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© Paolo Soriani / ECM Records

Jan Garbarek gehört zu den wenigen Superstars, die dem Jazz noch verblieben sind. Neben Keith Jarrett zählt der norwegische Saxophonist, der in diesen Tagen seinen 60. Geburtstag feierte, zu denjenigen Künstlern, die dem deutschen ECM-Label nicht nur einen glänzenden Ruf, sondern auch kommerziellen Erfolg verschafft haben. Dabei ist Garbareks Haltung zum Jazz durchaus ambivalent.

Jedenfalls distanziert er sich von dieser Bezeichnung in Bezug auf seine Musik. Welchem Genre man sie auch zuordnen mag: sein unverwechselbarer Saxophonsound gehört zu den einmaligen Erscheinungen der Gegenwartsmusik. Aus diesen Gründen konnte man dem Auftritt des norwegischen Saxophonisten im Rahmen des "Enjoy Jazz"-Festivals mit besonderer Vorfreude entgegensehen, zumal der Auftritt im fast ausverkauften BASF-Feierabendhaus stattfand. Die dortigen Konzerte zeichnen sich grundsätzlich durch ihren speziellen Charakter aus, was möglicherweise an der angenehmen, stilvollen Atmosphäre des Veranstaltungsortes und dem hervorragenden Klang des Konzertsaales liegt. So überrascht es nicht, dass das Konzert zum Zweck einer möglichen Veröffentlichung aufgezeichnet wurde.

Das Jan Garbarek Quartet besteht außer dem Namengeber noch aus Schlagzeuger Manu Katché, Keyboarder Rainer Brüninghaus und dem Bassisten Yuri Daniel, der den erkrankten Eberhard Weber vertritt. Garbarek wechselt zwischen Tenor- und Sopransaxophon und spielt für einen kurzen und wenig bemerkenswerten Augenblick auch Flöte. Gemeinsam kreieren die Musiker eine dichte, atmosphärische Klangwand, die von Garbareks klarem, majestätischem Saxophonspiel dominiert wird. Der Norweger erweist sich als Meister des melodischen Ausdrucks, sein kühler und doch lyrischer Saxophonklang ist ebenso durchdringend wie eingängig. Zudem besticht er durch seine glänzenden Improvisationen, die sich dadurch auszeichnen, dass er an die Stelle des gemächlichen Tempos rasende, exstatische Intensität treten lässt.

Manu Katché, mehr Rock- als Jazzdrummer, spielt energetisch und ausdrucksstark, übertreibt bisweilen jedoch die Lautstärke, so dass sein Schlagzeug andere Instrumente zu überdecken droht. Ansonsten erweist er sich jedoch ebenso als verlässlicher Rückhalt wie Yuri Daniel, dessen swingendes, melodisches Bassspiel eine fast unheimliche Ähnlichkeit mit Eberhard Webers aufweist. Dass Daniel jedoch auch ein glänzender Virtuose ist, beweist er durch ein längeres Basssolo, in dem er Loops als Grundlage seiner Improvisation verwendet und das an Einfallsreichtum und Kreativität nichts zu wünschen übrig lässt. Brüninghaus Stärke zeigt sich hingegen vor allem in der Begleitung bzw. in den kleinen Duetten mit Garbarek, in denen die beiden Musiker gemeinsam das Thema des jeweiligen Stückes variieren.

Die Struktur der Musik, die das Quartett spielt, ist nicht übermäßig komplex. Meist liegen ihr einfache, auf Folksongs basierende Melodien zugrunde, die Garbarek und seine Mitstreiter zu ausgedehnten Exkursionen benutzen. Dabei variieren sie vor allem die Dynamik, während das rhythmische Fundament, das teilweise durch Loops gebildet wird, fast unverändert bleibt. Das so erzeugte Aufeinanderfolgen von Steigerungen und ruhigeren Passagen, verleiht der Musik abwechselnd einen dramatischen bzw. meditativen Charakter.

Es gibt Momente, da scheint die Musik in diesem etwas allzu starren Korsett des Konzepts gefangen zu sein und wirkt dadurch statisch und vorhersehbar. Meist beeindruckt das Quartett jedoch mit seinem vollen, fast überwältigenden Sound und dem dichten Zusammenspiel der Musiker. Obwohl Garbareks Musik schon seit vielen Jahren nicht mehr den "klassischen" Mustern des Jazz folgt, bleibt sie doch dem Jazzidiom im Gesamteindruck verhaftet. Die Mehrzahl des gewohnt begeisterungsfähigen Ludwigshafener Publikums dürfte das nicht interessieren, denn ihr Enthusiasmus kennt keine Grenzen. Die Zuschauer feiern das Jan Garbarek Quartett mit Standing Ovations und tosendem, nicht enden wollenden Applaus. Mit Sicherheit hätten sie sich einen noch längeren Auftritt des Jan Garbarek Quartetts gewünscht, aber nach einer Zugabe und zwei Stunden verabschieden sich die Musiker von dem sie ausgelassen feiernden Publikum.

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