Scotty

Scotty © Deluxe Records

Scotty76 lebt HipHop: er breakt, malt und jetzt rappt er auch noch! Ohne Zweifel zählt er zu den kreativsten Köpfen im Business und hat gleich in mehreren Disziplinen neue Maßstäbe gesetzt. Scotty ist ständig in Bewegung. Um den Leuten einen Eindruck über sein bewegtes Leben zu geben, hat er nun seine DVD "Scotty’s World" bei Deluxe Records veröffentlicht. Mit "So Fresh" ist nun auch Scottys erstes eigenes Rapvideo fertig. Wir haben mit ihm über seine Welt gesprochen!

{image}Scotty ist nicht dein richtiger Name, dennoch nennt dich sogar deine Mum so, wie kam’s?

In meiner damaligen Crew gab es einen Tänzer, der auch Steve hieß, und da ich mir davor schon den Namen "Sir Scott" als Pseudonym in Anlehnung an Scott la Rock (R.I.P.) von Boogie Down Productions gab, nannten mich die Leute einfach Scotty. Aber auch, weil es dadurch nicht mehr so kompliziert war mit zwei B-Boys, die denselben Namen hatten. All meine Homies, die bei mir zuhause angerufen haben, fragten nach Scotty, selbst wenn sie über mich redeten. Somit wurde aus dem schüchternen Jungen Steve der B-Boy Scotty76.

Du bist Multitalent und eine HipHop-Legende aus Deutschland. Kaum eine Person nutzt alle Facetten von HipHop so umfangreich, um sich auszudrücken. Mit welchem Element hast du damals angefangen dich am ausgiebigsten zu beschäftigen und woher kam dein Einfluss dabei?  

{image}Ich habe unsere Kultur noch nie in Elemente unterteilt. Für mich ist das alles EIN verficktes Ding, das Leute eben unterschiedlich ausleben, je nach dem was einen beeinflusst. Als ich mit all den Movements in Berührung kam, haben wirklich alle Sachen – von Taggs über Scratches zu den heißen Bars bis zum Backspin – mein Kopf und Herz berührt, und so haben wir damals einfach alles ausprobiert. Wir waren eine riesige Clique von Kids (Peace an EP 126), die Run DMC, Public Enemy, Fat Boys und so hörten und die rebellisch ihren Idolen nacheiferten mit Fat Laces, hohen Sneakers und Public Enemy-Aufnähern auf den Jacken… Wir probierten einfach alles aus,. Am meisten blieb ich wohl beim Tanzen und Malen hängen.

Woher holst du dir heute deine Inspiration? Deine Kreativität scheint ja kein Ende zu haben.

Meine Inspiration ist der Alltag. Aber auch all meine Reisen und die Reize und Wahrnehmungen unserer Welt. Und, um ganz ehrlich zu sein, sind mir die meisten Sachen auch mehr oder weniger zugefallen. Ich habe jeden Tag das Gefühl etwas erschaffen zu müssen. Aber meine Motivation hole ich mir oft von jüngeren Leuten. Ich trainiere B-Boying oft mit Seven Eleven. Davor war ich schon viel mit Rockin Attack unterwegs und es gibt nichts schöneres, als zu sehen und daran Teil zu haben, wie sich HipHop immer weiterentwickelt.

Erinnerst du dich noch an dein erstes Piece?

Das allererste Piece bei dem ich dabei war, war von meinem Homeboy Devrock, der mir damals auch das Taggin zeigte. Wir rannten damals in Ninja-Anzügen durch unseren Häuserblock. Das war die überspannende Aktion überhaupt damals.

Wie würdest du deinen Style definieren bzw. beschreiben? Und wer waren deine Mentoren?

{image}Straight-up-B-Boy-Style, Scotty-beam-me-up-Artilliere-mässig. Ich weiß eigentlich erst jetzt, nach der DVD, wer ich wirklich bin. Ein Kind das zum Mann wurde und dabei HipHop lebt und einfach "to the fullest" repräsentiert.

Mal eine ganz banale Frage: Hast du eine bestimmte Lieblingsfarbe?

Kackbraun (lacht). Nein, ich benutze eigentlich alles, was ich auch nur so in die Hände bekomme. Man darf ja auch nicht vergessen, dass Künstlerutensilien nicht gerade billig sind und die Zeiten des Wrecking sind bei mir schon lange vorbei. Aber am liebsten so bunt und powerfull, so colourfull wie es nur geht.

Kannst du ein bisschen was über deine Zeit in Heidelberg erzählen, wie das damals so war mit Point Blank, TPM und dem ganzen Vibe?

Wir waren alle noch verdammt jung! Advanced Chemistry, Stieber Twinz, The Phunk Masters, SCM, Cora E, Boulevard Bou, KOT, EP 126 usw. Wir waren zwar ein sehr kleines Städtchen, dafür aber eine HipHop-Hochburg. Und damals waren immer viele HipHop Größen – nationale bis internationale – zu Besuch. Vor allem dadurch, dass Torch und Gee One schon früh viel reisten. Aber lasst uns nicht zu lange über die alten Zeiten sprechen: sie waren perfekt, doch ich bin eher jemand der in die Zukunft blickt, und ich freue mich noch mehr darauf, was alles noch kommt.

Gab es einen Grund für den Umzug von Heidelberg nach Stuttgart?

{image}Ich denke jeder Mensch muss seine Wege gehen. Ich liebe Heidelberg und es wird immer in meinem Herz sein, mein Stadtteil ist auch schon mit einem Tattoo in meinem Oberarm verewigt. Ich will die Welt sehen und mich wird niemand davon abhalten. Es ist nur wichtig, dass man weiß, woher man kommt. Und den Spirit hat Heidelberg immer noch. Ich kehre immer wieder zurück, um mit meinen Homies ein paar Wände zu malen oder abzuhängen. Ihr solltet auch mal nach Heidelberg und nach Underground Mcees Ausschau halten. Da kommt derbe was von ein paar Jungs aus meiner alten Nachbarschaft!

Von der Szene gibt es zwar pausenlos Props für die B-Boys und Maler, in den Medien hingegen wird man weitaus weniger gewürdigt als die Rapper. Kannst du das bestätigen und was ist deine Meinung dazu?

Hallo… die Welt bestand doch schon immer nur aus Business und Politik. Und nichts dreht sich im HipHop mehr als um die CD-Verkaufszahlen. Doch dies bedeutet mir nichts, denn zwischen den Zahlen und Skillz stehen oft auch Welten. Natürlich gibt es auch einige Ausnahmen, doch die Medien verfolgen auch nur Trends, und im Endeffekt läuft alles nur darauf raus, welche Connection du hast. Dennoch denke ich, dass wir in Deutschland zwei ganz zuverlässige HipHop-Mags haben, plus das Internet. Wer den Drang hat Informationen zu suchen, wird sie auch finden! Die Szene lebt egal ob Rap, B-Boying, Graffiti…

Inwiefern haben die Southside Rockers zu einer Neuorientierung auf dem "Battle of the Year" beigetragen?

{image}Als wir 1996 die Shadow-Souldiers-Show auf dem BOTY tanzten, haben wir den Contest showtechnisch revolutioniert. Wir waren die Ersten, die mit einer komplett durchchoreographierten Show auftauchten. Von den Soundeffekten, unserem abgestimmten Style der Outfits und der zusammenhängenden Story. Außerdem waren wir die Ersten, die Prodigy, Mo Wax und so was in die Parts einbauten. Davor waren die Shows noch in dem Rahmen, dass man einen Tune aufgelegt hat und diese solo mit ein paar Choreos verbunden hat. Und nun kamen wir mit einem kompletten Show-Paket! Wir haben den Scheiß aufgemischt und das hat man sofort im nächsten Jahr gemerkt. Wir hatten vielleicht nie die besten Einzeltänzer, aber sobald der Vorhang fiel, haben wir die Shows gerockt – und das nicht nur national.

An welche Peformance erinnerst du dich am liebsten als B-Boy?

Es gab so viele wahnsinnige Sachen, aber das Krasseste war für mich glaub ich schon damals das Rock on Video mit den Southside Rockers. Wir haben ein 100.000 DM Video in New York City gedreht und auf dem Times Square gebreakt, sind durch die Stadt getanzt, sind mit einer Boom Box über die Brooklyn Bridge gerockt und haben auf einem Taxi vor den Zwillingstürmen einen Headspin gedreht – das waren unbeschreibliche Gefühle.

Du scheinst mit allen HipHop-involvierten Menschen klar zu kommen. Stellen Artists wie G-Hot und Fler für dich keinen Gegensatz z.B. zu Torch dar?

Es ist doch ganz klar, dass Torch und Fler zwei komplett verschiedene Menschen sind. Gegensätzlich sowieso, aber gerade das ist es, was ich wunderbar finde. Jeder Mensch ist doch auf irgendeine Weise anders und hat seine Ansichten. Ansonsten wäre es doch auch verdammt langweilig. Und solange man mich mit Respekt behandelt, gebe ich Respekt zurück – egal von welchem Camp derjenige ist! Aber erwartet nicht von mir, dass ich für irgendjemand seiner Worte oder Taten gerade stehe, denn wir sind alle erwachsene Menschen und jeder ist für sich selbst verantwortlich.

Du suchst immer wieder neue Herausforderungen und bist ständig am Machen. Bist du immer noch am Sketchen und genießt es zu Sprayen, oder liegt dein Schwerpunkt mittlerweile beim Airbrush?

{image}Du musst dir vorstellen: Ich male täglich an die sieben bis acht Stunden – egal ob mit Stift, Dose auf T-Shirts oder sonstigem. Somit leidet mein Graf natürlich etwas, aber ich denke, dass ich trotzdem auf einen ganz guten Durchschnitt im Jahr von ca. 1 Piece in der Woche komme. Sketchen mach' ich so oder so, allein schon beim telefonieren fang ich nebenher immer mit dem Kritzeln an.

Meinem Wissensstand nach hast du nie Solo-Raps in Form eines Videos oder Aufnahmen von dir veröffentlicht. Wieso war für dich jetzt der richtige Zeitpunkt?

So fresh! Yahahhaahhhaaahhhaaaaaaaaa, das darf man jetzt nicht so als DEN Übertrack sehen. Das Musikding ist für mich mehr so ein Fun-Ding, wo ich meinen Spaß daran habe und schon immer einfach mal so was aufgenommen habe. Dieser Track ist zur selben Zeit der DVD entstanden und Sancho hat so einiges rausgeholt, dass ich ihn auch tight genug für die DVD fand. Ich wünsch mir eh, dass Deutschland mal so locker wird wie ich und den Stock aus dem Arsch nimmt. Bitte gebt einen Fick auf irgendwelche Regeln, denn das ist es, was wahre Kunst ausmacht! Lasst es direkt aus eurem Herzen heraus, denn am Ende ist es so oder so egal. Ob es jemand fühlt oder auch nicht, das liegt nicht in deiner Hand!