Norbert Schwefels Mannheimer „Umsonst & draußen“-Kreation ging zum dritten Mal und zum ersten Mal zweitägig über die Neckarwiese. Underground at it’ s best, wie in den Vorjahren gehabt, ein schöner musikalischer Rundumschlag mit einigen Local Heroes bis zu den aus Australien angereisten Digger & The Pussycats.

{image}Die Bühne unter einer Brücke über die der ICE donnert, im Hintergrund der Neckar, dahinter der Jungbusch nebst Mannheimer Industrieromantik – qua Umgebung ist das Sulphur Sonic das Mannheimer Festival schlechthin. Finanziert wird das von Norbert Schwefel und dem Blau organisierte Happening über den Getränkeverkauf, Fleisch sucht man an den Essenständen vergebens, ebenso wie Abendkasse oder Securitiy. Unaufdringlich PC, da schmeckt jedes Bier doppelt gut, denn es ist quasi existenzsichernd. Und wie das Noisepollution in Wald-Michelbach, das auf einen kleinen Obulus zum Eintritt und Kampfpreise für’s Bier setzt, ist das Sulphur Sonic Festival eins der besten Beispiele für gelungene Low- bis No Budget Festivals.

Problematisch war in den vergangenen Jahren (nebst Kleinigkeiten wie harmlosen Dioxinwolken auf der Friesenheimer Insel und krachenden Aggregaten) vor allem das Wetter. Speziell die Temperaturen im letzten Jahr sprachen jeder Augustprognose hohn. Das war am ersten Festivaltag nicht das Problem, allerdings manifestierten sich pünktlich um 18.00 feiste Gewitterwolken und leichte Schauer setzten ein. Allerdings in erträglichen Maßen, die das Publikum durch Zusammenrücken unter der Riedbahnbrücke entschärfen konnte. Und der Samstag erlebte dann das beste Wetter in der Sulphur Sonic-Festival-Historie bis dato. Probleme mit Temperaturen und Aggregaten ergaben sich dieses Jahr lediglich Freitags bezüglich der Bierkühlung. Nicht optimal, so eine lauwarme Cervisia, aber auch kein absoluter Beinbruch.

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Den Einstieg ins Geschehen machten die Lokalmatadoren der Multi Relax Foundation und wie von Conferencier Herbie „King of the Neckarstadt“ angekündigt speziell durch deren Frontmann nach Maß. Zu ebenso rauen wie gradlinigem Sixties-Garage zeigte dieser, dass er seinen Iggy Pop studiert hat: Hüftschwünge, große Gesten und „auf-dem-Monitor-wälzen“ in allen Lagen.

 

Anschließend ein weiteres Mannheimer Urgewächs: Hans Refferts Zauberfinger, was tatsächlich sowohl seine 10 Greifer als auch seine Band bezeichnet. Seit ca. 300 Jahren bearbeitet Reffert die sechs Saiten in virtuoser Art und Weise. Das derzeitige Line Up mit der Mardi Grass. BB-Rhythmus-Sektion Erwin Ditzner (dr) und Uli Krug (Kontrabass), Jan Lindquist (git) und Liese Krug am Gesang dürfte dabei das interessanteste seit Bestehen der Formation sein. Lange ausufender Stücke, die alles streifen, was sich so mit der Gitarre spielen und ausdrücken lässt, und dem Meister genügend Raum zum Zaubern geben.

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Noston beendeten den Freitag Abend, der für Sulphur-Verhältnisse dann doch noch mit passablen Wetter aufwartete, mit einer Mischung aus Trip Hop und Jazz mit einem Schuss World Music.

 

Der Samstag begann bereits Nachmittags mit Psychosoul, der Name ist Programm, Orgel (Sandra Dee) und Organ (X-Ray Rumble) kennt man, eine gute Nummer songorientierter, von Panda Playschool, Psychedelic und Improvisation stehen bei Psychosoul im Vordergrund.

 

Sputnik führten dann mit äußerst eigenwilligen Coverversionen (man stelle sich Blowin’ in the Wind im Industrial-Gewand vor )weiter durchs Nachmittagsprogramm, bevor das australische Duo Digger & The Pussycats die Neckarwiese im Sturm nahm. Die Bandinfo beschreibt Gitarrist Sam als „the guy who looks like Pete Sampras after a three-week champagne and pills party” während sein Kollege {image}Andy am Schlagwerk als “Ronald McDonald on crack look-alike” firmiert. In Verbindung mit dem „Tier“ der Muppets muss angemerkt werden, und ebenso, dass Bela B der coolste Standtrommler die längste Zeit gewesen ist. Sam Sampras und Andy McTier ziehen eine Show ab, die keine Fragen offen lässt. Für was braucht’s eine Band, für was sechsminütige Kompositionen? Ein rotziger Zweiminüter nach dem anderen wird auf’s Publikum losgelassen, auf dass sich die Riedbahnbrücke biegt. Und auch aus ökonomischer Sicht sind Digger & the Pussycats ganz weit vorn: Unter der Vorraussetzung, dass sich Sam für die Auftritte einen Gitarren Amp leiht, könnten sie locker trampend auf Welttournee gehen. Eine Gitarre, Stand-Tom, Snare, Becken und fertig ist die Backline. Andy schafft es sein Schlagzeug per gewaltiger Jumps von jeder Ecke der Bühne aus zu treffen, dass er nach solchen akrobatischen Einlagen die Sticks nicht in der Hand halten kann ist logisch. Könnte niemand. Mehrere Zugaben sind Pflicht und so wird als letztes Stück „Hey Joe“ sehr frei nach Jimi Hendrix interpretiert. Die beiden dürfen sogar das.

 

Anschließend verkehrt sich das Verhältnis von Bühnenakteuren und Effekt ein wenig: Die 11 Allgäuer Circus Global Trance haben mit sparsamer Besetzung und Instrumentierung nichts am Hut. Ihr Gig verflachte allerdings vergleichsweise ein wenig, trotz gutem Anfang, der leicht an Massive Attacke erinnerte. Instrumentell fahren die Allgäuer, die wirken als ob sie auch alle gemeinsam auf einem Bauernhof leben, gewaltig auf, von Didgeridoo über Quetschkommode bis zu Elektronik verweigern sie sich keinen Sounds. Obwohl der Spannungsbogen nach den Pussycats nicht gehalten werden konnte, passte das trancige Set natürlich hervorragend auf die Neckarwiese, die sich vor und während des Circus beträchtlich füllte.

Blieb nur noch der Initiator selbst, der es bislang geschafft hat, sich jedes Jahr für den eigenen Auftritt etwas neues einfallen zu lassen. Diesmal war’s ein Unplugged-Gig, der auch die Möglichkeit gab länger als bis 24.00 live zu musizieren. Wenn dann auch interessierte Zuhörer wirklich direkt an die Bühne mussten um die Songs wirklich zu hören. Auf Grund des leichten Überziehens wurde der Gig praktisch von Mal zu Mal leiser. Schwefel und Band spielten sich jedenfalls von neuen unplugged-Stücken bis zu einem Sammelsurium aus Schwefels letzter Platte Mystifier und beendeten das Festival relaxed und trocken.