Clueso beim Interview mit regioactive.de
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Clueso beim Interview mit regioactive.de Photos: Jonathan Kloß © regioactive.de

Wie das Tourleben so spielt: Clueso trifft mit einer kleinen Verspätung im Club und zum Interviewtermin ein. Schuld daran war der Tourbus, der schon am ersten Tag der Tour kurz nach Erfurt an einer Raststätte den Geist aufgab. In der verbleinden Zeit zwischen Ankunft und Soundchek stand Clueso regioactive.de Rede und Antwort.

Fangen wir vielleicht einfach mal mit dem bevorstehenden Konzert an: Bist du schon aufgeregt oder eher etwas gestresst, nachdem der Tourbus schlapp gemacht hat?

Clueso: Ach, so ne Mischung aus beidem, aber das hat man ja eh nicht im so Griff. Wie gesagt, der Bus ist jetzt kaputt, also mussten wir die ganze Technik erst mal raus räumen, hierher fahren und konnten letztendlich gar nicht komplett aufbauen. Das ärgert mich schon ein bisschen, vor allem weil wir unsere übliche Lichtshow nicht machen können und auch von der Technik her ist jetzt eben anderer Kram da. Normalerweise hab ich Innenmonitorsound aufm Ohr. Na ja, das Konzert wird trotzdem irgendwie rocken. Meine Band tut mir ein bisschen leid, weil ich bei den letzten Proben nicht das alte Set spielen, sondern gleich ein paar neue Sachen ausprobieren wollte. Wir haben eben gedacht, dass wir das beim Soundcheck noch mal durch gehen könnten, aber so wie's aussieht, werden wir das wohl live und direkt vor den Leuten machen.

Zum Thema live: Was genau bedeutet es denn für dich persönlich, auf der Bühne zu stehen?

Clueso: Ich denk als Künstler muss man das mitbringen, also dass man da drauf einfach Bock hat. Bei mir ist das, wie bei vielen Künstlern auch, so ein bisschen schizophren. Also im normalen Leben bin ich eher zurückhaltend, bis mich die Leute kennen lernen, geh dann aber trotzdem auf die Bühne, dadurch hab’ ich auch meinen Namen bekommen, Inspektor Clueso. Ich bin auf jeden Fall nicht so der Konzeptmensch, auch auf der Bühne nicht. Es wird zwar vorher eine Setlist festgelegt und ich mach mir auch nen Kopf, aber ich arbeite jetzt nicht Monate lang was aus, sondern bau dann auf die Erfahrung und den Moment.

Norman Bates begleitet dich ja schon seit längerem bei deinen Auftritten. Seid ihr nur ein Team der Arbeit wegen, oder hat’s bei euch menschlich auch einfach gepasst?

Clueso: Ja, menschlich passen wir nicht so zusammen. (lacht) Ne war’ n Gag. Wir sind natürlich seit Jahren befreundet und machen zusammen Musik. Ich hab ein ganz großes musikalisches Umfeld, nicht nur MC ’s, sondern auch viele andere Leute. Aber meine alte Crew, das sind alles Leute, die Musik machen und rappen. The Rhythm Club ist ein anderes gemeinsames Album und Projekt, das wir raus gebracht haben und Bates ist daraus dann quasi noch mal neu entsprungen. Also ist er eben mit auf Tour gekommen und auf Tour sind wir einfach das „Double Dream Team“. Wir wissen ganz genau, wann der andere den andern braucht,  sozusagen wie man sich decken kann. Aber Bates ist natürlich auch eigenständig, mit seinem ersten Album, was er heute Abend auch quasi als Vorband performen wird.

Wenn man auf den Anfang deiner Karriere zurück blickt: Bist du in die Musik einfach rein „gerutscht“ oder wie hat das angefangen?

Clueso: Es fing eigentlich alles mit Tanzen in ’ner Disco an. So’ n paar Zigeuner haben uns dann eben so’ n bisschen Break-Dance beigebracht und da hat man auch schnell bemerkt, dass der kleine Floh immer in die Mitte will. Tja, und so sind wir in die Hip Hop Szene rein gerutscht, also wir haben eben Leute kennen gelernt, die DJ gemacht haben. So bin ich dann auch zur Musik gekommen. Ich hab’ Musik produziert, weil ich so’ n Kumpel mit nem Programm hatte, mit dem man Beats bauen konnte. Seit dem hab mich in die Musik verknallt und lass alles andere dafür sausen.

Hast du noch Erstaufschriebe, aus der Zeit, als du angefangen hast zu texten? Und schaust du sie dir manchmal noch an und fasst dir dabei dann an den Kopf?

Clueso: Ich denke, sowas macht man als Musiker eigentlich selten. Auch wenn zum Beispiel 'ne Platte fertig ist, dann geb’ ich die den Leuten, also gehört sie praktisch nicht mehr mir. Aber wenn man einfach ein bisschen Abstand hat, also wie zum Beispiel bei Text und Ton, was jetzt schon sehr lange her ist ... Das hör ich mir zwar nicht oft an, aber dann eben doch schon mal, zum Beispiel auf 'ner Fahrt weil es irgendjemand dabei hat. Dann bin ich schon fasziniert, auf was für Ideen man damals gekommen ist, aber merke zugleich eben auch wie unausgereift es an manchen Ecken noch klingt.

Und wenn dann so ein Song fertig ist, wie gehst du damit um, wenn Kritik daran ausgeübt wird? Oder kommt es drauf an, von wem sie kommt?

Clueso: Kritik? Überhaupt nicht! (lacht) Ich glaube in einer Phase, in der irgendetwas neu entsteht, dann mach ich die Türen zu und da kann mir niemand was sagen, weil ich nicht weiß, ob er Recht hat oder nicht. Das ist wie wenn man ein Bild malt: Da kommt dann einer und meint „Ach, ist das nicht 'n bisschen viel da unten in der Ecke“ oder so. Du stehst halt zwei Zentimeter vor nem riesigem Bild, hast nicht so den Überblick. Wenn ein Song dann fertig ist und ich den geil finde, dann können die Leute sagen, was sie wollen, es hat immer seine Berechtigung, warum der Song so klingen muss. Es ist eben ein Zeitdokument.

Hast du dadurch und durch die investierte Zeit und Liebe dann auch persönliche Lieblingslieder deiner Arbeit?

Clueso: Nee, eigentlich nicht, das ist ein bisschen so wie bei der Musik, also immer ein bisschen stimmungsabhängig und das eben auch auf der Bühne. Es gibt halt Songs, auf die steh ich jetzt mehr, weil sie einfach mehr zur Sache gehen und ich das grad brauche und es gibt dann eben auch Phasen, in denen ich die ruhigeren Songs mehr mag. Ich find's bei Chicago einfach interessant, dass der Song so lange hält, also das so viele Leute ihn mögen und wir ihn trotzdem selber noch geil finden. Das passiert ja dann schnell, dass man als Band die Faxen dicke hat, aber alle Fans wünschen sich das Ding. Love the People ist auch ein Song, der live und natürlich auch auf Platte nach vorne geht, den ich sehr mag. Die ausgereiftesten Songs sind natürlich immer die beseelteren, eher ruhigeren Werke, zum Beispiel Kein Bock zu gehen, was ja auch sozusagen der erste große Song für mich war und wo es sich abgezeichnet hat, in welche Richtung meine Musik mal gehen wird.

Dein Bruder ist ja auch musikalisch aktiv, unter anderem auch mit dir. Er hat unter anderem bei Sag mir wo und deiner neusten Single Out of Space mitgewirkt. Mischt er regelmäßig bei deinen Sachen mit oder ist er so einer, der auf jeden Fall noch mal drüber hören muss?

Clueso: Also mein Bruder hat auf jeden Fall ein wahnsinnig sensibles Ohr, was Musik betrifft. Er macht eben auch wie ich Musik, ohne es konkret gelernt zu haben, wobei er mehr so Drum’ n Bass macht, also mehr so „Chill out“ Musik. Er produziert jetzt auch ein paar Hip Hop Jungs in Köln. Und ja wie gesagt, er hat eben ein ganz feines Ohr und auf seine Kritik leg ich schon viel Wert. Da müsst ihr mal bei MySpace nachschauen, bei Mr. Kato.

Zum Schluss noch was zur bevorstehenden Tour mit Herbert Grönemeyer. Freust du dich drauf, erhoffst dir noch ein paar Tricks und Kniffe abzuschauen und geht da für dich ein kleiner Traum in Erfüllung?

Clueso: Ja, beides. Also, was heißt Traum, das ist der absolute Oberwahnsinn für’ n Musiker auf ner Tour mit 900 000 Tickets im Verkauf zu spielen, also quasi ein Auftritt vor ner Millionen von Leuten. Und wenn wir nur raus gehen und sagen könnten „Hallo, wir sind Clueso. Tschüss!“ wäre das praktisch schon Werbung genug. Aber ich find’ Grönemeyer selber auch noch cool, is echt ein Idol. Ich hab auch viele Alben von ihm, kenn halt die Texte und find ihn als Künstler bewundernswert, weil er nicht jeden Scheiß macht, seinen Weg geht und immer am Nabel der Zeit ist. Es ist eine Ehre mit ihm auf Tour zu gehen. Einfach Wahnsinn, dass wir da überhaupt ins Gespräch gekommen sind und das machen können. Aber wir müssen die Tour selbst bezahlen, wir müssen also viele, viele Gigs spielen.

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