Adam Green

Adam Green © rough trade

Was gab es für den amerikanischen Songwriter und Sänger Adam Green nicht alles für Lobeshymnen in der deutschen Musikpresse! Besonders das Album "Friends of Mine" wurde gefeiert. Mit den folgenden Alben kehrte dann jedoch Ernüchterung ein. Adam Green scherte sich nicht darum und brachte dieses Jahr einen weiteren Longplayer namens "Sixes & Sevens" auf den Markt. Mit diesem Album ist er nun auf Welttournee und stattete dabei auch der deutschen Hauptstadt einen Besuch ab.

{image}Adam Green sei der Urenkel des Schriftstellers Franz Kafka und von ihm wäre in Zukunft noch viel zu erwarten. So oder so ähnlich schrieben die deutschen Feuilletons damals mit hochachtungsvollem Lob, anlässlich des Debütalbums Garfield, über diesen Künstler. Die erste These wurde schnell widerlegt, denn durch einige Nachforschungen stellte sich heraus, dass Green mit Kafka lediglich entfernt verwandt ist. Die wahre Verbindung wurde jedoch erst durch seine Urgroßmutter Felice Bauer hergestellt, die sich damals als Verlobte Franz Kafkas bezeichnen konnte. Die zweite These bestätigte sich anfangs dagegen in vollem Maße. So wird er besonders in Deutschland zu einem sehr begehrten Objekt des heimischen Feuilletons, Radios oder auch des Fernsehens. Harald Schmidt will ihn in seine Sendung holen, auch Stefan Raab bucht ihn mehrmals für einen Auftritt in seiner Show.

Adam Green erscheint dabei mit seiner Wuschelmähne, seinem ständig verträumten Schlafzimmer-Blick und seiner harmonisch-klingenden und seinen luftig-leichten Melodien als ein charmanter, liebenswürdiger und talentierter Songwriter und Sänger, der in seinen Texten seine Phantasien bis zur Perversion auslebt. Da lernt man zum Beispiel, wie man eine Frau ohne Beine ins Bett bekommt. Oder er schwadroniert über bestimmte Eigenschaften von Genitalien. Sexphantasien sind das, die er humorvoll und fast schon nebensächlich in seinen Texten beschreibt. 

{image}Die Leidenschaft für dieses Thema zeichnet sich schon in seiner früheren, rebellischen Zeit mit der durchgeknallten Band The Moldy Peaches ab. Schon hier singt er zusammen mit Kimya Dawson über die Themen Sex und Erziehung. Mit ihr gilt er auch als Begründer des Anti-Folks, welcher sich später mit LoFi und einfachem, schlichten Pop zu seinem unverkennbaren Sound verbindet, der zudem von Künstlern wie Bob Dylan, Scott Walker und Leonard Cohen beeinflusst wird. Allerdings beweist sich Adam Green in seinen späteren Alben dann auch mal als Orchester-Popper oder einfacher Folkbarde. Zu seinem neusten Album Sixes & Sevens stand ihm nun auch ein Gospelchor zur Verfügung. Stilistische Einseitigkeit kann man ihm also nicht vorwerfen.

{image}Den Vorwurf des Gleichklangs seiner Stücke bei zunehmender Albumzahl muss er sich aber trotz der vielfältigen stilistischen Mittel gefallen lassen – auch wenn sein neues Album mit den oben angedeuteten Gospelchören nicht mehr ganz so austauschbar erscheint. Ein zweiter Kritikpunkt ist die Monotonie und die Einfallslosigkeit der Konzertgestaltung, welche Adam Green jetzt praktisch seit Jahren beibehält und an diesem Abend im Huxleys in Berlin wieder vorführt. Es sind die immer gleichen Gesten, die ähnlichen Witze, immer diegleichen Hampeleien, die gleichen pubertären Auswüchse, die man bei diesem jungen Mann bei Konzerten erkennt. Man fragt sich: Muss das sein? Warum muss er sich z.B. in ein Kostüm mit Federn zwingen und immer wieder wie ein Huhn durch die Gegend hüpfen? Hat er dies wirklich nötig? Es kann dabei der Eindruck entstehen, Adam Green spiele Konzerte nicht mehr nur aus Spaß, sondern hauptsächlich aus dem Gefühl einer Verpflichtung heraus. Vielleicht glaubt er auch, bestimmte Erwartungen erfüllen zu müssen. Deshalb erzählt er vielleicht auch immer mal wieder Anekdoten, wie z.B. von Babys, die er mittags zuvor gegessen hat. Und dabei wiederholt sich die Frage: Muss das sein? Die Antwort lautet: Nein. Denn er ist unzweifelhaft ein toller Sänger mit einer außergewöhnlichen, tiefen und klaren Stimme. So aber wirkt er eher wie ein Clown im Kasparle-Theater.

{image}Hoffnung macht der Eindruck, dass er vielleicht selbst um diese Umstände weiß, besonders um die höheren Qualitäten der älteren Alben. Warum sonst spielt er an diesem Abend in Berlin all die Songs von seinen in Kritik geratenen neuen Alben schon am Anfang, bevor er erst dann alle Klassiker – wie die großartigen Stücke Dance with me, Jessica, oder auch das herrliche Friends of mine – performt? Hier blüht dann sogar auch die eher sonst etwas zurückhaltende und gelangweilt wirkende Begleitband auf. Und jetzt stellt man sich schon wieder die nächste Frage: Wie kann man das Bühnenbild deuten? Ist die Bühnendekoration vielleicht doch kein Zeichen für Einfallslosigkeit, wie es durch das im Hintergrund hängende Albumplakat von Greens Debütalbum Garfield zuerst vom Autor angenommen wurde, sondern ist es vielmehr eher ein Symbol für die Sehnsucht und die verzweifelte Suche nach neuen Ideen und Inspirationen? Man wünscht es ihm und man würde ihm am liebsten in die Seele schauen und ihm dabei gleichzeitig eine längere Auszeit empfehlen. Vielleicht würde dann der gedeutete Wunsch nach mehr Inspiration in Erfüllung gehen. Doch dies scheint bei der Betrachtung seines stetig wachsenden Tourneeplans eher ein Wunschtraum zu bleiben. Schade für ihn und für uns. Den geneigten Fan wird dies mit Sicherheit ein wenig traurig stimmen und in ihm die Erkenntnis blühen lassen, dass hier, trotz der außergewöhnlichen Stimme Adam Greens, große Möglichkeiten vergeben werden.

Und mit diesen Zukunftsprognosen wird Adam Green wohl auch in nächster Zeit  keine neuen Fans gewinnen, sondern eher weitere verlieren. Den Anfang machte schon dieses Konzert in Berlin, welches im Gegensatz zum Konzert vor zwei Jahren im Tempodrom nicht mehr ausverkauft, sondern stattdessen nur noch halb oder höchstens zu ¾ gefüllt gewesen war.

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