The Sea and Cake - Brotfabrik, Frankfurt.
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The Sea and Cake - Brotfabrik, Frankfurt. Fotos: Laurent Orseau (lorseau.hinah.com) © Laurent Orseau

Mit ihrem achten Album (Everybody) im Gepäck meldeten sich The Sea and Cake nach vier Jahren Stille nun auch live wieder zurück.

The Sea and Cake waren eine der großen musikalischen Entdeckungen der 90er Jahre. Zusammen mit der Band fand man auch das bis dahin nahezu unentdeckte musikalische Repertoire einer interessanten Stadt: Das „Indie“-Chicago erwies sich als der eher ruhige, von Rock, Folk und Jazz beeinflusste Gegenpol zum „House“-Chicago. Mit Bands wie Tortoise, Gastr Del Sol, Isotope 217 und eben The Sea and Cake wurde der Post-Rock geboren. Eine Heimat fanden TSAC auf Thrill Jockey Records, ihr selbstbetiteltes Debüt trägt dort die Nr. 016 und bis heute blieb die Band dem Label treu.

Nr. 186 ist das vor wenigen Wochen erschienene Album Everybody, mit dem sich TSAC nach 4 Jahren Pause zurückmelden. Etwas rock-orientierter produziert kommt es daher, doch nach wie vor finden sich alle Elemente wieder, welche die Musik von Sam Prekop (Gitarre&Gesang), John McEntire (Drums), Eric Claridge (Bass) und Archer Prewitt (Gitarre) auszeichnen: Minimalistisch klingende Rockmusik, sehr jazzig, immer federleicht, trocken vorgetragene Melodien, immer auf Gratwanderung zwischen Melancholie und zurückhaltender Freude, die Gitarren glasklar, die Drums einfalls- und abwechslungsreich, der Bass vernarrt in eingängige, pentatonische Läufe mit hervorstechenden Quartsprüngen. De:Bug fasst in einem Interview mit Sam Prekop zusammen: “The Sea and Cake spielen seit dreizehn Jahren in derselben Besetzung annähend die gleichen Stücke.” Nun endlich, mit der aktuellen Veröffentlichung, dem achten Album im Gepäck, auch wieder live.

Vergangene Woche fanden sich in der Frankfurter Brotfabrik vornehmlich Fans ein, deren Altersdurchschnitt man entnehmen konnte, dass sie TSAC nun seit einer ganzen Weile schon die Treue halten. Es herrscht eher ruhige Stimmung im Vorfeld des Auftritts – in Erwartung der relaxten Musik entspannt man sich bei Smalltalks und Drinks. Die schöne Location kommt dem zu Gute. Die Entspannung weicht erster Verwunderung, als The Sea and Cake die Bühne betreten und einer der Hauptakteure offenbar nicht dabei ist: Der Platz am Schlagzeug wird von einem jungen Drummer (“Brian”; weiteres ist uns leider unbekannt) eingenommen, nicht jedoch von McEntire. Während sich die beiden optisch zwar ähneln – wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist jedoch die weit größere Anzahl an Tattoos beim Stammdrummer von TSAC und Tortoise – fallen die musikalischen Unterschiede sofort auf. Deutlich geradliniger spielt der junge Schlagzeuger, sehr kraftvoll, aber dementsprechend weniger leicht, sanft und den Gesamtklang auflockernd. Fill-Ins bringen ihn gelegentlich ins Schleudern, doch alles in allem fügt er sich trotz dieser Punkte gut in die Band ein.

Kritikwürdiger ist da schon der Sound während der ersten halben Stunde des Gigs. Die Bassdrum ploppt zu hell, das Mikro an der Snare liefert die Schläge gleich doppelt aus, die eigentlich so differenzierten, von Fender-Combos verstärkten Gitarren verlieren sich im anfänglichen Brei. Festhalten müssen sich die Zuhörer also vorerst am sicheren Bassspiel von Claridge und Sam Prekop geht es mit dem Bühnensound der Monitore ebenso: Sehr oft verleiht er seinem Unmut über die Akustik Ausdruck, was in der Folge auch zu allzu langen Pausen zwischen den einzelnen Titeln führt. Leider kommt die typische Post-Rock-Mentalität hinzu, denn diese Pausen werden von den Musikern nicht durch Kommunikation mit dem Publikum gefüllt. Dieses muss sich mit kurzem “thanks” begnügen und der Dinge harren. Ein flüssiges, souveränes Konzert kommt deshalb anfänglich nicht zu Stande. Dann jedoch, nach den ersten 5 oder 6 Songs, scheint Prekop die missliche Lage mit einem Achselzucken und zwei lakonischen, vor sich hin gemurmelten Sätzen zu akzeptieren – plötzlich kehrt auf der Bühne jene Gelassenheit und Unaufgeregtheit ein, die es der Band erst ermöglicht, ihre Songs mit dem typischen Klang- und Gefühls-Stempel auszuzeichnen. Auch der Gesamtsound bessert sich von der Mitte des Konzertes an bis zum Ende hin noch deutlich. So entwickelt sich der Abend nach dem zum Stirnrunzeln anregenden Beginn doch noch in das erwartet tolle Konzert, bei dem TSAC ein Programm aus allen bisherigen Veröffentlichungen auf die Bühne brachten: Jacking the Ball vom Debutalbum, The Biz, The Argument (von The Fawn) oder Parasol (auf Nassau) waren die herrausstechenden Klassiker neben dem neuen Material von Everybody. Leider war das Konzert durch den verpatzten Beginn genau an jenem Punkt zu Ende, an dem die Zuhörer sich gerade vollkommen auf TSAC eingelassen hatten und die allgemeine Stimmung eine hervorragende Atmosphäre schuf. Die Prämisse, man solle aufhören, wenn es gerade am schönsten sei, wurde einen Tick zu früh zur Anwendung gebracht.

So bleibt von dem Abend in der Brotfabrik ein zwiespältiger Eindruck zurück: Das Bewusstsein darüber, wie gut es hätte werden können, falls gleich zu Beginn “alles gepasst” hätte, verleidet ein wenig die eine gute Stunde, in der The Sea and Cake alles aufblitzen ließen, was sie auszeichnet: Tolle Melodien von Bass und Gesang, reduzierte aber genau passende und durchdachte Gitarren und Soli, schwelgerische Stimmung und alles zusammen genommen eine Musik, die in der Lage ist, Zuhörer aus dem Alltag herauszureißen und ihnen eine bleibende Unbeschwertheit mit auf den Weg zu geben ohne durch falsche Versprechungen beeindrucken zu wollen.

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