Soho Dolls (Emma Tempest, Pressefoto Juni 2007)

Soho Dolls (Emma Tempest, Pressefoto Juni 2007) © Soho Dolls

Die Soho Dolls jagen mit ihrem neuen Album "Ribbed Music For The Numb Generation" die Düster-Electro-Sau durch die Dörfer. Angekündigt als "Gothic-Theater und Electro-Sex" verschlug es sie auch nach Deutschland. Doch was ist eigentlich noch übrig von den Soho Dolls (2003 gegründet), die so ungefähr das waren, was Client heute sind: Drei Models, die hinter Synthies und Hochglanz-Optik mehr oder minder subversive Botschaften raushauen?

{image}Die Antwort auf diese Fage lautet zum einen: die ewig jungen Songs wie Stripper oder Prince Harry, zum anderen Sängerin Maya von Doll. Und bei Clients hiesigen Plattenabsätzen und dem Disco-Electro-Pop Veröffentlichungs-Wahnsinn des letzten Jahres (Robyn, Róisín Murphy, Miss Kittin, Hot Chip…), war es wohl die einzige richtige Entscheidung, die Soho Dolls hierher zu holen. Die beiden ehemaligen Mitstreiterinnen Ana und Pato wurden über die Jahre ersetzt von Weston Doll aus Portsmouth am Keyboard, Toni Sailor aus Finnland an der Gitarre, sowie Matt und Paul an Bass und Schlagzeug. Minimale Electroclash Besetzung adé, heute sind die Soho Dolls ziemlich genau das, was Alison Goldfrapp und Will Gregory nur für das Video zur Single Ooh La La sein wollten: Electro-Glam mit allen Klischees, Zylinder und Bolan’esquen Gitarrenposen. Oder auch IAMX ohne Chris Corner. Mit Maya von Doll. Apropos. Ihre Promo-Fotos, die sie mit nicht viel mehr als etwas Gaffa o.ä. über den Oberkörper gezurrt zeigten, sind wohl schuld an der "Electro-Sex"-Ankündigung. Die Zeiten der Tabledance-Einlagen mit ihren Kolleginnen von damals sind ja nun passé. Und die image-stiftende Burlesque-Nummer führte wohl zu der Sache mit dem Gothic-Theater. Treffender: Sex, Drugs & Disco.

{image}Den Anfang im Café Central in Weinheim machten aber Thiz Iz A Dead Parrot aus Halle an der Saale. Und was Maya von Doll und Toni Sailor können, das können die auch. Pseudonyme! Hinter Thiz Iz A Dead Parrot stecken Leni Lotuz, Laif Luxuz und Larz Lazer. Wie auch immer. Besser als die Namen sind die Songs. Was die Mehrzahl der Besucher zu Beginn noch nicht so richtig aus den Sofas vor die Bühne lockt ist, gemessen an der popkulturellen Erwartungshaltung an das sicherlich beschauliche Halle, richtig gut. Und eingängig. Zwischen Sonnenbrillen, Vocoder-Fetischismus und Beats schmuggelt sich mit To Hell With Love dann noch der Song, der nicht mehr aus dem Kopf möchte. Wäre der Abend jetzt vorbei, er hätte sich schon gelohnt. Aber jetzt soll es ja erst los gehen. Und wo es lang geht lässt sich auch gleich nachlesen. Ein kleines Heftchen listet unter der Überschrift "A Service Of Wicked Hymns and Psalms" die Programmpunkte für heute auf.

{image}Im Halbdunkel lässt sich dem Doll’schen Psalmbuch gerade noch der Titelzusatz "Commemorating ribbed music for the numb generation" entnehmen, als sich Screamin’ Jay Hawkins mit I Put A Spell On You einspielen lässt, Toni Sailor, Weston Doll und schließlich Maya von Doll die Bühne mit Trash The Rental erobern, mit Pleasures Of Soho und Bang Bang Bang Bang die bandeigene Ästhetik zu umreißen, und letztlich mit Stripper den einzig würdigen Schlusspunkt zu setzen. Und eine Zugabe gibt’s auch noch.

Bei all dem ist Maya von Doll überraschenderweise nur einmal mit den monströsen High Heels umgeknickt, hat zwei Jägermeister geleert und bis auf ihre Weste alles angelassen. Das mit dem Gaffa-Tape auf dem Oberkörper ist gestrichen. Begründung? Nervige Journalisten-Fragen. O-Ton Maya Von Doll: "I love tits. Tits in context." Wäre das auch geklärt. Und alle, die das schade finden, können sich das Soho-Dolls-T-Shirt mit Mayas besagten Promo-Shots drauf am Merchandise kaufen.

{image}Mit dem "Electro-Sex" und dem "Gothic-Theater" war es heute tatsächlich nicht weit her. Getanzt haben alle. Gemäß der im Zeremonien-Heftchen abgedruckten Anweisung: "Find your inner African and shake, rattle and rock your bones to our drum call. Be true. Be human." Im Strobo-Gewitter – die Band hat sich gerade in den Backstage-Bereich verabschiedet – werden noch die Bierflaschen, die gerade von der Bühne ins Publikum gewandert sind, geleert, Leni Lotuz frickelt an ihrem Laptop herum, irgendjemand hat den Bleifuss auf der Nebelmaschine und verstreute Konzertbesucher schlendern wahlweise mit einem neuen Ohrwurm oder eben einem neuen Maya-T-Shirt in der Tasche glücklich nach Hause.

 

Setlist: Trash The Rental – Prince Harry – My Vampire – Rapture – Weekender – Pleasures Of Soho – Bang Bang Bang Bang – Rest For The Wicked – Stripper

Zugabe: 1724 – No Regrets