The Game (Alte Feuerwache 2007)
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The Game (Alte Feuerwache 2007) Fotos: Jonathan Kloß © regioactive.de

Erst G-G-G-G-Unit, dann G-G-G-G-Unot und jetzt vielleicht doch wieder bald ersteres? Kaum ein Emcee steht so häufig in den Schlagzeilen wie der Rapper aus Compton – also genau einer dieser Rapper, die doch eh nie nach Europa kommen. Doch die angesagte Europatour von The Game war kein Scherz und beschränkte sich auch nicht nur auf die ansonsten beliebten Orte London und Amsterdam. Nein, auch Deutschland wurde mit drei Auftritten beehrt.

The Game auf Europatour – und dann auch in direkter Nähe zu unserem Redaktionshauptquartier, nämlich in der Alten Feuerwache in Mannheim. Es gibt wenige Acts, auf die sich dieser Autor noch „wie ein kleines Kind“ freuen kann, denn manche werden Routine, andere finden sich eben nicht in der Lieblingstitel-Wiedergabeliste des eigenen iPod. Anders sieht das bei Mr. Taylor aus, denn dieser ist definitiv unter den Favoriten, aber auch ganz generell ein Kritikerliebling, der sich für diese Tour kurzfristig ankündigte und sogar erschien. Zu The Game selbst ist nicht viel zu sagen: er schaffte, was andere vergeblich versuchten. Er brachte die Westcoast so zurück wie man sie liebt und wie man sie nur noch bei den Veteranen der G-Funk Era hören darf. Zwei Alben hat er herausgebracht, von denen das erste schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung den „Klassiker“-Status bescheinigt bekam. Das zweite wird wohl auch bald ähnliches erreichen.

Den Anfang an diesem Abend machte jedoch der Aggro Berlin Rapper Alpa Gun ohne DJ, dafür aber mit schlechtem Backup-Emcee. Dass er rappen kann hat er bewiesen, nur verfügt er über keinerlei Bühnenpräsenz und wirkt dort so, als habe er sich zur Klassensprecherwahl aufstellen lassen – nur keiner will ihn wählen. Was macht man dann in solchen Fällen? Richtig: man beginnt das Publikum zu beleidigen und ändert sonst nichts. Das Publikum dazu zu bringen, sich zu bewegen, schaffte er auch nur mit seinem Hit Ausländer, auf dem er stolz verkündet, dass man das mit der Intelligenz, konsequentem Handeln oder gar dieser verzwickten Logik in Texten nicht so eng sehen muss. So habe er als Deutsch-Türke doch z.B. auch Nazis als Freunde. Dann wollen wir ihn mal nicht weiter stören und lassen ihn mit seinen Kameraden spielen. Denn der Haupt-Protagonist des Abends war sowieso ein anderer.

The Game betrat nach standesgemäßer, jedoch noch höflicher Verspätung von knapp einer Stunde die Bühne ohne großes TamTam. Vorläufiges Motto des Abends, frei nach Black Moons Two Turntables and A Mic: Kein Back Up, keine Lichtshow, nicht einmal riesige Banner. Schlicht und ergreifend nichts; nur er und sein Dj. So inszeniert und überladen die Auftritte seines Intimfeindes 50 Cent sind, so roh und zurückgenommen erscheinen jene von The Game. Mit Songs wie Put You On The Game, Doctor’s Advocate oder Compton zeigte er, dass er mehr verkörpert als How We Do oder Let’s Ride. Kaum ein Emcee hat es geschafft bei verhältnismäßig wenigem Output so viel Qualität hervorzubringen. Ob Hate It Or Love It oder It’s Okay – ein Hit folgte dem nächsten. Das Besondere an diesem Auftritt war die Atmosphäre, die er schuf. Es gab keine Störfeuer und auch sonst nichts, was von ihm hätte ablenken können. Die Konzentration lag ganz auf der Musik. Selbst wenn er es schaffte, stimmlich wie von Platte zu klingen, hatte sein Stil und seine Art auf der Bühne zu performen etwas von einem Erzähler. Es war ein Auftritt, wie man ihn noch aus den Tagen der Alten Schule kennt und heutzutage nur noch in der Underground-Szene antrifft.

Aber plötzlich – mitten im Konzert – drehte sich alles. Nach zwei leckeren Kräuterzigaretten, Schimpftiraden auf 50 Cent & Co. sowie einer Flasche Cognac auf Ex (ja, sie war echt), stand The Game nun weniger fest auf Beinen und Bühne. Aus und vorbei war es von jetzt auf nachher mit dem Rap-Konzert, denn das Ganze bekam einen neuen Geschmack. Bei California Vacation lässt er Snoops Part durch einen jungen Mann namens David aus der ersten Reihe rappen. Und das konnte dieser, was erstaunte, sah er doch ein wenig wie Peter Ustinow "in jung" aus. The Game war begeistert, holte ihn auf die Bühne und löste ihm Warhols 15 Minuten „of fame“ ein. Gleich mehrere Songs durfte er performen, was einerseits dem angetrunkenn Mr. Taylor entgegen kam, andererseits diesen Teil des Abends zu einem der lustigsten HipHop-Konzerte überhaupt werden ließ. Und David AKA D-Bo, wie The Game den Gast-Star des Abends taufte, entwickelte sich zu einem sehr glücklichen Menschen.

Glücklich sein für diese Nacht wollten auch noch The Game selbst und seine Crew. Zu diesem Zwecke wurde Wouldn’t Get Far aufgelegt und die potentiellen Kandidatinnen, akribisch von der Crew ausgesucht, durften schon mal auf der Bühne zeigen, was sie so Feines können. Nett anzusehen, wenn man entweder im tiefsten Herzen sarkastisch ist wie Ambrose Bierce oder gar nicht erst weiß, was sarkastisch bedeutet. Man spürte, wie das Flair von Sat1 am Nachmittag die Halle durchströmte, da durfte dann natürlich auch die Personality-Note nicht fehlen. Denn wer hatte sich da heimlich zum Alice-Schwarzer-Gedächtnis-Zirkel auf die Bühne geschlichen? Fräulein Cassandra Steen. Aber das hat ja zum Glück keiner gesehen, wäre ja auch irgendwie peinlich, so wie sie sich über ihre Texte positioniert.

Etwas traurig stimmt einen das Bild, das man zum Schluss auf der Bühne sah. Die Musik wurde in den Hintergrund gerückt und im Vordergrund standen nun plötzlich stumpfe Aufmerksamkeitshascherei, Mädels die wohl frisch aus dem B9 oder Musikpark vom Paris-Hilton-Wanna-Be Wettbewerb kamen und Jungs mit schickem Glitzerschmuck aus dem Automaten. Böser Blick natürlich inklusive. Wobei hier zumindest ein Teil der Besagten in ein paar Jahren die Pubertät als Entschuldigung anführen kann.

Alles in allem konnte man sich für ein einstündiges Rap-Spektakel bedanken, dem aber leider ein würdiger Abschluss verwehrt wurde. Schade.

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