Stars (Mousonturm, Frankfurt, 2008)
Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn

Stars (Mousonturm, Frankfurt, 2008) Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn © regioactive.de

Vor zwei Jahren ist der kanadischen Band Stars mit "Set yourself on fire" der Durchbruch in der Popszene gelungen. Nun waren sie mit ihrem neuen Album "In our bedroom after the war" auf Tour und machten dabei auch im Kesselhaus in Berlin Station. Wie bei ihren Tourdates zuvor, zum Beispiel im Mousonturm in Frankfurt, wurde die Band auch in Berlin frenetisch gefeiert. Das bestimmende Thema der Tour und der Gigs: Liebe in all ihren Variationen.

{image}Mit den Stars hat alles in New York angefangen. Der gebürtige Engländer, jedoch in Toronto aufgewachsene Torquil Campbell, trifft den Keyboarder Chris Seligman im Big Apple und sie beschließen – auch begünstigt durch die beidseitige Liebe zur Musik von The Smiths, New Order oder Marvin Gaye – daraufhin eine Band zu gründen. Durch die Vermittlung einer Freundin gewinnen sie Amy Millan als Sängerin. Kurze Zeit später kommt auch noch Bassist Evan Cranley dazu und mit ihm die Verlegung des Wohnsitzes nach Montreal. Der Grund: das liebe Geld und niedrigere Mieten: gleichbedeutend mit weniger Arbeit und mehr Zeit für Kreativität. Dort entsteht dann auch das Album Heart, doch erst mit dem hochgelobten Set yourself on fire gelingt ihnen der Durchbruch. Tourneen mit den befreundeten Bands Bloc Party und Broken Social Scene folgen. Seit Ende 2007 ist nun ihr neues Album In the bedroom after the war auf dem Markt zu haben.

Sänger und Frontmann Torquil Campbell hat einmal gesagt: "Alle Popbands sind Lovesongs-Bands. Die meisten Lieder in dieser Welt werden über Liebe oder den Mangel an Liebe geschrieben." Und auch in der Musik der Stars geht es größtenteils um diese Liebe und die Suche nach diesem Glücks- oder auch Unglückserlebnis. Es handelt von den alltäglichen Geschehnissen in der Welt mit allen ihren Auseinandersetzungen um Liebe und Vergebung. Dabei verbinden lässige Beats die Musik mit zuckersüßen Melodien und einem samtweichem, ummantelnden Teppich aus der lieblichen Stimme Amy Millans und der teilweise flüsternden, aber auch eindringlichen Tonlage Torquil Campbells und der immer gegenwärtigen Melancholie.

{image}Und auch beim Konzert in Berlin deutet alles auf Liebe hin. Und zwar Liebe auf drei Einheiten. Die Liebe der Band zueinander und dabei besonders zwischen Amy Millan und Torquil Campbell, die Liebe des Publikums zur Musik und die Blumen des Bühnenbilds als vermittelnder Faktor zwischen diesen beiden Liebesebenen. Die Blumen sind dabei besonders hervorzuheben. So besteht das ganze Bühnenbild praktisch nur aus Blumen. Man kann sie praktisch als Vermittler zwischen Zuschauer und Band charakterisieren, denn im Laufe der Zeit gelangen immer mehr Blumen in die Hände des Publikums. Die Stars verteilen diese Geschenke großzügig, schmeißen nach jedem Song ein Bündel ins Publikum und können sich aber natürlich auch nicht davor retten an diesen Blumen zu riechen. So denkt der geneigte Hörer, wenn der Schlagzeuger eine Blume tief in die Nase steckt: "Da muss es aber herrlich riechen auf der Bühne." Es ist wahrlich eine romantische Bühnenbedeckung, die fast schon als Liebesbeweis und Vorausgeschenk für den Valentinstag zu sehen ist.

{image}Eine weitere Liebe zeichnet sich durch das Mimikspiel zwischen Amy Millan und Tourquil Campbell ab. Man spürt, dass der Sänger und Trompeter Campbell neben seinem Musikerleben auch Schauspieler ist. So trat er u.a. schon in Fernsehserien wie dem amerikanischen Erfolgshit "Sex and the City" auf oder war auf den Theaterbühnen in Shakespeare-Rollen zu sehen. Die Botschaft der Musik kann bei seinen schauspielerischen und performativen Leistungen auch ohne die Musik auskommen. So erkennt man in seiner Mimik Entschlossenheit, Leiden, aber auch Leidenschaft und leise Melancholie. Alle die Eigenschaften, die für die Musik der Stars kennzeichnend sind. Dazu diese zeitweise verlorene und leidenschaftlich versuchende Aufrechterhaltung des Blickkontakts zwischen ihm und Millan, in der er sich immer mehr an sie heranpirscht und sie manchmal sekundenlang nur anblickt, bis Amy sich zu ihm dreht und seinen Blickkontakt erwidert. Dann seine Gesten, zum Beispiel wie er sich immer mal wieder mit seiner Hand auf die Brust schlägt, um seine Gefühle zu verdeutlichen. Aber auch die anderen Bandmitglieder stechen hervor. Der Schlagzeuger Pat McGee zum Beispiel, mit Sonnenbrille und Irokesenschnitt auf Coolness getrimmt oder der Bassist Evan Cranley – einen Hut tragend und der in sich vergessene, herumspringende Pol der Gruppe.

Das Set beginnt mit einem sternweichen, nachtankündigenden, einfühlsamen Zwiegesang zwischen Amy Millan und Torquil Campbell in The nights starts here und schleicht sich über die mitreißende Single Take me to he riot, dem von einsamen Menschen handelnden, melancholischen Song Personal und dem dringlich vorgetragenen Midnight coward auch zu älteren Stücken wie der Pop-Perle von Ageless Beauty mit der so verliebenswerten Stimme Amy Millans, oder dem lässigen The big fight. Dabei überzeugen besonders die leidenschaftlichen Duette, die mit dem oben schon beschrieben Augenkontakt in ihrer Emotionalität noch verstärkt werden. Zum Abschluss des Hauptsets kann man sich an noch an der Hymne In our bedroom after the war erfreuen.

{image}Die dritte Liebesbotschaft wird durch die Begeisterung des Publikums geprägt. Dies spürt man in dem gut gefüllten Kesselhaus – dessen Veranstaltungsstätte, die Kulturbrauerei, von der Band hoch gelobt wird – vor allem in den vorderen Reihen. So ist besonders ein Fan in der 1. Reihe auffällig, der die längste Zeit des Konzerts die Arme wie ein Magier emporhebt, als würde er sofort am liebsten die ganze Band umarmen. Später bildet er mit anderen Besuchern Arm in Arm eine schunkelnde, tanzende Gruppe, worüber sich die Band selbst amüsieren muss. Bei Your Ex-Lover is dead bildet sich vorne sogar eine kleine, herumschubsende Menge tanzender Menschen und nachdem die Band nach drei Zugaben mit dem groovigen My favorite book, dem vorantreibenden What i’m trying to say und The woods die Bühne verlässt und die Abspielmusik schon läuft, holt das Publikum die beiden Gründungsmitglieder Torquil Campbell und den Keyboarder Chris Seligman mit minutenlangen "We want Stars"-Sprechchören sogar noch zurück. Zur Belohnung wird das einfühlsame und ruhige Barricade performt, welches einen würdigen Abschluss für ein wunderschönes Konzert bildet und in jedem Fan die Vorfreude auf den nächsten Stars-Auftritt beim Hurricane/Southside-Festival  im Sommer  auflodern lässt. Vielleicht bekommt ja dann die Band von dem Publikum Blumen als Geschenk. Man darf gespannt sein.

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