The Charlatans

The Charlatans

Die letzten Bannerträger des UK-Raves touren nach 8 Jahren mal wieder in Deutschland und beweisen, dass man auch als 40-something noch für das gleichsam gealterte Publikum raven kann, ohne dabei peinlich zu sein.

{image}Sie sind beinahe ein Anachronismus, eine Raverockband aus der Welle, die das UK Ende der 80er heimsuchte und gemeinsam mit House die Tanzflächen dominierte. Es gab bekanntere Bands der Bewegung: The Stone Roses, The Happy Mondays und zeitweise auch Primal Scream. Aber die haben sich getrennt oder sich auf andere musikalische Pfade begeben. The Charlatans sind trotz dem Tod ihres Ur-Keyboarders bei der Stange geblieben und sich, angereichert durch Anleihen von Dub/Reggae, musikalisch treu geblieben. Sie klingen, wenn sie die alten Stücke spielen, immer noch so wie 1990. Und darauf baut ihr Liveact konsequent auf. Ihr Frontmann Tim Burgess ist dabei auch der bessere Liam Gallagher. Nur fehlen den Charlatans Melodien wie sie Noel Gallagher schreibt.

In der Batschkapp kamen sie an diesem Winter-Donnerstag wieder alle zusammen. Mittlerweile zwischen Mitte 30 und Mitte 40, teil grauhaarig und von Falten nicht verschont. Teils beleibt oder haararm. Aber mit dem selben Leuchten in den Augen wie damals, als sie zu Beginn der 90er Jahre von UK-Raverock elektrisiert wurden, wenige Jahre später dann zu Britpop gefeiert haben, denn was sie erwartet ist nichts alltägliches: The Charlatans aus Birmingham (ein Katzensprung von Manchester) kommen nach 8 Jahren mal wieder nach Deutschland. Und sie haben all die alten Kracher im Set, einschließlich ihrer grandiosen Debüt-Single The Only One I Know. Und diese alten Hits sind es dann, die die Fans, die in ihrem Alltag wohl eher primär mit dem Aufziehen der Kinder und/oder der Karriere beschäftigt sind, dazu bringen ekstatisch die Arme in die Luft zu strecken und wie nimmermüde Duracell-Äffchen zu hüpfen. Auf einmal ist es wieder 199X und die Band sieht auf den ersten Blick auch noch so aus wie damals. Tim Burgess gibt immer noch den drahtigen Slacker, zieht sich die langen Pulloverärmel über die Hände, versteckt die Augen hinter dem akkurat gestylten schwarzen Pony oder tut so als würde er mit einer Pistole beidhändig ins Publikum schießen. Natürlich schießt er nur Liebe, denn Love Is The Key! Aus der Nähe betrachtet ist der Zahn der Zeit natürlich auch nicht an den Charlatans vorbei gegangen, auf einmal sieht man auf der Bühne nicht mehr ravende Kids, sondern hart arbeitende Männer, die der Zeit hinterher rennen und dabei mal mehr, mal weniger souverän wirken.

{image}Die aktuelle Single You Crossed My Path eröffnet den Abend grandios, mit Weirdo und Tellin’ Stories werden gleich zwei Klassiker hinterher geschoben, die das Publikum begeistert mitreißen. Die erste Hälfte des Konzerts, die auch von so großartigen Nummern wie North Country Boy, Black ’N’ Blue Eyes oder One To Another getragen wird, überzeugt und mündet mit The Only One I Know in einen Höhepunkt. Danach kommen zwar auch noch ansprechende Lieder und in der Zugabe dann auch wieder Kracher wie How High, aber es wird deutlich, dass es den Songs der Band an packenden Melodien oder Hooks mangelt. Zu stereotyp kommt der Gesang von Burgess daher, die Gesten wiederholen sich, Bass und Gitarre spielen auch fast immer das gleiche, nur von den Keyboards kommt eine Abwechslung in den Sound und der Groove ist auch über weite Strecken des Konzerts identisch – man merkt, dass das Songwriting in der Band nicht von einem Mastermind stammt, sondern gemeinsam von der Band entwickelt ist, die sich halt Lieder schreibt, die so klingen wie die Band halt so klingt.

Unter dem Strich ein unterhaltsamer Abend, der allerdings nach der ersten Hälfte deutlich an Spannung verlor, leider keine Songs von dem feinen 99er Album Us And Us Only enthielt und andeutete, dass das in Bälde erscheinende neue Album nach den Dub-Ausflügen auf dem letzten Longplayer Simpatico wieder mehr in Richtung klassischer Raverock zu gehen scheint. Bemerkenswert auch noch die Vorgruppe News at 6 aus Köln, die mit energievollem Britrock überzeugen konnten und in den gefühlten 8 Songs ihres Sets weitaus mehr Abwechslung demonstrierten als die Hauptgruppe.

Setliste: You Cross My Path – Weirdo – Tellin' Stories – Judas – Mistakes – Blackened Blue Eyes – North Country Boy – Bad Days – One To Another – The Only One I Know
Oh! Vanity – The Architect – Here Comes A Soul Saver – Bird – You're So Pretty – The Misbegotten – This Is The End
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Love Is The Key – A Day For Letting Go – How High – Sproston Green

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