Bis zu den Knien im Matsch versinken, von Bier und Dosenravioli leben, jeglicher Körperpflege für drei Tage entsagen und laute Rockkonzerte genießen – das sind die typischen Dinge, die man von einem Festival erwartet. Was aber tun, wenn bis zur Festivalsaison noch einige Monate verstreichen müssen und man glaubt, es bis dahin nicht mehr aushalten zu können? Entweder man fügt sich in sein Schicksal oder man besucht die Southside/Hurricane Clubtour, um die Wartezeit auf den Sommer zu verkürzen.

Vier Bands haben den Weg in den Karlsruher Untergrund gefunden und zumindest musikalisch für einen Abend im Februar das lange vermisste Festivalfeeling mitgebracht. Bromhead Jacket aus England und die drei Amibands Plain White T’s, The Films und die frischgebackenen Grammy-Gewinner OK GO bilden den ersten Teil dieser Clubtour, dem in noch ein zweiter Teil mit Aereogramme als Headliner folgen wird.

Sprechgesang mit typisch britischem Akzent á la The Streets, gepaart mit krachenden Gitarren in bester Hardcore-Manie machen den Sound der drei Jungs von der Insel Bromhead Jacket aus. Ihre einfachen Songs gehen direkt ins Sprungelenk, von dem das Publikum an diesem Abend noch öfter Gebrauch machen wird. Trotzdem haben sie einen sehr eigenen Stil, der nicht ohne weiteres mit dem der anderen Bands zu vergleichen ist. Bromhead Jacket sind genau der richtige Opener für so eine Veranstaltung, sie setzen gleich zu Beginn ein Ausrufezeichen und rocken mehr als ordentlich.

Nach den Engländern sind nun die Amerikaner dran. Die Plain White T’s sehen wie eine typische Schülerband aus und bieten Poppunk, der Mädchenherzen höher schlagen lässt. Die Songs sind sehr eingängig und leider auch ein wenig glatt. Von einer Band, die extra aus den USA kommt um hier Konzerte zu spielen, wünscht man sich doch ein wenig mehr Tiefgang. Trotzdem rocken die fünf solide ihr Set und die Leute scheinen den Plain White T’s nicht abgeneigt zu sein. Nach einer dreiviertel Stunde und obligatorischer der-Junge-mit-der-Gitarre-Ballade verabschiedet man sich und schon steht nach kurzer Umbaupause der nächste Act auf dem Programm.

Dass man sich im Süden der USA nicht nur die Türen seines Autos zuschweißt und sich die Rebellenflagge auf dem Dach von Jessica Simpson polieren lässt, beweisen The Films aus South Carolina. Die Jungs bieten feinsten Rock’n Roll mit 60’s Gesang und Ohrwurmcharakter. Eine Menge „YeahYeahs“ spornen das Publikum zum kollektiven Ausflippen an und es wird getanzt und gerangelt. Die Rythmusfraktion spielt geradeheraus und schnörkellos, bezeichnenderweise kommt der Drummer völlig ohne Tomtoms aus. The Films machen Druck und lassen die Leute nicht eine Sekunde zur Ruhe zu kommen. Eine Band, die 10.000 Menschen sicher genauso mitreißen kann wie 100.

Vier Männer + acht Laufbänder = Grammy. Diese Formel zeigt den Weg, den OK GO eingeschlagen haben. Die Band gibt es zwar schon seit 1998, aber erst das millionenfach geklickte Video zu Here we go auf youtube brachte den Erfolg, der kürzlich mit einem MTV-Videoaward und einem Grammy auch greifbar wurde.

Unabhängig von der Musik sind OK GO auf jeden Fall die bestangezogenste Band des Abends, auch die Interaktion kommt zu ihrem Recht: Gleich zu Beginn werden einige Tamburine ins Publikum geworfen, damit es den Beweis antreten kann, dass Deutsche doch Rhythmus haben. Doch auch selbst weiß man musikalisch durchaus zu überzeugen. Kurze, poppige Rocksongs, die ein bisschen an Weezer erinnern und eine coole Show bringen die Menge im Substage endgültig zum Toben. Sogar einige Specialeffects, beispielsweise Konfettikanonen kommen zum Einsatz. Um ein bisschen mehr „in Kontakt“ zu kommen, spielen OK GO drei Lieder mit Akustikgitarre und tragbarem Glockenspiel (!) auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum, das kurzerhand zu Beleuchtern degradiert wird und, mit Taschenlampen ausgestattet, die Jungs ins rechte Licht setzt.

Bei Here we go gibt es schließlich kein Halten mehr und man hat den Eindruck, dass mehr Crowdsurfer auf den Händen getragen werden, als zahlende Zuschauer im Substage sind. Bei der Zugabe wird schließlich noch mal tief in die Trickkiste gegriffen und rote, rauchende Gummischlangen zieren die Bühne. Ganz zum Schluss gibt’s noch einen Tanz. Und eine Rockband, die so gut tanzen kann wie OK GO hat sich ihren Grammy auch mehr als verdient.

Die Southside/Hurricane Clubtour Part I macht mit über vier Stunden Rockmusik verschiedenster Genres Lust auf einen Sommer mit vielen Festivals. Doch im Unterschied zu den Freiluftspektakeln krabbelt man nach dem heutigen Abend nicht völlig übermüdet in den klammen Schlafsack sondern geht nach Hause und kuschelt sich ins warme Bett. Festivalfeeling de luxe also…

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