Bushido (Rosengarten Mannheim 2007)
Fotos: Jonathan Kloß

Bushido (Rosengarten Mannheim 2007) Fotos: Jonathan Kloß © regioactive.de

Ärger mit den Sittenwächtern, Beef mit allem, was nicht bei drei auf dem Baum ist oder aus Österreich stammt, Knastaufenthalte, Gerichtsverfahren, ein verklagter US-Rapper, Angriffe auf der Bühne und nun auch noch ein Medienboykott, angeführt von dem Sender, der ihm erst kürzlich zum zweiten Mal in Folge den EMA als bester deutscher Künstler überreichte. Geschichten und Gerüchte ranken genug um den Rapper vom Tempelhof. Medial ist er die Nummer eins im deutschen HipHop. Doch die Wahrheit liegt auf der Bühne.

Amerikanische Verhältnisse in Deutschland? Der Gangsta Rap scheint nun endgültig in Deutschland angekommen. Noch vor Jahren waren 3p, Tone oder die Asiatic Warriors das Maxium an vorstellbarer Härte, geprägt war die Raplandschaft von eher positiv gestimmten Protagonisten wie Freundeskreis, den Beginner oder als Extremform der Heiterkeit Blumentopf. Doch was die Jungs von Aggro Berlin Anfang des neuen Jahrtausends begonnen haben, bringen sie nun selbst zu Ende. Es war zwar kein Drive-By-Shooting, aber ein Messerangriff ist ja auch nicht ohne. Die Protagonisten dieser Medienfarce sind Bushido, Fler und Mtv bzw. VIVA. Mtv bzw. VIVA bzw. Viacom verbannten bis auf weiteres alle Videos von Bushido und dessen Label Ersguterjunge aus ihrem Programm, nachdem Fler nach einem Auftritt bei TRL in den Räumen des Senders von Unbekannten mit einem Messer angegriffen wurde.

Zwar habe dieser Vorfall nichts mit der Verbannung zu tun, beteuert Mtv, die zeitliche Nähe lässt aber anderes vermuten und die wildesten Spekulationen beginnen nun die Runde zu machen. Ein Glücksfall für die Medien, denn nun gibt es wieder neue Gründe sich diesen Rappern aus Berlin zu widmen und die Möglichkeit, auch noch die letzten Klischees auszuschlachten. Zumindest insofern haben wir nun amerikanische Verhältnisse, als dass HipHop nun auch hier mehr Pop ist, als die ursprüngliche Subkultur es erlaubt.

Wer daran immer noch nicht glaubt, muss nur mal ein Konzert von Bushido besuchen. Am Mittwoch konnte ich mir im Mannheimer Rosengarten einen eigenen Eindruck machen und war erstaunt, wie viel Pop und wie wenig HipHop an diesem Abend vertreten war. Das Publikum war das typische The Dome, US5 oder Tokio Hotel-Publikum samt Eltern, gemischt mit einem nicht geringen Anteil potentieller älterer Pur-Fans, die diesen Abend nicht als Erziehungsberechtigte, sondern als wirkliche Bushido-Fans erlebten. Eingehüllt in allerlei bunte Merchandiseartikel warteten sie zusammen auf den "Rapper, der im Knast war". Ich dachte ein paar Jahre zurück, denn ich weiß noch ganz genau, wie die Auftritte von Bushido – damals noch Teil von A.i.d.S. – waren: düster, improvisiert, roh – purer Underground. Heute spielt sich das genaue Gegenteil dessen ab.

Zwar darf man diese ganze Undergroundgeschichte nicht zu hoch bewerten, selbst Savas hörte nicht auf seine Mutter, als diese sagte, er würde immer Underground bleiben, doch ein Mindestmaß an Authentizität sollte man sich erhalten.

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Die Leistung, die Bushido an diesem Abend ablieferte, war perfekt. Alles hat gestimmt: die Performance, die Showeinlagen, die Pyro. Nur war es eben kein HipHop. Die Beats klangen nach Linkin Park, seine Stimme war nicht zu hören, da er gleich zwei Back-Ups auf der Bühne versammelte, die alles doppelten und trippelten was ging, das Ganze war schlicht blutleer und ließ jedes Feuer vermissen. Um eins klar zu stellen: ich habe Bushido früher auch gefeiert und sehe immer noch einige gute Songs in seinem neueren Repertoire, und auch ihn sehe ich nicht als das, was ihn die Medien darstellen bzw. als das wie er sich ihnen verkauft. Wahrscheinlich liegt auch genau hier das Problem.

Vom Bordstein bis zur Skyline war ein Meilenstein und wird in dieser Kategorie auch auf ewig unerreicht bleiben, seine Energie und Faszination zog es aus dem, was dem deutschen Rap bis dahin unbekannt war, nämlich authentischer Gangsta-Rap, wie man ihn so nur von US-Acts wie Mobb Deep oder Franzosen wie Booba oder Mafia K’1 Fry kannte. Doch was danach kam war nur noch cleveres Marketing und das Mystische, das seine Musik vorher umgab, war verschwunden. Zu wenig passen Image und Musik noch zu Bushido, der von sich auch selbst sagt, er höre am liebsten Depeche Mode. Zu clever wirkt er in Interviews, als das er das ernst meinen könnte, was er da vor sich hin plappert. Zu perfekt und professionell führte er durch den Abend, wobei er Entertainerqualitäten offenbarte, die ihn zu einem potentiellen "Wetten, dass..?"-Moderator machen. Nein, Bushido ist nicht mehr Sonny Black, jetzt ist er ein Popstar im Bravo- und TRL-Format.

Selbst als er die Hits seines Debütalbums performte, kam beim Zuhörer nicht mehr an als weichgespülte Pop-Arrangements, ohne Ecken und Kanten. Einziges Highlight hätte wenigstens sein Statement zum Boykott seiner Musik sein können, doch auch das ratterte er so professionell, so geleckt und emotionslos rüber, dass es sich perfekt in eine grelle und glitzernde Pop-Show eingliederte. Als Fazit bleibt somit nur zu sagen: HipHop ist was anderes.

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