Ramones: "Ramones"

Ramones: "Ramones" © Warner Music Group

Das Ramones-Musical "Gabba Gabba Hey" zieht durch die Republik, um Katzen und Phantomen das fürchten zu lehren, wie einst Punkrock Bands wie Supertramp oder Genesis. Die deutsche Fassung inszeniert Jörg Buttgereit, Rolf Zacher geistert in vier Rollen durch die Szenerie. Die musikalische Leitung hat das letzte lebende Gründungsmitglied der Ramones inne: Tommy Ramone stand regioactive.de für einen Plausch über den Atlantik zur Verfügung.

regioactive.de: Bevor und nachdem du bei den Ramones am Drumset warst, hast du als Produzent gearbeitet. Hattest du irgendwelche Erfahrungen mit Musicals bevor "Gabba Gabba Hey"?

Tommy Ramone: Das ist schon interessant, denn tatsächlich war ich ein großer Musical-Fan als ich jung war. So in den 50ern und frühen 60ern. Dann hab ich sicherlich vergessen, dass es Musicals überhaupt gibt (lacht) und nie mehr dran gedacht. Bis Michael Herman mir ein Manuskript mit der Idee eines Ramones-Musicals schickte.

Ich dachte: "ein Ramones-Musical? Das ist die irrste Idee, die ich jemals gehört habe". Aber ich las das Skript und es war wirklich gut. Ich verstand, was er vor Augen hatte. Szenen mit Musik der Ramones als Untermalung, das fand ich gut möglich, da die Ramones-Songs auf realen Lebenserfahrungen der Bandmitglieder basieren.

Ich konnte mir vorstellen, wie auf Basis dieser Stücke ein Drama performed werden könnte. Also ging ich nach Australien und half Micheal die Show auf die Beine zu stellen.

"Kantig, rau und skandalös"

regioactive.de: Das Musical startete in Australien. Der nächste Schritt war dann schon einmal in Berlin, richtig?

Tommy Ramone: Ja, vor einigen Monaten. Gemeinsam mit Jörg Buttgereit. Ich wurde zunächst mit seinem filmischen Schaffen bekannt gemacht. Ich sah mir seine Sachen an und dachte, hm, das wird interessant.

regioactive.de: Hast du befürchtet, dass die deutsche Version von Gabba Gabba Hey ein Horror-Splatter-Musical wird?

Tommy Ramone: Na ja, es war jedenfalls klar, dass Buttgereit ein großer Punk-Fan ist und es wurde wirklich großartig. Er hatte das richtige Gefühl für die Sache und es war wichtig für ihn, dass es eine echte Punk-Show wird. Kantig, rau und skandalös.

regioactive.de: Im Pressetext ist zu lesen, dass "Gabba Gabba Hey" die Phantome und Katzen der Musicalszene genauso wegfegen wird, wie Punk das mit Bands wie Supertramp und Genesis getan hat. Glaubst du, das ist möglich?

Tommy Ramone: Leute hören "Musical"und denken an so etwas wie Andrew Lloyd-Webber und so. Diese Show hat nichts mit so etwas zu tun. Das ist Punk-Theater mit Musik.

regioactive.de: In Berlin gibt es seit kurzem ein Ramones-Museum. Bist du in irgendeiner Weise darin involviert?

Tommy Ramone: Ich hab davon gehört und man hat mir Skizzen geschickt. Es sieht klasse aus. Ich hab den Verantwortlichen dafür in Berlin getroffen. Ein netter Mensch, ein echter Ramones-Fan mit einer tollen Sammlung, die es wert ist, ausgestellt zu werden.

"Ich konnte sehr genau sehen, was wir da wirklich am Start hatten."

regioactive.de: Ok, soviel zur Gegenwart. Wenn man die Chance hat, mit einem Ramone sprechen, muss man natürlich noch mal ganz von vorn anfangen. Du hast begonnen Schlagzeug zu spielen, da kein anderer da war, der es konnte (zunächst saß Joey an der Bude).

Die typische Punk-Geschichte also, nur drei Akkorde usw. Als ihr mit den Ramones losgelegt habt, hattet ihr eine Idee von Punkrock als eigenem, neuen Genre?

Tommy Ramone: Ich hatte die Idee, diese Jungs, die ich aus meiner Heimatstadt kannte, zusammenzubringen, einfach weil die Jungs ein farbenfroher und interessanter Haufen waren. Als ich sie zusammenbrachte – praktisch als ihr Manager – realisierte ich sehr früh, dass wir was revolutionäres, etwas sehr anderes machten. Ich konnte aus meiner Außen-Perspektive und später auch als Mitglied sehr genau sehen, was wir da wirklich am Start hatten.

regioactive.de: Und die musikalische Intention zu diesem Zeitpunkt?

Tommy Ramone: Wir wollten kurze Songs, schnelle Songs – die Essenz von Rock’n’Roll. Energie, eine gewisse Wildheit, wir wollten das alles zurückholen und in die Zukunft bringen. (lacht) Das Tempo war natürlich der wichtigste Teil.

"Die Einflüsse kamen von den Ramones"

regioactive.de: Die Geburtstunde des Begriff "Punk" wird für gewöhnlich mit den Sex Pistols in Verbindung gebracht. Ab welchem Moment wurde das, was ihr da machtet, "Punk" genannt?

Tommy Ramone: Das passierte sehr früh, ich glaube ein neues Magazin brachte uns zum ersten Mal mit diesem Begriff in Verbindung. Sie nannten dann allerdings alles mögliche Punk, eigentlich wurde seit dieser Ära so gut wie alles Punk genannt. Es machte aber zunächst auch Sinn, denn all diese Bands hatten Verbindungen in irgendeiner Form.

Die Ramones selbst beeinflussten sofort andere Musiker. Leute sahen uns und gründeten eigene Bands. Bands wie die Talking Heads unterscheiden sich sicher sehr von den Ramones, aber die Ideen, die Einflüsse kamen von den Ramones.

Man sah, dass man nur ein paar gute Ideen brauchte um eigene, originelle Musik zu machen und nicht unbedingt ein virtuoser Musiker sein musste.

regioactive.de: Das heißt, ihr wart in wesentlich engerem Kontakt zu der Szene in New York, z.B. den Talking Heades, die doch einen anderen Stil hatten, als mit euren britischen Kollegen wie den Sex Pistols oder The Clash?

Tommy Ramone:  Malcom McLaren war zu der Zeit, als die CBGB-Szene kochte, in New York. Er managte die New York Dolls. Dann ging er zurück nach London und setzte das , was er dort gesehen hatte, um: Er formierte die Sex Pistols, eine großartige Band.

Es gab in der Folge eine Menge großartiger Bands: The Clash, die Buzzcocks, sie schossen förmlich aus dem Boden. Die Medien reagierten wie verrückt auf diese Strömung, speziell in UK.

regioactive.de: Siehst du irgendetwas vergleichbares derzeit? Oder denkst du, die Zeit wäre reif für etwas in der Art?

Tommy Ramone: Das ist unvorhersehbar. Du weißt nie, was wann passiert. In den 50ern war "Punk" eine intellektuelle Sache. Es gab die Beat-Generation, in den 60ern waren es dann die Hippies. Und in den 70ern kam diese CBGB-Szene ...

regioactive.de: Das CBGB ist ja momentan in ernsthaften Schwierigkeiten (auf Grund eines Mietstreits wird der Club seine Pforten endgültig schließen müssen) ...

Tommy Ramone: Ja. Es ist jetzt schwierig für den Club durchzuhalten. Die Relevanz der 70er ist für das CBGB natürlich vorbei, trotzdem versuchen wir alles, den Club zu unterstützen.

regioactive.de: Vielleicht ist die Zeit für einen Club wie das CBGB vorbei, aber nun reif für ein CBGB für Punkrock Musicals?

Tommy Ramone: (lacht) Wer weiß.

Ich wusste, was gebraucht wurde. Das war den Drummern, die vorher vorspielten, nicht klar.

regioactive.de: Nachdem du bei den Ramones getrommelt hast, warst du weiterhin ihr Manager. Was war einfacher? Funktionierte das auch in dem du "One, two, three, four" gerufen und losgelegt hast?

Tommy Ramone: Ach, ich hatte vorher zwar niemals Schlagzeug gespielt – ich war Gitarrist – aber es funktionierte prima, denn sie waren ja auch gerade dabei ihre Instrumente zu lernen. An den Drums war ich zumindest auf ihrem Level. Ich wusste, was gebraucht wurde. Das war den Drummern, die vorher vorspielten, nicht klar. Da kamen Heavy Metal-Leute und so.

Die Dinge änderten sich dann mit der Zeit, wir hatten immer mehr zu tun, und ich produzierte ja auch die Platten. Ich genoss die Arbeit im Studio immer, das war mein kreatives Potential. Ich genoss es auch die Shows zu spielen. Was ich nicht mochte, war das Reisen, hunderte von Meilen täglich, von einer Stadt in die nächste, eingepfercht in einen Van voller Verrückter.

Nach vier Jahren machte ich den Vorschlag weiterhin die Platten zu produzieren und auch am Songwrtiting mitzuarbeiten, aber die Drums einem anderen zu überlassen. Es ging mir schlicht darum, nicht mehr ständig unterwegs sein zu müssen.

regioactive.de: Die Ramones spielten dann insgesamt 22 Jahre live, es waren wohl über 2000 Shows. Scheinbar mochten die anderen das Touren wesentlich lieber als du?

Tommy Ramone: Ich denke Johnny und Joey mochten es wirklich. Sie lebten dafür. Deedee wohl nur bis zu einem gewissen Grad. Dann wurde es ihm auch zuviel und er wollte ein wenig Freiheit.

Aber Johnny und Joey brauchten das, auch in Zeiten, in denen sie eigentlich nicht mehr miteinander sprachen.

regioactive.de: Du bist dementsprechend auch als musikalischer Direktor von "Gabba Gabba Hey" nicht bei jeder Show in Deutschland dabei?

Tommy Ramone: Nein, nein. Ich war in Berlin und traf Nick Sheppard, der in der australischen Version die Gitarre spielte. Er war eine zeitlang Mitglied bei The Clash. Er kam damals für Joe Strummer.

Nick arbeitete mit den Forgotten Idols, die die Shows in Deutschland untermalen (im Tempo der Ramones: Hinter der Bühne spielt die Band insgesamt 18 Songs in einer Stunde. Anm. d. Red.). Er zeigte ihnen, dass die Stücke der Ramones zu spielen definitiv etwas anderes ist, als irgendeine andere Musik auf der Welt (lacht).

Ich probte keine Harmonien mehr mit ihnen, ich machte dann den Feinschliff. Man kann auch sagen, es ging hauptsächlich darum, sie in die Kultur der Ramones einzuführen. Letztendlich ging es mir darum, dass das Ganze so authentisch wie möglich wird.

regioactive.de: Na ja, es war sicherlich das größere Stück Arbeit, den Style und das Feeling nachzuempfinden, als die Stücke der Ramones technisch spielen zu lernen.

Tommy Ramone:  Ja. Manche Sachen passen zu den Ramones, andere nicht. Das ist sehr dünnes Eis. Das Feeling, der Spirit müssen letztendlich stimmen, damit auch alte Ramones-Fans hinterher sagen: Wow.

regioactive.de: Wird "Gabb Gabba Hey" auch nach New York heimkommen?

Tommy Ramone: Ja, das haben wir vor. Wahrscheinlich mit Teilen der australischen Besetzung. Nachdem wir in Australien und Deutschland waren - übrigens da man auf uns zukam - muss New York eigentlich die nächste Station sein.

"Es ist eine wirklich seltsame Situation."

regioactive.de: Kannst du dir vorstellen, was Johnny, Joey und Deedee zu der Musical-Idee gesagt hätten?

Tommy Ramone: Oh, Johnny hat’s noch mitbekommen, er fand’s interessant. Schließlich geht es auch einfach darum, dass Leute die Ramones-Songs hören und nicht dieses ewig gleiche Geleiere, das dauernd im Radio gespielt wird.

Joey hätte es schlicht geliebt. Und Deedee ... Der Spirit von Deedee ist in der kopletten Show! Der Charakter der Hauptperson ist Deedee sehr ähnlich. (lacht) Von daher weiß ich nicht, was Deedee von der Sache gehalten hätte.

regioactive.de: Auf den ersten Blick liest sich die Story wie eine klassische "boy meets girl"-Story, bei der es Probleme gibt, weil der Typ zu sehr auf den R’n’R-Lifestyle steht. Und am Schluss kriegen sie sich doch ...

Tommy Ramone:  Ok, das ist ein Aspekt der Story, aber es geht tiefer. Vor allem gibt es wesentlich dunklere Elemente als bei solchen Storys sonst üblich. Es ist süß-sauer und auch sehr bitter, wütend, traurig und gewalttätig. Und dirty, ugly, beautiful und all das auf einmal.

regioactive.de: Gut, soviel zum Musical, wir freuen uns darauf. Eine letzte Frage an dich, die leider sein muss: Du bist das letzte lebende Ramones-Gründungsmitglied. Was für ein Gefühl ist es, wenn du mit solchen Sachen wie Ramones-Museen und -Musicals konfrontiert wirst?

Tommy Ramone:  Das ist ein sehr komisches Gefühl. Es ist sehr traurig, dass sie nicht mehr da sind. Es ist hart, das zu realisieren. Es wird mir sicher erst noch richtig bewusst werden.

In meinen Gedanken sind sie noch bei mir und es fällt mir schwer das Gegenteil zu akzeptieren. Denn ich kann ihre Präsenz noch deutlich spüren. Es ist eine wirklich seltsame Situation.

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