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Wieder haben wir eine Auswahl an wichtigen und interessanten Neuerscheinungen auf dem Tonträgermarkt für euch "aufgelegt", durchgehört und uns bis zu einer Bewertung vorgewagt. Diesmal mit den neuen Alben von Shuno, den White Stripes, Spitting Off Tall Buildings, Shellac und Theory Hazit. Gleich doppelt hier hineingeschlichen hat sich damit der legendäre Produzent Steve Albini.

Shellac – Excellent Italian Greyhound | Label: Touch and Go

Steve Albini mag so einiges nicht: Unter anderem ist es unmöglich vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin eine Rezension zu schreiben, da es Shellac ablehnen, Promos vorab an JournalistInnen zu versenden. Ist aber auch egal, denn die radikale Haltung Albinis gegenüber der Musikindustrie hat für so manchen schon etwas Sympathisches – war auf der anderen Seite aber auch schon vielen ein Dorn im Auge. Nach dem im Jahre 2000 erschienen Schwergewicht 1000 Hurts und einer längeren Pause platzieren Shellac nun die nächste Bombe in den Plattenläden: Excellent Italian Greyhound. Wie gewohnt machen Albini, Todd Trainer und Bob Westen das, was sie immer noch am besten können: Rock mit ganz rauen Kanten. Songs wie Steady As She Goes, The End of Radio und das – für Shellacs Verhältnisse – zerbrechlich wirkende Stück Kittypants sind die Highlights des Albums. Da werden schnell Erinnerungen an das beste Shellac-Album At Action Park hervorgerufen. Leider schleichen sich zumindest gelegentlich allzu lange Breaks zwischen die restlichen Songs, was von den Hörern sehr viel Geduld abverlangt. Vielleicht kalkuliert? Albini ist jedenfalls alles zuzutrauen und Spaß macht das Album trotzdem. Übrigens: Bitte Vinyl kaufen, denn die CD ist da ganz einfach schon mit dabei!

Wertung: +++ (Chris Bethge)

Shuno – Herz über Kopf | Label: Eigenvertrieb

„Damit hat keiner gerechnet“ sagt’s zu Anfang und trifft den Nagel aber mal so was von auf den Kopf. Keine Klischeereiterei, keine unnötige Imagemalerei, einfach eine EP mit eigener Persönlichkeit. Shuno und Dj Slick verstehen die Macht eines Intros, blasen somit gleich zu Anfang mal alles weg und ziehen den Fokus damit voll auf sich. Um diese aufgebaute Spannung nicht zu gefährden, wird auf Wer noch mal aufgedreht. Zeit zur Entspannung gibt es bei Herz über Kopf jedoch auch noch nicht, aber ein wenig durchatmen sei gestattet. Doch dafür muss man bei diesem Track doppelt aufpassen. Er beginnt noch etwas holprig, aber dann steigert Shuno sich von Vers zu Vers und schafft es, die intelligenten Inhalte in ein ebenso stimmiges Reimgerüst zu verpacken. Um noch mal auf den Anfang zurückzukommen: Damit hätten wohl wenige gerechnet. Sieht man Shuno das erste Mal würde man nicht erwarten, mit welcher Kraft der 24-jährige seine Reime spittet. Kein leeres BlaBla, sondern Inhalte, die weder abgeschrieben wirken, noch wie eine Anreihung vorhersehbarer philosophischer oder besser noch politischer Statements. Vielmehr spielen seine eigenen Gedanken die Hauptrolle. Doch seine Art das alles mit lyrischen Finessen zusammenzuhalten, lässt ihn eine eigene Persönlichkeit erschaffen. Das Durchhören der Platte macht sehr viel Spaß, so warten auf jedem neuen Track ständig neue Highlights. Zusammen mit seinen 305er-Kollegen RCF, Pal One und El Naturel wird immer wieder aufs Neue bewiesen, dass in Mannheim mehr Potenzial vertreten ist, als man bundesweit annimmt. Shuno legt mit seiner EP eine Reihe von beeindruckenden Songs hin, bei denen er gekonnt manche Schwäche auszugleichen weiß. Und im Notfall ist ja noch Slick da und macht das Brett einfach eine Nummer dicker. Überhaupt spielen die Produktionen eine Rolle, die durchgehend eine optimale Plattform für jeden MC bieten der es schafft, genug Gewicht in seine Raps zu legen um zu bestehen. Die Hoffnungen, die Shuno hier weckt, sind groß und machen umso gespannter auf seine zukünftige Entwicklung.

Wertung: ++++ (Chris Petersen)

White Stripes – Icky Thumb | Label: XL/Beggars (Indigo)

Alle, die vom momentan vorherrschenden Rock gelangweilt sind und die sich mehr für Abwechslung begeistern können, sollten für Bands wie die White Stripes dankbar sein. In schöner Regelmäßigkeit liefern sie Alben ab, auf denen sie sich wieder und wieder in ihrer Sonderstellung – ähnlich wie Outkast im HipHop – neu manifestieren. So auch geschehen auf icky thumb, dem neuen Album. Nach dem Umzug der Band nach Nashville klingt der Sound zwar sauberer und klarer, doch als Gegenpart werden nun Trompeten und Dudelsäcke ausgepackt und der Streifzug durch die Vielfalt der Stile wird ernsthafter und konsequenter durchgezogen als früher. Zwar wird deutlich am Endprodukt herumgeschraubt bis niemand mehr auf die falsche Epoche schließen kann, doch die Seele der Musik bleibt erhalten. Die experimentellen Elemente, die deutlichen Verzögerungen, die einen immer wieder neu erwachen lassen oder das Improvisieren – alles funktioniert, ohne dabei das Gerüst der Musik zu verletzen, aber dessen Statik wird in jeder erdenklichen Weise ausgereizt. Keinen kalkulierten Sound bekommt man hier geliefert, sondern ein musikalisch außergewöhnlich experimentierfreudiges Duo mit den großartigen lyrischen Qualitäten von Jack White. Absolute Highlights sind Rag & Bone, das wunderschöne A Martyr For My Love For You, Effect & Cause oder Catch Hell Blues. Eine schönere Weiterentwicklung des Blues gibt es heute wohl kaum. Auch wird es wenige geben, die den Sound des Blues so verstehen und so spielen können, dass er selbst in Begleitung der härtesten Riff noch zu hören und spüren ist.

Wertung: ++++ (Chris Petersen)

Theory Hazit – Extra Credit | Label: Hip Hop Is Music

Bei dem Namen Supperrappin werden Rap-Fans melancholisch. Denn das groove attack eigene Label ist geprägt vom Sound der Biz Markies, Pete Rocks und Edo Gs längst vergangenen Tagen. Mit dem neuen und noch unbekanntem Signing Theory Hazit aus Cincinnati, Ohio, meldet sich Supperrappin nun nach längerer Zeit zurück. Extra Credit heißt das Debütalbum, auf dem Hazit nicht nur lockerflockig seine christlich angelehnten „conscious“-Reime bestens zur Schau stellt, sondern auch gleich in Eigenregie produziert hat. Anerkennung und Lob erhält er dafür nicht nur von den Beatbauer-Kollegen Hi-Tek und J.Rawls, die ihn in höchsten Tönen loben. Extra Credit ist durchzogen von einem feel-good Vibe, der sich Grundelementen aus Gospel, Jazz und Soul bedient. Als musikalische Vorbilder nennt er zwar traditionelle Künstler wie LL Cool J und O.C., reiht sich vom Themenspektrum her allerdings weitaus mehr in die politisch motivierte Native-Tongue-Riege um The Roots und De La Soul ein. Neben der Single Hello Kiddeez bestechen I.O.U. und Out With A Bang mit besonderem Charme als Anspieltipps. Nicht zuletzt ist das Album durch die vielen Soul-Features sehr belebt und weist keinerlei offensichtliche Schwächen auf. Ein mehr als nur gelungenes Debüt.

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

Spitting Off Tall Buildings – Good Night and Good Luck | Label: Exile On Mainstream

Kommen wir nun noch mal ganz an den Anfang dieser Reviews zurück, genauer: Auf Steve Albini. Bevor dieser sich dazu entschlossen hatte, der Community eines Poker-Forums Rede und Antwort zu stehen, produzierte er noch schnell die zweite und bereits letzte Platte von Spitting Off Tall Buildings. Die fünf unterschiedlichen Musiker-Charaktere mochten zukünftig keine Kompromisse mehr eingehen müssen, legten sich für dieses Album aber nochmal richtig ins Zeug. Stilistisch treffen sie sich irgendwo zwischen Indie, Alternative und Postpunk – mit deutlicher Vorliebe für die entsprechenden Sounds der 90er. Die großartigen Unwound kommen einem bei den schnelleren Tracks in den Sinn, aber auch Sonic Youth vererbten hier und da mit ihrem 95er-Release Washing Machine ganz offenbar einen gewissen Fundus an Indie-Basiswissen. Dreckig kommt nun Good Night and Good Luck daher, mit einem Sound, der Live-Atmosphäre versprüht. Durchaus ungewöhnlich in Zeiten zahlreicher hochglanzproduzierter Aufnahmen. Ähnlich direkt und echt klingen die Yeah Yeah Yeahs, doch das Innovationsmoment, das die New Yorker in ihre Musik einbringen, fehlt bei Spitting Off Tall Buildings. Eine ehrliche Platte wollte man aufnehmen, um ein gutes Ende mit der Band zu finden. Und das ist in Teilen auch gelungen: Die Direktheit der sauber eingespielten Tracks geht am Hörer nicht spurlos vorüber. Negativ zu werten bleibt aber der phasenweise eher schwache Gesang und eben die Tatsache, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dies alles schon mal irgendwo besser gehört zu haben. So steht dieses Album vielleicht nicht nur für den gelungenen Abschied einer einzelnen Band, sondern für den Wandel, der sich in diesem Genre ganz im Allgemeinen vollzieht.

Wertung: +++ (Markus Biedermann)

So werten wir:

+
schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt
++
hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden
+++
das kann sich wirklich hören lassen
++++
ein TOP-Album
+++++
das hier kann dir die große Liebe ersetzen

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