkste Umsatzbringer im Tonträgermarkt – nach den Umsätzen durch Streaming. CDss und auch Downloads scheinen niemanden mehr zu interessieren.

Playlists als wichtiges Tool

Das Future Music Camp 2017 begann mit einem Interview mit dem EDM Duo Jewelz & Sparks. Wenn man die beiden Musiker reden hört, könnte man meinen, man sitze mit Mitarbeitern der Marketingabteilung einer Plattenfirma zusammen, aber nicht mit den Künstlern. Ein Großteil des Erfolges von Jewelz & Sparks ist wohl auf dieses gute Verständnis von Marketing und Social Media zurückzuführen. Ihre Business-Skills haben die beiden Musiker vor allem im Austausch mit anderen Branchenakteuren und durch eigenes Ausprobieren gelernt. Aktuell experimentieren sie zum Beispiel mit einem Vlog auf Youtube und schauen, was sich damit erreichen lässt.

Schon in dieser ersten Veranstaltung des Future Music Camps erfuhren die Zuhörer, dass Spotify-Playlists aktuell als wichtigstes Tool gelten, um seine Musik profitabel zu machen. Die Musik zu kaufen sei zumindest im EDM-Genre vorbei.

Umso wichtiger die Playlists werden, umso höher wird auch die Macht der Menschen und Anbieter hinter den Playlists. Das ist ein noch recht neuer Faktor in der Musikbranche.

Ryan Rauscher von Sony bei seiner Keynote im Rahmen des Future Music Camp 2017 - nur eins der vielen Projekte der Popakademie

Ryan Rauscher von Sony bei seiner Keynote im Rahmen des Future Music Camp 2017 - nur eins der vielen Projekte der Popakademie

Wandel im Musikmarketing

Direkt in der nächsten Keynote prophezeite Ryan Rauscher von Sony Music Germany passenderweise das Ende der Top-100-Chartmusik. Charts böten sich zwar für einmalige Verkäufe wie bei CDs als guter Indikator an, seien aber im Streaming-Zeitalter nicht mehr aussagekräftig genug, um Erfolg richtig zu messen.

Auch Ryan wies auf den großen Erfolg von Songs hin, die es in die großen Spotify-Playlists geschafft haben. Von ihm erfuhr das Publikum auch, dass Playlists nicht nur von den Usern selbst, sondern auch von Spotify-Mitarbeitern, die wiederum mit Analysesoftware ausgestattet sind, erstellt werden.

Zum Schluss lieferte Ryan den Zuhörern noch eine echte Geschäftsidee: Eine Marketingplattform für Musik, die der Musikindustrie erneute Unabhängigkeit von der Playlist-Macht Spotifys bescheren soll.

Die Macht von Daten und Algorithmen

Julien Mahin, ein Belgier, dessen Hobby es ist, Musikdaten auszuwerten, berichtete näheres über den Algorithmus von Spotify: Jene Songs, die in diesem Algorithmus gut abschneiden, werden natürlich öfters empfohlen und landen häufiger in den Playlists, was zu deutlich mehr Plays führt und so auch zu deutlich mehr ausgeschüttetem Geld.

Entsprechend wichtig ist es, heutzutage genau zu wissen, wie dieser Algorithmus funktioniert. Vielfältige Faktoren, wie direkt aus dem Track ableitbare Daten, aber auch die Interaktion der Nutzer mit den Tracks, fließen in den Algorithmus ein und schaffen so die Daten-Grundlage für den Erfolg auf Spotify.

Doch nicht überall werden Musikdaten in der Branche so clever und intensiv genutzt wie bei Spotify. Eine ganz neue Herangehensweise an das aktuelle Datenchaos in der Musikindustrie stellte Christian Baierle von ROBA Music Publishing vor. Mit einer Blockchain-Technologie, wie sie auch für Bitcoins genutzt wird, soll die Lizenzierung von Musik optimiert werden. Musikdateien könnten so unverwechselbar und sicher verwertet werden.

Napster setzt auf kuratierte Playlists

Gerade weil Spotify das große Thema war, stellte die Keynote von Daniela Bartels vom Spotify-Konkurrenten Napster eine besonders Interessante Abwechslung dar. So berichtete Daniela, dass bei Napster fast die Hälfte aller Streams aus Playlists kommen. Bei Napster setze man für die Playlists vor allem auf die persönliche Auswahl durch Mitarbeiter, die sich alle Songs auch tatsächlich anhören. Bei Spotify wird dies wie schon erwähnt mit Unterstützung von vielfältigen Daten erledigt.

Daniela Bartels hält die Einordnung in musikalische Genres für überholt, weshalb man bei Napster mehr Wert auf Stimmungen und die Kontexte lege, in denen eine bestimmte Art von Musik gehört werde. Bei der Auswahl der Playlists müsse die Musik entsprechend mainstreamig sein – es werde also Musik mit dem kleinstmöglichen Nenner gesucht, so dass sie jedem gefallen könnte. Ausreißer-Titel, die den Hörer überraschen, fliegen ganz schnell wieder aus den Playlisten.

Damit steht man in gewisser Konkurrenz zum Formatradio. Ob Napster mit diesem Konzept ein ernst zu nehmender Konkurrent für den Branchenprimus Spotify ist, bleibt abzuwarten.

Youtube & Co. im Marketingmix

Neben Spotify war Youtube der zweite Star des diesjährigen Future Music Camps. Im Interview mit dem Betreibern des Youtube Kanals "Majestic Casual" und einem dazugehörigem Label für Drum'n'Bass und Dubstep erfuhren die Zuhörer viel über die Arbeit eines professionellen Youtubekanal-Betreibers. Auch bei "Majestic Casual" ist die Spotify-Playlist neben den Aktivitäten auf Youtube inzwischen sehr wichtig geworden.

In der Keynote von Jörg Fukking erfuhren die Teilnehmer des Future Music Camps das Neuste aus dem alten Kampf zwischen der GEMA und Youtube. Im November 2016 gab es nach sieben Jahren endlich eine Einigung zwischen der Verwertungsgesellschaft und dem Internetriesen. Jedoch steht diese Einigung noch immer auf wackeligen Beinen, denn Youtube bleibt bei seiner Ansicht, nicht selbst für die Inhalte verantwortlich zu sein, die User hochladen. Entsprechend will Youtube auch keine Lizenzen an die Musiker zahlen. Das Thema bleibt also spannend.

Mark Pöhner von Warner Music Germany gab viele wertvolle Tipps zu Optimierung eines Youtube-Channels. Im sich ständig verändernden Empfehlungs-Algorithmus von Youtube sei gerade die Dauer, wie lange ein User ein Video anschaut, aktuell das wichtigste Kriterium. Hier könnten Musikprojekte vor allem mit Tournee-Vlogs sowie ganzen Konzertmitschnitten punkten.

Neben Youtube bieten heute eine Vielzahl von Plattformen Möglichkeiten an, um mit Videocontent auch als Musiker viel zu erreichen, vor allem mit den Live-Video-Funktionen. Wesley A'Harrah von "Music Ally" stellte diese vor und gab noch ein paar weitere nützliche Tipps. So seien fürs "live gehen" zum Beispiel Frage-und-Antwort-Runden, die den Input und das Feedback von Fans aufgreifen, immer ein guter Inhalt. Auch lohne es sich, die Videofunktion bei Facebook in Zukunft weiter im Blick zu haben, weil dort noch viel passieren wird, um gegen den Konkurrenten Youtube anzukommen.

Buntes Programm in den Sessions

In den Sessions am Nachmittag fanden dann fast alle Teilnehmer einen Sitzplatz, weil sich diese auf die einzelnen Räumen der Popakademie aufteilten. Die Session konnten im Vorfeld eingereicht werden. Hier konnten sowohl eigene Projekte vorgestellt als auch über drängende Branchenthemen diskutiert werden.

Die Diskussionen rutschten dabei allerdings oft in Grundsatzdiskussionen ab, in denen die üblichen Fragen nach dem Wert von Musik und künstlerischer Freiheit durchgekaut wurden. Fragen, die wohl nie eine abschließende Antwort finden werden und leider auch wenig zur Sache beitragen. Je nach Interesse fanden die Teilnehmer aber trotzdem viel Inspiration und gerade der kleinere Rahmen bot sich perfekt an, um mit neuen Leuten ins Gespräch zu kommen.

Bis nächstes Jahr in Mannheim

Nach zwei intensiven und äußerst spannenden Tagen hieß es, Mannheim und der Popakademie Adieu zu sagen und sich schon aufs nächste Future Music Camp zu freuen. Wir sind gespannt, ob Spotify dann weiterhin die Themen dominiert. In jedem Fall bleibt die Musikbranche in Bewegung und schnelllebig.

Mit dem Future Music Camp hat die Branche einen Ort gefunden, an dem sie auflebt und Innovation verbreitet.

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Locations

Popakademie Baden-Württemberg

Popakademie Baden-Württemberg

Hafenstraße 33, 68159 Mannheim

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