Lambchop (live in Darmstadt, 2012)

Lambchop (live in Darmstadt, 2012) © Johannes Rehorst

In einem der Plattenläden meines Vertrauens hing einmal ein Zettel, auf dem ein Death-Metal Gittarist einen gleichgesinnten Drummer suchte, weil "man zu zweit noch mehr Krach machen kann." Lambchop funktionieren nach dem umgekehrten Prinzip.

Obwohl die Band häufig aus mehr als einem Dutzend Personen besteht, geht es der Band aus Nashville nicht darum, laute Rockmusik zu spielen. Es scheint vielmehr, dass sich die Band und vor allem ihr Songwriter Kurt Wagner das Ziel gesetzt hat, mit möglichst vielen Instrumenten möglichst leise und langsame Musik zu machen.

Ihre oft als "alternative country" bezeichnete Musik speist sich aus unterschiedlicheren Quellen als es diese Beschreibung nahelegt. Mit Bands wie den Jayhawks oder Son Volt haben sie jedenfalls wenig gemein, mehr hingegen mit Will Oldham (bzw. Bonnie "Prince" Billy) oder den Tindersticks.

Höchstmaß an Präzision

Bei ihrem Auftritt im gut gefüllten Mannheimer Capitol am Donnerstagabend stehen "lediglich" sieben Musiker auf der Bühne, drei Gittaristen, Klavier, Keyboards, Bass und Schlagzeug. Streicher und Bläser sind nicht vertreten. Die Band harmonisiert sehr gut und spielt überzeugend, vor allem Pianist Tony Crow und der junge Gitarist William Tyler.

Überhaupt ist es bemerkenswert, wie exakt und genau diese Band spielen kann, denn die delikaten Arrangements von Leadsinger und Gittarist Kurt Wagner erfordern ein Höchstmaß an Präzision und Konzentration.

Emotionen unter der Oberfläche

Im Mittelpunkt des Geschehens steht aber Kurt Wagner. Zu jedem Augenblick des Konzerts spürt man, dass Lambchop die Verwirklichung seiner musikalischen Vision ist. Oft nuschelt er mit leisem Sprechgesang seine Lieder in das Mikrofon, der Text ist dabei kaum verständlich. Dennoch vermittelt Wagner auf diese Weise eine seltene Intensität: Er bietet dem Publikum emotionale und persönliche Einblicke in seine Welt. Dass diese Welt etwas völlig anderes offenbart, als man von gewöhnlichen Rock/Pop-Bands gewohnt ist, macht es nur noch interessanter.

In den vielen ruhigen Momenten des Konzerts hat die Atmosphäre etwas Meditatives. Bisweilen lässt Wagner aber diese kontrollierte, in sich gekehrte Stimmung zurück und steigert die Dynamik des Gesangs und der Band. Wagner wirkt dann wie ein Getriebener, der gar nicht anders kann als die Emotionen dieser Lieder herauszulassen. Die abschließende Version von "Your Fucking Sunny Day" stellt in dieser Hinsicht sicherlich den Höhepunkt dar.

Mysteriös und zeitlos

Die Setlist besteht aus sieben Songs vom gerade veröffentlichen Album "Damaged", drei von "Is A Woman" und jeweils einem von "How I Quit Smoking", "Thriller" und "Aw C’mon". Da die neuen Songs größtenteils überzeugen, wird auch das neue Album die Erwartungen der Fans kaum enttäuschen. Das Publikum jedenfalls nimmt die Darbietung dankbar auf und lässt sich von den Liedern in ihren Bann ziehen.

Pianist Tony Crow erzählt häufig Witze, die auch Kurt Wagner amüsieren, bis zum nächsten Lied jedenfalls, das er dann aber so konzentriert angeht, dass die frisch angezündete Zigarette am Ende bis zum Filter heruntergebrannt ist. Die Stimmung ist nicht so ausgelassen wie bei einem "normalen" Rockkonzert, denn zum Mitsingen oder rhythmischen Klatschen sind diese Songs nicht geeignet, wie diejenigen schnell feststellen, die es doch einmal versuchen. Gelegentlich könnte man sogar den Eindruck erhalten, diese kompromisslose Musik benötige gar kein Publikum, so mysteriös und zeitlos erscheint sie.

Abschied von Kurt

Nach etwas mehr als 90 Minuten Spielzeit und der zweiten Zugabe, dem wirklich allerletzten Lied, wie Kurt Wagner verkündet, verabschiedet sich die Band. Das Publikum verlässt zügig das Gebäude und nur einige Unentwegte bleiben noch vor der Bühne stehen "Hast Du Verbindungen zur Band", fragt mich eine junge Frau unvermutet.

Als ich verneine ruft sie flehentlich: "Ich will Kurt", aber der ist schon lange hinter der Bühne verschwunden. Dann ergattere ich mit Hilfe eines Bühnenarbeiters eine Setlist und lasse die junge Frau wartend vor der Bühne zurück. Vielleicht ist Kurt ja doch noch einmal zurückgekommen.

Setlist

Paberback Bible – Nothing But A Blur From A Bullet Train – Prepared 2 – Catapillar – The Rise And Fall Of The Letter P – I Would Have Waited Here All Day – The New Cobweb Summer – Beers Before the Barbican – The Militant – Fear – The Decline Of Country And Western Civilization – Flick – Betweemus – Your Fucking Sunny Day

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