Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn

Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn © regioactive.de

Earthbend, das sind Sänger und Gitarrist André Kunze, Tilo Hustan am Schlagzeug und Klavier sowie Christian Heinrich am Bass und der Fußorgel. Schon mit ihrem Debüt sorgten sie für Aufhorchen. Im August steht der Nachfolger "Harmonia" an. Zeit, den drei Musikern aus dem "finsteren Walde" einige Fragen zum neuen Album zu stellen. Außerdem erfahren wir, warum musikalisch etwas auf der Strecke bleibt, wenn man den ganzen Tag lang nur "Freunde addet" und was es mit dem geheimnisvollen "vierten Mann" auf sich hat.

{image}Der Bandname macht einen erst einmal stutzig, besonders aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit mit Manfred Mann's Earth Band. Was genau verbindet ihr mit dem Namen?

Tilo: Laut Wikipedia versteht man unter "Erdkrümmung" die Tatsache, dass die Erde etwa der Form einer Kugel entspricht und daher schon über kurze Distanzen von der Tangentialebene abweicht. Das beudeutet für Earthbend, dass unsere musikalische Ausrichtung zwar geradeaus geht, also schon einer bestimmten Richtung folgt, aber nie glatt und unbeugsam ins Nichts tendiert, wie bei den Tangentialbands dieser Erde. Da weichen wir schon über kurze Distanzen von ab...

Wann und wie seid ihr euch eigentlich über den Weg gelaufen?   

Tilo: Man kennt ja die Musik und ihre Musiker in Finsterwalde. 2003 haben wir dann unsere alten Projekte aufgelöst, um "mit den Großen pinkeln zu gehn", wie man sagt.

André: Ich wusste schon, dass die Beiden genauso ein Ding laufen haben, wie ich. 

Chris: Die beiden sind so geil, die kannst du nicht übersehen. Ach, ich liebe sie!

{image}Eure Heimat Finsterwalde gilt als "ein bischen fernab vom Schuss". Seht ihr darin irgendwelche Vor- oder Nachteile? Gibt es denn eine funktionierende Musikszene, abgesehen vom Finsterwalder Sängerfest?

Tilo: Der Vorteil ist, man läuft fast durch den Wald, um zum Proberaum zu kommen. Das gibt ein "earthiges" Gefühl und wirkt sich für uns positiv auf die Arbeit aus. In der Großstadt würden wir andere Musik machen. Besser wär's vielleicht am Meer oder so... Der Nachteil: es fehlt das Meer. Eine Musikszene gibt es hier durchaus, wenn man die Chöre, Orchester, die Bands der Musikschule und die, die auch mit den Großen pinkeln gehen wollen, dazu zählt. Funktionieren tut das, bis auf die Chöre, meist nur für kurze Zeit.

André: Also, es gibt hier jetzt wirklich ne Menge neuer Bands und wir müssen zusehen, dass es nicht noch mehr werden,... (lacht). Berlin ist aber auch immer noch in eineinhalb Stunden erreichbar und ich fühle mich nicht weit ab vom Schuss. Du machst hier die Hits und fährst dann in die "große Stadt" und lässt sie krachen!

Chris: Wir sind nicht so sehr involviert in der Finsterwalder Szene, aber ich glaube schon, dass sich da gerade was bewegt, gerade auch, weil wir es ihnen vormachen. Man kann aus Finsterwalde kommen und gute Musik machen.

Eure Musik wirkt besonders schnörkellos und direkt, geradezu prädestiniert für die Umsetzung auf der Bühne. Ihr seid dementsprechernd auch ziemlich oft am touren. Wann und wo war denn euer persönliches Highlight?

Tilo: Komischerweise ist das wie in der Politik, die Mittelschicht fehlt. Es gab die fetten Sachen wie die Rock am Ring/Rock im Park-Tour (wo wir mit Pete Doherty pinkeln waren) oder die Supportshows für Eagles Of Death Metal, wo uns 700 Leute das Gefühl gaben, wir wären der Hauptact. Und dann gibt es die kleinen Clubs, in denen die Leute nicht satt zu kriegen sind, weil nicht so oft gerockt wird im Dorf und an unserem Abend jeder den Flatratepreis an der Bar zahlt. Das ist dann fast noch geiler.

André: Ein kleiner tschechischer Club nahe der deutschen Grenze (Hradek) hat uns wirklich gezeigt, was "Durchdrehen" bedeutet und gehört zu unseren Highlights, für immer!

Euer Debütalbum Young Man Afraid erschien Anfang 2007 und diesen August wird der Nachfolger Harmonia veröffentlicht. Gab es irgendwelche Unterschiede im Bezug auf die Entstehungweise?

Tilo: Im Grunde haben wir zwischendurch nie aufgehört, Musik entstehen zu lassen. Nachdem wir damals 11 Songs hatten, bündelten wir das mit Kurt zu einem Paket, das wir als Young Man Afraid abschickten. Inzwischen sind sozusagen Song 12 bis 22 fertig und ab dem 22. August kann man auf Harmonia feststellen, dass die "young men" gar nicht mehr so "afraid" sind...

Chris: Für Young Man Afraid haben wir ja im Grunde drei Jahre Zeit gehabt, um die besten Songs zu schreiben. Und jetzt mit Harmonia mussten wir in einem Jahr versuchen, das zu toppen. Das Ergebnis ist viel harmonischer, homogener und eigenständiger geworden als noch beim Debüt. Und natürlich haben wir uns auch an unseren Instrumenten weiterentwickelt.

{image}Was zeichnet die neue Platte aus?

Tilo: Ich persönlich habe im Vorfeld mehr Musik gehört, die mir meine Bandkollegen ans Herz gelegt haben. Da hatte ich das nächste halbe Jahr eine Art fruchtbare Neugier. Chris hat mich dann soweit gebracht, unseren Tourbus gegen ein neues Drumset einzutauschen und dann gab’s im Studio eben die Belohnung dafür.

André: Ja, großer Schlagzeugsound und meine für mich persönlich bisher besten Texte!

Chris: Einer muß ja schuld haben, aber ja, das Schlagzeug ist viel präsenter und fetter als bei Young Man Afraid. Und auch der Gesang und die Texte haben einen riesen Schritt nach vorn gemacht. Wir haben uns einfach viel mehr getraut, wie z.B., dass wir die Platte mit einem zehnminütigen Titelstück beginnen.

Schon die erste Platte wurde von Kurt Ebelhäuser (Blackmail) produziert und es ist eher ungewöhnlich, dass eine Band bei ihrer ersten Scheibe gleich mit solch einer bekannten Größe zusammenarbeitet. Wie kam es denn dazu?

Tilo: Wir standen damals bei André im Garten und hörten die Friend Or Foe von Blackmail und André hatte gerade von Carlos Ebelhäuser die Info bekommen, dass Kurt Bock auf uns hat und die Platte produzieren will. Da wussten wir, dass wir die Chance hatten, auf einem ganzen Album zum ersten Mal nach einer fetten Band zu klingen. Dass man vorher natürlich ein Demo ans Studio45 schicken muss, versteht sich von selbst.

André: Ja, kann ich jungen Bands immer nur sagen: traut euch, dem Carl von Blackmail was zu schicken..

Viele Band verzichten zu Beginn bewusst auf ein richtiges Label oder Vertrieb. Die "Do-it-Yourself"-Methode wird mittlerweile sehr groß geschrieben und einige Bands nehmen die Stränge auch gerne selbst in die Hand. Wie seht ihr das?

Tilo: Wenn ich 100% meiner Leistung in die Musik stecken kann, ist es nicht ratsam, nur 20% zu nutzen, um den Rest mit 20% Label, 20% Booking, 20% Promotion und 20% Management zu verbringen. Das bringt uns musikalisch nicht weiter.

André: Niemand kann natürlich den ganzen Tag nur gute Musik machen, aber Tilo hat schon Recht – es bleibt musikalisch was auf der Strecke, wenn du lieber den ganzen Tag "Freunde addest" oder Bandlogos entwirfst, anstatt zu spielen. Aber heute haben ja auch einige Bands einer "gewissen Szene" eher das Bandlogo und die Shirts, noch bevor sie auch nur einen Ton gemeinsam gespielt haben.

Chris: Das kommt immer darauf an wo man hin will, beides hat Vor- und Nachteile, aber in unserem Fall ist es halt schön, Verantwortung abzugeben an Leute, denen wir vertrauen und die sich den Arsch aufreißen. Und ganz ehrlich: ohne die richtigen Kontakte und Strukturen wird es dann schon verdammt schwer.

{image}Wie beurteilt ihr die Situation für Newcomer-Bands heutzutage?

Tilo: Das Motto "erstmal ne Ausbildung zu Ende machen" bringt dem jungen Musiker zur Zeit nicht viel. Es gibt doch recht wenig Aussicht auf eine Festanstellung danach... Dann lieber direkt nach dem Zivildienst in den Proberaum und rausholen was geht. Man muss dabei aber auch auf die Reaktionen von Außen hören! Manche Musiker kriegen gar nicht mit, dass sie in der Sackgasse angekommen sind.

André: Schlimm – jeder will Star werden und leider nur zu oft kommen die falschen Leute weiter, die wirklich musikalisch nichts zu sagen haben. Die jungen Bands werden bombardiert mit Karrieretipps, Sprungbrettern wie Wettbewerben etc.… Mann, Musik ist kein Wettbewerb! Sie soll dich dem täglichen Wettbewerbsleben entkommen lassen…, wenigstens für den Moment!

Chris: Schwere Frage, aber heutzutage gibt es einfach keine Sicherheiten mehr. Es kommt auf jeden Einzelnen an, wie sehr man seine Ziele verfolgt. Musik ist ein Mannschaftssport und keine Einzeldisziplin.

Was haltet ihr denn von Portalen wie myspace oder regioactive.de?

Tilo: Es entwickelt sich doch super! Je mehr Leute so ein Onlineportal nutzen, desto mehr Nutzen haben wir auch davon. Dadurch ergibt sich die Tatsache, dass Bilder von regioactive.de in unserer slideshow auf www.myspace.com/earthbend zu sehen sind. Super!

André: Gut, dass es sowas gibt.

Chris: Für Kommunikation mit den Fans oder zur Information über Bands finde ich myspace super, aber es gibt eben auch die "Spam-Fraktion", die lieber Freunde added, als im Proberaum gute Musik zu machen. Du kannst gerne soviel Pageviews wie Coldplay haben, aber ist deine Musik scheiße, wird es dir nichts bringen. Außer vielleicht deinem Ego.

Was habt ihr für dieses oder nächstes Jahr noch geplant? Habt ihr schon etwas konkretes auf dem Schirm?

Tilo: Am 22. August steht erst mal die Veröffentlichung von Harmonia an und wir arbeiten daran, dass auch alle mitkriegen, wenn's soweit ist. Für die Live-Shows proben wir gerade mit unserem neuen vierten Mann an der zweiten Gitarre. Das ist Fong aus Finsterwalde. Der aufmerksame Earthfriend findet im Internet und natürlich auch auf der Tour im Oktober die Bilder zu diesem Ereignis!

Andre: Am nächsten Album basteln.

Chris: Eine gute Tour spielen und 2009 endlich wieder die großen Sommerfestivals angreifen.

Wir freuen uns in jedem Fall auf das neue Album und vielen Dank an die Jungs, die sich die Zeit für unser Interview genommen haben!

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