Wu Tang Clan (HipHopOpen 2007)
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Wu Tang Clan (HipHopOpen 2007) Photos: Jonathan Kloß © regioactive.de

Nach der Pause im Vorjahr war im Stuttgarter Reitstadion diesen Sommer wieder Rap-Rodeo angesagt: Das MTV HipHop Open meldete sich zurück und konnte mit dem Wu-Tang Clan und dem wiedervereinigten Freundeskreis im Line-Up das Booking schlechthin aufbieten. Ein kompakter Festivaltag mit Höhen und Tiefen, Absagen, Überraschungsgästen und drei komplett unterschiedlichen Headlinern.

Nach der Pause im Vorjahr war im Stuttgarter Reitstadion 2007 wieder Reim-Rodeo angesagt: Das MTV HipHop Open meldete sich nämlich zurück und konnte mit dem Wu-Tang Clan im Line-Up das Booking seiner Festivalgeschichte schlechthin aufbieten. Kein Kollektiv ist in HipHop-Kreisen legendärer. Mit acht Superstars an Bord ist wohl kaum ein Act schwerer zu buchen als der gesamte Clan. Des Weiteren konnte man sich auf 10 Jahre Freundeskreis freuen, die in 0711 ein Heimspiel hatten und das mit einer exklusiven Show zelebrierten. Dritter Headliner in der Stadt Mercedes Benz war Jan Delay mit seiner Band Disko No. 1 und seinem Album Mercedes Dance.

Den Anfang in den frühen Morgenstunden des Festivaltages machte Nachwuchreimer Umse, der über Myspace für einen 20 Minuten Auftritt ins Line-Up gevotet wurde. Die nächsten beiden Acts eigneten sich optimal um den Stimmungsbarometer kontinuierlich in die Höhe zu treiben, denn die durchgeknallten K.I.Z.-ler aus Berlin und Beatbox-Entertainer Leeroy von der Saïan Super Crew sind dafür prädestiniert. Die Mittagszeit gehörte dem türkischen Rapstar Ceza und Prinz Pi formerly known as Porno. Nachdem Marseilles finest IAM leider die komplette Tour absagen mussten, da sich Frontmann Shurik’n eine Kehlkopfentzündung zugezogen hatte, erschien einzig IAMs Freeman zusammen mit dem algerischen Rapper K rhyme le roi, um Marseille doch noch gebührend zu vertreten. Seeed-Sänger Demba, den man seit diesem Jahr auch durch sein Soloprojekt Boundzound kennt, war als nächster an der Reihe, um seine energiegeladene Mischung aus Dancehall, Dub, Reggae und Electro zu präsentieren. Das Reitstadion war nun gut gefüllt, die Party in vollem Gange und die ersten Kids von der überrepräsentierten Polizei schon längst abgeführt.

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Erste kleine Enttäuschung dann, als Host D-Flame verkündete, dass Lady Sovereign ihren Flieger verpasst hatte und deshalb durch die Augsburger-Puppenkisten-Rapper Puppetmastaz vertreten wird. Weiter nach Plan ging’s dann mit der Soloshow von Rap’s eigenem Joe Cocker: Nordlicht Dendemann. Abgebrüht und reich an Bühnenerfahrung scheinen 13.000 HipHopper für Dende mittlerweile auch kein Grund mehr für Nervosität zu sein. Souverän steht er allein mit DJ Suro auf der Bühne um Stücke wie Endlich Nichtschwimmer, Es Hört Nicht Auf, Check Mal Die Rhetorik Ab oder einen kleinen Auszug seiner R’n’B-Nummer 3 1/2 Minuten mit seiner gewohnt basskratzigen Stimme zu performen. Eine gelungene One-Man-Show.{image} Danach folgt eine kurze Einlage von Beatbox-Virtuose Scratch, der heute die Abwesenheit von Killa Kela kompensiert, ehe die schon erwähnten Puppetmastaz im wahrsten Sinne des Wortes die Puppen tanzen lassen. Natürlich begleitet die Festivalbesucher im Hinterkopf immer die Frage ob denn Wu-Tang nun wirklich komplett ist und auch der bei der Deutschland-Tour bisher fehlende Method Man nachgereist ist. Zunächst hieß es noch gespannt abwarten, da Blumentopf die nächsten im Programm waren. Leider wird der Topf seinem Ruf als eine der besten live-Acts im deutschen HipHop heute nicht gerecht und zeigt nur eine durchschnittliche Show. Die Live-Band versagt anfänglich aufgrund des als Ersatz eingesprungenen Schlagzeugers und auch die überbrückenden Freestyles und das Acapella zu Liebe & Hass wissen nur annähernd zu vertrösten. Da hat man live schon besseres von den fünf Münchnern gesehen. Party Safari und Horst bewegen den Großteil der Crowd dann aber doch noch zum munteren auf- und abspringen.

Danach bekommt das Publikum ein neues Gesicht, denn die Differenz der Zielgruppen zwischen Wu-Tang Clan und Blumentopf sind doch recht weitgreifend. Die Instrumente kommen weg, dafür steht anschließend Mathematics an den Decks. Kaum zu glauben: RZA, GZA, Inspecktah Deck, Ghostface Killah, Raekwon, U-God, Masta Killa, Method Man und sogar Cappadonna aus der erweiterten Wu-Familie entern tatsächlich komplett die Bühne. 10.000 mit Händen geformte „W“, die auf- und abwippen, sind nun zu sehen. Gänsehaut. Gigantisch was hier passiert. Allein der schwache Sound scheint dem Ganzen einen kleinen Dämpfer zu verpassen, doch den Text zu Wu-Tang Clan Ain't Nuthing Ta F' Wit können die Fans problemlos beisteuern. Die 10-Mann-Armee aus Staten Island auf der Bühne zu sehen gibt ein unbeschreibliches Bild ab. Wieder einmal bekommt Nas für seine „HipHop is Dead“-Aussage eins drauf: Wie kann HipHop tot sein, wenn Wu-Tang forever ist? Der Sound bessert sich zunehmend, nur GZA’s Mic scheint einfach nicht richtig funktionieren zu wollen. Die ganze Palette an Klassikern wird jetzt geboten. Ein Mix aus allen Alben und auch Solostücke werden performt: It's Yourz, Reunited, Triumph, Tearz, Shame On A Nigga, Uzi (Pinky Ring), Gravel Pit, Da Rockwilder, Liquid Swords, Ice Cream und noch mehr. Im fliegenden Wechsel tauschen die Clan-Member ihre Positionen, der hervorragend aufgelegte Meth verschwindet zwischenzeitlich sogar komplett im Publikum. Besondere Highlights markieren die Stücke M.e.t.h.o.d Man und C.R.E.A.M. sowie natürlich die Widmungen an den verstorbenen Ol’Dirty Bastard in Form von Brooklyn Zoo und Shimmy Shimmy Ya. Auch das im Herbst diesen Jahres zu erwartende Album The 8 Diagramms wird vorgestellt, ehe eine der gigantischsten Rap-Auftritte der europäischen Festivalgeschichte zu Ende geht. Der zwischenzeitlich kurz andauernde Regen wird nur von den wenigsten im Publikum wirklich wahrgenommen.

Die nächste Frage ist, wie Headliner Jan Delay an so einen Auftritt anknüpfen will. Doch die von Disko No.1 ausgezeichnet gespielte Disco-Funk Mischung kann sich dafür besser nicht eignen. Ein komplett neues Konzert, das lockerlebig mit vielen Covers auskommt. Die Festivalbesucher zeigen sich in Tanzlaune und Jan Delay besticht mit Topform. Nach D-Flame und Dendemann komplettiert Eißfeldt das Extrem der deutschen Stimmvielfalt mit seinem Organ. Zwischendurch echauffiert er sich immer wieder humoristisch über Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger, dem er die Schuld für das große Aufgebot an Wachmännern auf dem HipHop Open zuweist. Feuer, Vergiftet und Klar sind nur ein paar der gespielten Hits. Die Lichteffekte und Überraschungsgäste das Bo, Samy Deluxe, sowie den in die Show eingespannten D-Flame lassen auch hier den zeitweiligen Regen fast vergessen. Nach vehementen Forderungen gibt’s diesmal auch die erste gespielte Zugabe, bei der Delay für eine White Stripes Variation von Seven Nation Army den Platz mit dem Drummer tauscht. Das HipHop Open unterstreicht, dass ein Festival mit über 10.000 Besuchern mittlerweile auch mit zwei deutschen Acts als Headlinern auskommt, die Strategie geht voll auf.

Mit Einbruch der Dunkelheit betreten Don Philippe, DJ Frico und Maximilian vom Freundeskreis mit ihrer Band die Bühne des Open Airs vor heimischer Kulisse. Die Stimmung wurde schon beim Akustikgitarren-Soundcheck deutlich melancholischer. Mit Esperanto und Afrob aus der Kolchose als Back-up beginnt der letzte Höhepunkt des diesjährigen HipHop Open. Auch Max Herres angetraue Joy Denalane unterstützt mit ihrer sanften Soulstimme den Freundeskreis zum 10-jährigen Jubiläum. Umso erstaunlicher, dass auch Cassandra Steen von Glashaus erscheint, um Max bei Wenn der Vorhang fällt mit souligem Gesang auszuhelfen. Passend zum wechselhaft regnerischen Wetter wird die imposante Liveshow mit Anna fortgeführt, die Menge ist das Strandgut. Für Tabula Rasa erscheint mit Sékou ein weiterer Gast am Mikrophon. Die Atmosphäre ist sehr herzlich und familiär. Unbeschreiblich, wenn 13.000 Feuerzeuge Licht zu Mit Dir für Max und Joy leuchten und später der neue Freundeskreis-Track Prinzip Hoffnung präsentiert wird. Ein mehr als gebührend rührender Geburtstag.

Ein kompakter Festivaltag mit Höhen und Tiefen, Absagen und Überraschungsgästen (die Spezializtz durften auch noch spontan auf die Bühne um Gras, Becks und Zärtlichkeit zu zelebrieren), der am Ende gerade durch die drei komplett unterschiedlichen Headliner-Konzerte zu einem rundum gelungenem Fest gewachsen ist.