Im zur Gänze gefüllten Karlstorbahnhof hatten sich am Samstagabend ein vornehmlich junges Publikum versammelt, um den Auftritt des Cinematic Orchestra zu erleben, ein Projekt des inzwischen in Paris lebenden Musikers Jason Swinscoe. Auf ihrem neuesten Album Ma Fleur verbindet die Band Elemente aus Jazz, Electronica, Pop und Folk zu einem atmosphärischen Ganzen. Der Auftritt im Karlstorbahnhof ließ von den "kammerpop"-artigen Elementen des Albums allerdings nur dürftige Spuren erkennen.

Was das Cinematic Orchestra an diesem Abend abliefert, steht den schlimmsten Exzessen der 1970er kaum nach. Die Musik erinnert an schlechten Fusion-Jazz bzw. an emotionslos vorgetragenen Prog- oder Krautrock. Weather Report, King Crimson oder Can sind offensichtliche Bezugspunkte, allerdings vermag das Cinematic Orchestra diesen Vorbildern nicht gerecht zu werden. Der Musik fehlt es an einem Ziel, man könnte sagen an einer Berufung: So besteht das Konzert in weiten Teilen aus prätentiösem, richtungslosen Zusammenspiel von Gitarre, Schlagzeug, Keyboards und Saxophon, auf das wiederum Soli der einzelnen Musiker folgen, die allerdings nur gelegentlich überzeugen können, meistens jedoch ebenso aufgeblasen wie langatmig sind. Die Musik ist nicht strukturlos, sondern folgt meistens einer Abfolge von Thema und "Improvisation", krankt aber an der mangelhaften Umsetzung.

Um Fusion-Jazz kompetent zu spielen, benötigt man virtuose Musiker und es ist deutlich, dass die Künstler, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, diesen Ansprüchen in keiner Weise genügen können. Schlagzeuger Luke Flowers versucht seine begrenzten technischen Fähigkeiten mit ausladendem Ausholen und anderen Ablenkungsmanövern zu überspielen. Saxophonist Tom Chant hingegen scheint der Überzeugung zu sein, dass es ausreicht, quietschende Geräusche mit seinem Instrument zu fabrizieren, um als Virtuose durchzugehen. Den absoluten Tiefpunkt erreicht das Konzert während eines Duetts der beiden Musiker, deren effekthascherisches Posieren nicht zu verbergen vermag, dass ihre Musik nichts weiter ist als seelenloses Blendwerk, das mit inszeniertem Enthusiasmus vorgetragen wird.

Der Rest des Konzerts besteht aus kürzeren Stücken, die von Sängerin Heidi Vogel vorgetragen werden. Sie erweist sich als gesanglich überfordert und zersingt Swinscoes sanfte Lieder mit einem Übermaß an souligem Ausdruck. Dazu kommt, dass die Texte der Lieder von nichts Besonderem zu handeln scheinen oder sogar nur aus einzelnen zusammenhangslosen Wörtern und Silben bestehen. Ob die auf Ma Fleur mitwirkenden Sänger und Sängerinnen das Konzert hätten retten können, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre die Ausdruckslosigkeit, die weite Teile des Auftritts kennzeichnet, gemildert worden. In der Abwesenheit von Emotionen liegt das größte Defizit des Konzerts. Zu keinem Zeitpunkt ist zu spüren, dass den Musikern ihre Musik etwas bedeutet. Musik ohne erkennbare Emotionen ist allerdings wertlose Spiegelfechterei.

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Publikum die Band eifrig beklatscht, so dass das Cinematic Orchestra erst nach zwei Zugaben und 90 Minuten Spielzeit die Bühne des Karlstorbahnhofs verlässt.

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