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Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn © regioactive.de

Mit "Alligator" und zuletzt mit "Boxer" haben sich The National auf die vordersten Indie-Plätze gespielt. Die Tour der Band wurde sehnsuchtsvoll erwartet und so war der Run auf die Tickets auch größer als erwartet. Kurzerhand wurde der Gig in Stuttgart vom Schocken in die Röhre verlegt.

Als Support tourte der Solo-Künstler Hayden mit den Headlinern aus Brooklyn. Die Band nennt ihn später im eigenen Set als bewunderten Musiker und man kann verstehen, warum das so ist: Hayden wartet ebenso wie Matt Berninger von The National mit einer tiefen und sonorigen Stimme auf und auch sein Songwriting überzeugt durch eine eingängige Schlichtheit, zu der man nur mit viel Erfahrung in der Lage ist. In der Tat stehen auch zahllose Veröffentlichungen auf seinem Konto, doch – wie er selbst anmerkt – kam es bei den Wenigsten zu einem Release in Deutschland. Beste Gelegenheit also, sich nach über einen Jahrzehnt hier wieder mal zu präsentieren. Hayden nutzte diese Chance und spielte seine letzten Songs mit Scott und Bryan Devendorf an Bass bzw. Schlagzeug. Sie hätten auch der Bühne bleiben können, denn die gespannte Erwartung des Publikums auf The National war förmlich mit Händen zu greifen.

Doch natürlich führte kein Weg an der obligatorischen Umbaupause vorbei. Start a war lautet dann der erste Track. Ein ruhiger Einstieg in ein Set, das noch recht ekstatisch werden sollte.  Von Beginn an aber auch beste Gelegenheit, in die Musik hinabzutauchen, die von Berningers sonoriger und tief-markanter Stimme, den melodiösen Gitarrenläufen und Violineinwürfen geprägt wird. "Thanks for squeezing in" begrüßt Matt Berninger die Gäste in der bis zum Anschlag gefüllten Röhre. Für sie gilt es, sich mit dem etwas zu lauten Sound anzufreunden, der aber ansonsten sauber abgemischt wirkt.

Bis auf wenige Ausnahmen, die heute nicht gespielt werden, bestimmen die Songs von Boxer dieses Konzert. Die Band präsentiert ihr Set wie verzaubert von der eigenen Musik. Es sind die kleinen Gesten und Bewegungen, die ihre Präsenz ausmachen. Hier mal ein Schritt des Gitarristen an den Bühnenrand, dort ein Huschen des Violinisten Padma Newsome von links nach rechts, da mal Berningers vom Mikro ab- und wieder zuwenden oder seine mit ganzer Kraft in den anderen Arm geklemmte Hand. Gegenüber den Aufnahme-Versionen der Songs vermögen The National live auch einen Schuss mehr Kraft und Energie auf die Bühne zu übertragen. Viele Songs haben einen ekstatischen Post-Rock-Part eingebaut, der die Grundharmonien- und Riffs erheblich steigert. Das mag zwar vom Blickwinkel auf das Songwriting nicht gerade die Ideallösung zu sein, doch live entstehen dadurch Wellen, die das Publikum von ruhiger Sinnlichkeit und Gebanntheit hin zu einem Hineinsteigern begleiten. So ist es auch schwer, einzelne Highlights aus dem Set herauszugreifen: Das Groovemonster Secret Meeting steht in solcher Art aufgearbeitet gleichrangig neben dem auch textlich ergreifenden Baby we'll be fine, beide vom Album Alligator. Fake Empire, Brainy, Apartment Story und Ada von dem vielgelobten neuen Album Boxer stehen dem ebenfalls in Nichts nach.

Besonders ekstatisch wird es, wenn Matt Berninger wie im Chorus von Abel seine eher ruhige Stimmlage verlässt und sich in kraftvollen, aber dennoch melodiösen Schreien verliert. Unaufhaltbar scheint er dann, reckt sich Richtung Decke oder betrommelt wie bei einem Voodoo-Ritual den Bühnenboden mit einer Rassel. Und als ob er das noch anderweitig zu beweisen hätte, steigert er sich bei der zweiten Zugabe, Mr. November, nochmal richtig rein. Nicht nur gesanglich, sondern er entert jetzt auch die vor ihm stehenden Monitorboxen, springt auf sie und wieder runter, verschiebt sie mit seinen Füßen Hin und Her. Dann ein Schritt zuviel: Mit vollem Karacho kracht der emotional geladene Sänger von der Bühne, schlägt erst einmal am Rand, dann auf dem Hallenboden in der ersten Reihe auf. Doch er singt am Boden liegend völlig unbeirrt weiter und kommentiert hinterher gelassen: “Where are the cheerleaders, when you need them?”.

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