Letzte Instanz (Musikhalle Ludwigsburg, 2008)
Fotos: Marcel Benoit

Letzte Instanz (Musikhalle Ludwigsburg, 2008) Fotos: Marcel Benoit © regioactive.de

"Brachialromantik" hieß einst das Debütalbum der Letzten Instanz. Zehn Jahre später wird die Band, ungeachtet aller stilistischen Veränderungen, häufig immer noch mit Hilfe dieser Wortschöpfung charakterisiert. Zum Bandjubiläum wurde nun aber alles Brachiale vorübergehend verbannt und das reine Akustikalbum "Das weisse Lied" aufgenommen. Vor dem Konzert in Ludwigsburg haben wir mit Holly D., seines Zeichens zweiter Sänger, Gitarrist und Gründungsmitglied der Letzten Instanz, über diese besondere Tour gesprochen.

{image}Für die dazugehörige Tour, die hauptsächlich durch Kirchen führte, hatte man sich bei Schandmaul, Subway to Sally und Jesus on Extasy auch noch weibliche Verstärkung ausgeliehen.

Hallo Holly D! Warum habt ihr euch dafür entschieden, ausgerechnet ein Akustikalbum zum Bandjubiläum herauszubringen?


Letztes Jahr haben wir das zehnjährige Jubiläum der Band gefeiert und haben uns überlegt, was man da machen könnte. In den letzten Jahren hatten wir so unglaublich viele Wechsel im Line-Up, so viele verschiedene Musiker und damit auch Schaffensperioden in der Band. Da wäre es uns blöd vorgekommen, so etwas wie ein "Best Of" zu machen. Deswegen wurden Stücke aus all den Jahren, die nach unserem Gefühl auch heute noch für die Band stehen, in einen komplett neuen musikalischen Kontext gestellt. Die Idee, eine Akustikplatte zu machen, war schon lange im Raum. Das bietet sich bei unserer Besetzung ja auch an und jetzt war die Zeit eben reif dafür.

Wie gefällt dir selbst denn das Ergebnis?

Mit dem Album bin ich sehr zufrieden. Ursprünglich war nur eine EP zur Akustiktour geplant, jetzt ist ein Album daraus geworden – auch schön. Spätestens beim Tourauftakt in Leipzig haben wir gewusst, dass sich die Arbeit gelohnt hat.

Und wie waren die Reaktionen auf diese für euch doch sehr ungewöhnliche CD?

Mich hat sehr überrascht, dass das Album in der Gothic-Presse, wie dem "Orkus", super abgefeiert wurde. Dabei hat es ja teilweise auch jazzige Akzente und ist musikalisch sehr vielfältig, umso mehr haben wir uns darüber gefreut. So etwas läuft dann aber auch in völlig anderen Sparten wie bei Deutschlandradio-Kultur. Einen richtigen Verriss gab es eigentlich nur von einer Seite, aber die konnten uns noch nie leiden. Damit kann ich aber leben. Sonst war es im Großen und Ganzen positiv, aber natürlich sind wir eine Band die polarisiert. Das war schon immer so.

Auf dem weissen Lied habt ihr David Bowies Heroes neu interpretiert, live spielt ihr auch mal Ausschnitte aus Bohemian Rhapsody oder Time of my Life. Wie entscheidet ihr euch denn für eine Coverversion?

{image}Die Sachen, die wir immer bei Rapunzel mit reinspielen, entstehen meist einfach so aus Spaß. Wir stehen im Proberaum und probieren, was da jetzt rein könnte. Bei jeder Tour ist dieser Part ja neu, also stellt sich jedes Mal die Frage, auf was wir Bock haben. Da bieten sich meist Stücke aus den 70ern oder 80ern an, über denen steht man einfach schon drüber. Oder sollten wir etwa Metallica oder Korn einbauen? Das würde nicht passen. Es muss etwas sein, das gewissermaßen bereits zum "Allgemeingut" der Musikgeschichte gehört.

Die David Bowie Nummer war ein Wunsch unseres Gitarristen Oli, der das gesamte Album arrangiert und die Notationen gemacht hat. Der wollte unbedingt Heroes beziehungsweise Helden von Bowie covern und wir fanden das ganz cool. Das ist ja der einzige Song von ihm auf deutsch. Obwohl wir inzwischen herausgefunden haben, dass das gar nicht stimmt. Als er in den 60ern Schlager gemacht hat, war da unter anderem auch ein deutscher Song dabei. Der ist so fürchterlich, das steht nicht einmal mehr in seiner Biografie drin!

Die Tour ist ja auch für euch als Band eine neue Erfahrung, nicht zuletzt auch wegen eurer Gäste. Die Hälfte habt ihr jetzt hinter euch, wie lief es denn bis jetzt?

Großes Kino. Bisher war wirklich alles super, wir vertragen uns spitze, alles total harmonisch. Es ist sehr charmant, mit drei schönen Frauen auf Tour zu sein. Egal, ob da jetzt fast 1.000 Leute wie in Hannover, oder auch nur knapp 300 wie gestern in Bremen da waren – wir hatten jeden Abend richtig viel Spaß auf der Bühne. Ich glaube das haben die Leute auch gemerkt.

Also wurden eure Erwartungen bisher erfüllt?

Total. Das ganze Ding, Ton und Licht, ist für Kirchen konzipiert und funktioniert dort auch am besten. Da spielt der Raum mit, der hat eine Aura und flößt auch Ehrfurcht ein. Gestern war nun der erste Tag, an dem es nicht in eine Kirche, sondern stattdessen auf so eine Art Studiobühne ging. Anfangs dachten wir, das würde gar nicht gehen, am Ende war es aber trotzdem völlig genial. Einfach mal ein trockener Raum und eben keine Riesenkirche, in der sich jeder Basston eine halbe Stunde durch die Sakristei bewegt. Das hier ist jeden Tag etwas Neues, jeden Tag etwas Anderes und macht uns jeden Tag richtig Spaß. Heute sind wir erstmals ein bisschen müde, aber zum Gig geht das dann schon wieder. Gestern war Bergfest, da haben wir etwas länger gefeiert...

Warum hat es denn nicht geklappt, die Tour konsequent in Kirchen zu spielen?

{image}Um mal mit dem Positiven anzufangen: Eigentlich hatten wir in allen Kirchen den Kontakt zum Pfarrer und zur Gemeinde. Die waren dann auch meistens am Anfang ziemlich skeptisch, fanden es dann aber richtig geil. In Leipzig war das beispielsweise ganz süß: der Pfarrer ist die ganze Zeit mit seinem Fotoapparat durch die Kirche gerannt, hat sich über das volle Haus gefreut und war ganz aus dem Häuschen. Ich finde das ja gar nicht so unchristlich, was wir tun. Musik und Religion waren schon immer eng verbunden.

Als Band mit dem Namen "Letzte Instanz" haben wir es einfach nicht in allen Regionen geschafft, in Kirchen zu kommen. Vor allem im Süden dieses Landes, ohne jetzt zwei Bundesländer speziell nennen zu wollen, war das unmöglich. Dabei hätten wir auch hier gerne in Kirchen gespielt. Vor einem dreiviertel Jahr haben wir mit den Anfragen begonnen, Songtexte und Bandvorstellungen verschickt, aber obwohl wir mit zig Kirchen verhandelt haben, ist es nichts geworden. Das ist doch eigentlich schade. Es gibt in diesem Land so viele wunderschöne Sakralbauten, die weitestgehend leer stehen. Ich glaube, man braucht auch gar nicht in eine Riesenkirche, um zu Gott zu finden. Die meisten schaffen das so schon nie. Die Kirchen sollte man schon ein Stück weit öffnen. Natürlich in einem Maße, dass Raum und Ort noch respektiert werden. Aber dort kann man unglaublich viel  tun. Diese Konzerte in den Kirchen waren jedes für sich ein unglaubliches Erlebnis.

Gab es denn konfessionelle Unterschiede?

Das waren alles evangelische Kirchen, natürlich. Die Katholiken haben da noch größere Probleme, dass sich eine Band "Letzte Instanz" nennt. Wobei wir ja nie ernsthaft diesen Anspruch hatten.

Einen Großteil eurer Fans wird man vermutlich eher selten in Kirchen oder auf bestuhlten Konzerten finden. Wie war denn das Feedback von denen?

Das war fast durchweg positiv. Natürlich gibt es immer ein paar Leute, denen etwas nicht gefällt. Die einen beschweren sich, dass mitgeklatscht wird, weil sie nichts mehr hören können und die anderen, dass sie nicht tanzen können, aber das ist ja wohl klar in einer Kirche. Alles in allem waren die Reaktionen großartig. Da tut sich ja auch was während des Konzerts, es ist ja nicht so, dass die Leute nur dasitzen würden.

Ihr habt im letzten Jahr zwei Alben veröffentlicht und sehr viele Konzerte gespielt. Die Besetzung der Band ist momentan recht konstant, was ja auch nicht immer so war, und auch die Pläne für die nächsten Touren stehen schon. Seht ihr es denn auch so, dass sich die Letzte Instanz momentan auf einem Höhepunkt ihrer Bandgeschichte befindet?

Das kann man auf jeden Fall so sagen. Als wir 2005 mit Holly und Micha wieder angefangen haben war uns klar, dass wir nur eine Chance haben, wenn wir die nächsten Jahre kontinuierlich durcharbeiten. Was früher immer gefehlt hat, war sowohl zeitliche als auch musikalische Kontinuität. In unserer Szene ist ein harter Kern an Fans etwas ganz Wichtiges und den muss man sich erhalten. Das tut man nicht, indem man diesen Leuten einmal im Jahr mit etwas vor den Kopf stößt, was wieder völlig anders ist. Das haben wir inzwischen begriffen und es funktioniert auch ganz gut. Obwohl wir ja mit drei Sachsen, drei Bayern und Holly, der seit einem dreiviertel Jahr in Istanbul lebt, große Entfernungen in der Band haben. Wir schaffen es, in der wenigen Zeit, die wir zusammen haben, extrem kreativ zu sein und da kommt dann auch viel dabei raus. Wenn man sich nicht ständig mit Personalquerelen rumärgern muss, dann schafft man es auch, eine ganze Menge fertig zu bekommen. Voraussichtlich im September kommt eine Doppel-DVD. Für die wird das Konzert in Dresden von der Akustiktour mitgeschnitten, auch mit Anna Katharina und Leandra. Auf die zweite DVD kommt teilweise die Show von Wacken im letzten Jahr und eine Art Dokumentarfilm über die Band. Das könnte eine ganz spannende Geschichte werden und außerdem arbeiten wir schon am nächsten Album, das im Frühjahr 2009 erscheinen soll.

Auf euren letzten beiden Alben war auch das Ergebnis von Hollys schriftstellerischen Tätigkeiten zu hören. Kannst du uns denn verraten, was da in Zukunft geplant ist?


Auch wenn er selbst das besser beantworten könnte: Ich glaube im Rahmen von CDs werden wir das nicht unbedingt wieder machen. Das ist jetzt so ein bisschen zum Selbstläufer geworden. Es wird demnächst ein Buch geben, ich glaube das soll im April herauskommen. Dabei geht es um Fans der Letzten Instanz, die Geschichten zu unseren Texten geschrieben haben, die dann von Holly überarbeitet wurden. Das wird nun als Buch erscheinen, da bin ich auch mal sehr gespannt drauf, denn bisher habe ich davon auch noch nichts gelesen.

Vielen dank für das Interview, Holly D.!

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