Slut
Foto: Gerald von Foris

Slut Foto: Gerald von Foris © EMI Music Germany

Nach dem letztem Album "All We Need Is Silence" war es um die deutsche Gruppe Slut erstmal still geworden. Die Band widmete sich anderen Aufgaben. Am Donnerstag stellten sie nun im Berliner Lido dem euphorischen Publikum das neue Album Still No.1 vor und waren dabei nicht nur wieder 'sehr nett', sondern auch extrem spielfreudig.

{image}Ein Bandmitglied der Vorband Stars Plays Music bezeichnet Slut an diesem Abend als Indie-Veteranen. Und in der Tat hat sich die Band aus Ingolstadt in den letzten Jahren in der deutschen Musikszene etabliert und eine feste Fangemeinde aufgebaut. 2004 bekamen sie für ihre Aktivitäten den Kunstförderpreis der Stadt Ingolstadt verliehen und mit der Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2005 wurde auch ein größeres Massenpublikum auf die Band um Sänger Christian Neuburger aufmerksam. Nach ihrem letzten Album All we need Is silence wurde es still um die Band, sogar Gerüchte um eine Trennung wurden laut. Falsch spekuliert. 2006 tauchten sie überraschend am Theater in Ingolstadt auf, um Kurt Weills Kompositionen zu Brechts Dreigroschenoper für diese Inszenierung neu aufzunehmen.

Die Musik von Slut hat sich seit ihrer Bandgründung 1995 verändert. Während For excercise and amusement noch etwas von Notwist’scher Melancholie besaß, bekam Lookbook einen poppigeren Sound verpasst. Nothing go will wrong konzentrierte sich dann wieder auf einen gitarrenlastigeren Musikstil. All we need is silence besticht dann wieder durch einen wuchtigen, wütigen und energetischen Klang. An diesem Abend sind sie nun im Berliner Lido zu Gast, um ihr neues Album Still No.1 vorzustellen. Dieses schließt musikalisch und was den Sound angeht an Lookbook an und winkt wieder mit eher ruhigeren, melancholischen Songs, eingebettet in wunderschöne Melodien. Manchmal glaubt man Radiohead herauszuhören, dann wieder mal Divine Comedy oder Sigur Ros.

{image}An der Bühnendecke hängen Glühbirnen herunter. 3 Monitore stehen an drei Positionen der Bühne, auf denen während dem Konzert ein Super-8-Film in Endlosschleife gezeigt wird. Im Hintergrund wird die Show durch Projektionen aus Kreisen, Linien, Tunneln, verschwommenen Liveaufnahmen des Konzerts, schnell geschnittenen, abstrakten Bildern und Landschaftsaufnahmen unterstützt. Als das Intro Sum it up erklingt, erleuchten die Glühbirnen. Es fühlt sich an wie eine Wiederauferstehung nach ihrem Theaterengament. „Ihr wart so lange nicht hier“ ruft ein Fan der Band zu. Christian Neuburger meint dazu mit einem Lächeln: „Für uns war immer klar, dass wir hier spielen werden.“ Kein Wunder, befindet sich ihr Aufnahmestudio des neuen Werks doch auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit Blick auf den Club in Kreuzberg. „Aber das bedeutet nicht, dass wir nur neue Stücke spielen werden“, fügt er mit einem Lächeln hinzu. Gesagt getan und das wilde, gitarrenlastige Time is A remedy ertönt. Und dann beginnt auch wieder das typische Fußstampfen und Kopfwackeln des Sängers Christian Neuburger sowie seine Liebe zum Mikrofon (fast küsst er das Mikro). Weiter geht es mit All we need is silence, dem sich gleich das Titelstück des neuen Albums anschließt. Dann folgt ein wunderbares Keyboardpiano-Duett. Für das herzerwärmende, zarte Wednesday kommt die junge, noch unbekannte, deutsche Sängerin Dillon auf die Bühne. Es folgen weitere Stücke des neuen Albums, wie das epische Odds and ends, welches zuerst Happy Sad lauten sollte. Doch so heißt leider auch schon eine Radiosendung auf Radio Eins. So entschied sich die Band für eine Titeländerung, auch wenn "Happy Sad" zum Titel und zum Motto des neuen Albums passen würde, da die wunderschönen Melodien die melancholische Grundstimmung so manipulieren, dass man einfach glücklich traurig sein muss. Die Stimmung des Publikums ist zumeist euphorisch, doch erst beim energetisch, vorantreibenden Why pourquoi, dem Indiehit Easy to love und dem ebenso wuchtigen Neverending springt der Funke richtig über. Das Publikum klatscht, jubelt und feiert die Band. Das junge Publikum bildet vorne einen großen Moshpit. Passend führt eine Projektion im Hintergrund den Zuschauer durch einen Tunnel in diese Begeisterungswelle.

{image}Dann folgt ein Akkordeonsolo. Wieder einmal ein Beweis, dass "exotische" Instrumente außerhalb des klassischen Rockinstrumentariums Konjunktur haben. Im Hintergrund darf außerdem fleißig auf dem Xylophon herumgeklimpert werden. Schließlich folgt mit Rocket ein Stück von ihre allererstem Album For excercise and amusement. Fast entschuldigend sagt Neuburger: "Ich weiß nicht, ob ihr diesen Song noch kennt." Er weiß wohl, wie jung seine Fans sind. Ein Konfettiregen zu Say yes to everything beendet schließlich pathetisch das Hauptset und beschwört gleichzeitig ihre Rückkehr in das herkömmliche Musikbusiness.

Aber da Christian Neuburger meint: "Für uns Ingolstädter ist Donnerstag immer Ausgehtag. Deswegen könnt ihr euch auch noch auf 3-4 Songs freuen, denn wir sind in Ausgehlaune", darf sich das Publikum auch noch auf das vom Alkohol handelnde Tommorow will be mine, auf eine Interpretation von der Moritat von Mackie Messer (Der Haifisch, der hat Zähne), Homesick sowie Failed on you freuen. Da aber das Publikum weiter frenetisch nach weiteren Zugaben ruft, beglücken Slut, so nett wie sie sind, die Zuschauer auch noch mit einem 2. Zugabeblock. Auch das erklären sie natürlich: „Wir haben noch drei Songs vergessen“. Sie sind eben sehr nett.

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