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Pünktlich zum Veröffentlichungstermin seines großartigen Albums „The Longest Meow“ findet sich Bobby Bare Jr. im Studio seines europäischen Labels Hazelwood in Frankfurt ein, um die Örtlichkeiten kurzerhand in einen Live-Club umzuwandeln. Auch wenn er „nur“ zwei Mitstreiter mitgebracht hat – die Spektren von Bluegrass bis zu elektrischem Soundgewitter werden in allen Nischen farbenfroh ausgeleuchtet.

Das Hazelwood Studio, das durch Kombinationen aus u. a. Backstein, Holz und Kork klarstellt, dass es im Studio aufs Wohlfühlen ankommt, hat mittels einer kleinen Bühne für solche Anlässe vorgesorgt. Die Atmosphäre entspricht der Selbstdarstellung des „Labels für den toleranten Stoiker“, das neben dem Flaggschiff Mardi Gras.bb solche Leckereien wie King Khan, Puts Marie oder DM Bob & Country Jem auf die Menschheit loslässt. Nur, dass im angenehm gefüllten Studio an diesem Abend der Stoizismus zumindest oberflächlich einer ausgeprägten Feierfreudigkeit weicht.

Den Anheizer macht ein Trio, das so frisch ist, dass auch der Name noch nicht als 100%ig gilt, einstweilig aber: Kenneth Niners (Liners - ?). Eine akustische Angelegenheit, die am Tamburin und am Bass von Steven Gaeta (Kool Ade Acid Test) unterstützt wird und alles in allem zwar Laune macht, aber – gerade wenn man Gaetas sonstige Performances kennt – noch ein wenig unausgegoren wirkt.

Flugs darauf entert Lockenkopf Bobby die Bühne, gefolgt von Aaron Ford (Forget Cassettes) und Corey Younts (My Morning Jacket). Um Bobby herum wieselt gewöhnlich eine Art „All Star“-Szene (auf Longest Meow ist u. a. Trail of Dead-Drummer Doni Schroeder zu hören, Lambchop-Mitglieder zählen zu seinem Dunstkreis), daher erscheint diese Besetzung zunächst minimalistisch, wenn auch einem gemütlichen Studio-Gig angemessen. Zumal Schlagzeuger Aaron erst mal unbeteiligt hinter der Bude Platz nimmt und mit einem Blick, der auch besagen könnte „oh my, nicht schon wieder dieses langweilige Gehunze“, verfolgt wie Bobby Jr. und Corey Younts mittels Banjo, Gitarre und Mundharmonika Nashville nach Frankfurt holen. Nicht zuletzt durch Bobbys Stimme, mit der er problemlos auch jeden zweitklassigen Country-Song mit Seele und Leben füllen könnte. Nicht, dass das Studio-Publikum von Bobby auch nur ansatzweise mit Zweitklassigkeit behelligt würde. Der Mann hat eine Präsenz, die auch vom linken Bühneneck, das er sich dezentral ausgewählt hat, locker den Raum einnimmt, ohne seine Mitmusiker zu erdrücken.

Nach ein paar Songs wird die verratzt aussehende Westerngitarre gegen eine elektrische Gibson SG getauscht, Corey stellt das Banjo weg und begibt sich an die Tasten, auf denen nun auch ein Bass simuliert wird und auch Aaron Ford wacht auf und darf mitmischen. Was er in einer Manier tut, die die Vermutungen aufkommen lässt, dass es sich hier um einen Manisch-Depressiven, einen Hochleistungssportler (auf den Punkt 120%ig fit) oder einen der unterhaltsamsten Schlagwerker östlich von Nashville handelt. The Heart Bionic, das auch schon das Album zu Anfang wunderbar nach vorn reißt, gerät zu einem ersten Höhepunkt – now we got electric blood. Völlig klar nun, dass auch zu dritt gerockt wird, dass die Wände wackeln und das bei einem Sound wie man ihn live eigentlich nirgendwo bekommt. Studioqualität eben.

Bobby und Genossen fackeln nun ein Feuerwerk an Coolness und Spielfreude ab, das sich gewaschen hat. Die Locken werden geschüttlet, Aaron lässt dem Wahnsinn freien Lauf, salutiert, zieht Grimassen und bearbeitet die Felle, dass einem Angst und Bange wird. In der vorderen „Reihe“ ist Bobbys Bruder zu finden, der laut seinem musizierenden Blutsverwandten heute Abend den Job hat Party zu machen. Was von ihm auch mit Inbrunst, gründlich und akkurat – eben der Performance auf der Bühne entsprechend - erfüllt wird. Die Brücke von Folk und Country zu wahren Rockmonstern mit Avantgard- und Psychedelic-Elementen wird genauso geschlagen wie auf Platte, stetig gewürzt von Bobbys fantastischem Gesang. Wieso gibt es in Deutschland keine Sänger diesen Schlages? Als Zugabe gibt’s im Alleingang den auch auf Longest Meow zu findenden Pixies-Überklassiker Where is my mind, direkt gefolgt von Wave of Mutilation. Weiter wieder mit Begleitung, im anschließenden Song spielt Frank Black, mit dem Bobby auch die eine oder andere Zusammenarbeit vorweisen kann, zumindest textlich noch eine Rolle, „Francis Black“ und „Motherfucker“ sind jedenfalls rauszuhören.

Noch 1-2 Gewitter und die Herren verabschieden sich um „to dance with the ladies“. Ein formidables Konzerterlebnis, das außerdem noch eine absolute Besonderheit aufzuweisen hatte: Trotz gewaltiger Lautstärke keinerlei Nachwehen in Form von Pfeiftönen. Die Jungs von Hazelwood wissen auch technisch wie man’s macht.