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Komplexer und experimenteller Post-Rock hat es schwer in Zeiten, in denen die Mehrzahl der Alternative-Bands auf das gleiche Repertoire an Gitarrenriffs zurückgreift und damit den Mainstream-Sound prägt. 31 Knots schafften es dennoch, etwa 150 Fans in den Wiesbadener Schlachthof zu ziehen. Und diese erlebten einen wuchtigen Auftritt einer der aktuell ausgefallensten und innovativsten Bands. Auch der Support Delbo aus Berlin konnte begeistern.

Havarien nennt sich das aktuelle Album von Delbo. Solch einen Unfall in Form eines schlechten Gigs muss es vergangenes Jahr im Schlachthof gegeben haben. Auf die Frage von Sänger Daniel Spindler, wie viele Besucher dieses Abends auch im vergangenen Jahr anwesend waren - bei dem "saumäßigen Gig" - melden sich nur 2 Zuhörer mit emporgereckten Armen. Diesmal läuft es besser und Delbo überzeugen mit ihrem melancholischen Post-Rock oder Noise-Pop auf ganzer Linie. Schräges gibt sich mit eingängigen Passagen die Klinke in die Hand, immer wieder wandert die Gitarre von Tobias Siebert auf harmonisch abstrakteren Pfaden, durchweg angetrieben von der Power Florian Lünings an den Drums. Das unprätentiöse, gelassene und freundliche Auftreten der Band fügt sich in dieses positive Bild ein. Zwei Probleme teilen sich Delbo jedoch mit dem Headliner des Abends: Der PA-Sound ist nicht so recht differenziert und die Songs bleiben nicht sofort im Ohr haften. Aber auch dies haben sie mit den 31 Knots gemein: Die Songs wachsen durch mehrmaliges Hören.

Mit dem Material von 31 Knots war das Publikum bereits vertrauter und konnte sich über das Beste aus den bisherigen Veröffentlichungen freuen. Den Grundstock dieser Tour bilden freilich die Songs des aktuellen Longplayers The Days and Nights of Everything Anywhere. Die Highlights dieser Veröffentlichung waren Man Become Me, The Days And Nights Of Lust And Presumption/Imitation Flesh und Savage Boutique. Doch auch Titel vergangener Alben konnten live ebenso glänzen wie in gepresster Form, ganz besonders Welcome To Stop von der EP The Curse Of The Longest Day.

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31 Knots brannten ein wuchtiges Post-Rock Feuerwerk auf der Bühne ab. Bass, Gitarre und Schlagzeug des Trios bilden dabei nur den Grundstock, weitere Riffs, Vibraphon-, Keyboard- und elektronische Sounds werden als Samples eingespielt. Jay Pellicci, Joe Haege und Jay Winebrenner zeigen sich dabei durchweg als hervorragende Instrumentalisten und Haege darüber hinaus auch als eindringlicher Sänger und als ein Frontmann, der eine gepflegte Bühnenshow nicht scheut. Gern steigt er von der Bühne, um das Zentrum des Geschehens mitten ins Publikum zu verlagern.

31 Knots liefern keine einfach zu verdauende Kost. Hier geht es an die Grenzen des rhythmisch und harmonisch machbaren, ohne dabei das Gefühl für tragende und wiederkehrende Melodien zu verlieren. Die Band in eine der üblichen Genre-Schubladen zu stecken und mit einem dauerhaft gültigen Label zu versehen, scheint unmöglich. Man ist gezwungen sich darauf einzulassen, dass ein eingängiges Riff schon im nächsten Takt demontiert wird, bevor Sekunden später ein schräges Gitarrensolo die nächste Welt eröffnet. Die Drums sind im Vergleich dazu fast schon minimal gehalten, dafür aber von brachialer Rohheit und begeisterndem rhythmischen Einfallsreichtum geprägt. Schnelle Bassläufe im Wechsel mit markanten Akzentuierungen stützen das trotz aller Komplexität einsturzsichere musikalische Gebäude. Die Band versteht Musik noch ganz als Kunstform, als Experimentierfeld mit einer in die Zukunft weisenden Entwicklung.

Sicher gibt es ausreichend musikalische Referenzen, sei es nur das "Zappaeske", Prog-Metal-Einflüsse oder die Rock-Roots. Schade, dass sich die Qualität dieser Band aus Portland noch nicht weiter herum gesprochen hat und größere Zuschauerzahlen garantiert. Sie stemmen ihre Europatour durch eigenes Anpacken und Fan-Support. Soundcheck, Mischpult, Merchandising-Stand, Auf- und Abbau… – überall wird selbst Hand angelegt oder auf lokale Unterstützung gesetzt: "We would like to show our gratitude for those of you who have supported us, via buying our wares, buying us a drink, letting us sleep in their spare bedroom or on their floor and feeding us a meal. It does not go unnoticed or unappreciated. If it weren’t for people like you we would have quit doing this a long time ago" heisst es auf der eigenen Webseite in Richtung der Fans. Bei einem Ticketpreis von gerade mal 10€ bleibt dann auch in Wiesbaden bei genügend Zuhören etwas Geld übrig, um nach dem Gig den Merchandising-Stand zu plündern. Dort fand sich übrigens noch ein kleiner Verweis in die Zukunft: Wer das aktuelle Album für 15€ auf Vinyl ersteht, erwirbt damit automatisch einen Code, um sich die Songs in guter MP3-Qualität aus dem Netz auf den Rechner zu laden und dort zu spielen oder auf CD zu brennen. Fairer Deal - der ganze Abend.

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