Großartige Stimme: We Were Promised Jetpacks' Frontmann Adam Thompson.

Großartige Stimme: We Were Promised Jetpacks' Frontmann Adam Thompson. © Tobias Blank

Gute Vorband, epische Hauptband und ein Sänger, für den andere Bands töten würden. We Were Promised Jetpacks und Astairre ließen das Publikum im Heidelberger Häll am Montagabend gut in die Woche starten. Dabei lernten wir wiedermal etwas Neues: Deutschsprachiger Indierock kann auch gut sein. Unglaublich, aber wahr.

Und daher müssen wir eine Lanze brechen: Deutschsprachiger Gesang gepaart mit rockigen Gitarren führt nicht immer zu weichgespülten Stadiondauerbrennern wie bei Silbermond. Wer will, kann ganz einfach aus dieser Schiene ausbrechen und eine zweite Chance erhalten. Man höre sich nur Julis Album In Love an, im Rückblick ein guter Versuch, den ganzen Chart-Mist hinter sich zu lassen. Umgekehrt wäre es auch fahrlässig, alle deutschsprachigen Indiebands von Anfang an zu verteufeln. Gebt ihnen eine Chance!

Denn dann entdeckt man manchmal auch Schätze wie die Ruhrpott-Jungs von Astairre, Vorband von We Were Promised Jetpacks im Heidelberger Häll. Lauter Indierock, mit einem Sänger, der stellenweise wie Jochen Distelmeyer klingt. Seine Texte sind aber alles andere als die in letzter Zeit langweilig-verkopften Exemplare des ehemaligen Blumfeld-Frontmanns, bestes Beispiel ist der Song "Zeitmaschine, bitte!" Live gibt es dazu noch einen Schlagzeuger, der zwischen seinen Trommeln vollkommen versinkt und den Trubel um sich herum vollkommen zu vergessen scheint. Solche Kleinigkeiten machen den Auftritt der Bottroper sehr angenehm und zu einem schönen Opener, der in kurzer Zeit die eng zusammengedrängte Menge im kleinen Club auf Betriebstemperatur bringt.

We Were Promised Jetpacks sind darauf nicht gerade eine Band der großen Worte, den Job haben Astairre zuvor aber gut übernommen. Die Schotten lassen deshalb lieber direkt ohne Ankündigung ihre Musik sprechen. Und die klingt schlicht und einfach erhaben: Man merkt den Jungs ihre Postrock-Herkunft an, Drumgewitter und ausufernde Gitarrenwände finden sich in fast jedem Song an diesem Montagabend. Verwoben wird das mit mitreißenden Melodien, die soweit gehen, dass das Publikum mitklatscht – Florian Silbereisen grüßt freudig aus dem Rentnerparadies der Öffentlich-Rechtlichen. Als später ein einzelner Zuschauer das vollkommen neben dem Takt wiederholen will, unterbricht Sänger Adam Thompson das Konzert und beschwert sich mit einem Augenzwinkern über das beschissenste Klatschen, das er jemals gehört hat.

Thompsons Stimme ist es, die die Songs von We Were Promised Jetpacks ausmachen, besonders hier auf der Bühne. Nachdem bei "Sore Thumb" das minutenlange Instrumental beendet ist, geht der Mann so weit vom Mikrofon weg wie auf der kleinen Bühne möglich und beginnt mit einer Kraft zu singen, die einfach nur fasziniert. Ein totenstilles Publikum (abgesehen von den zwei bis drei Idioten, die wieder einmal ihre wichtigen Lebensprobleme lauthals besprechen müssen) und ein ganzer Raum voller Gänsehaut, obwohl im Raum gefühlte 40 Grad vorherrschen.

Dieses beeindruckende Kunststück macht Thompson an dem Abend mehrmals. Zuletzt dreht er das Mikrofon einfach zum Boden, sein Gesang kommt dabei trotzdem so laut aus den Boxen, als würde es an seinem Mund kleben. Jedes kleine Popsternchen hätte man für soviel Können wohl zum Star des Jahrtausends hochgeschrieben. Wir belassen es einfach dabei, dass die Songs von We Were Promised Jetpacks erst durch diesen Mann zu wahrer Größe gelangen.

Aber auch der Rest der Band ist tight, vor allem Schlagzeuger Darren Lackie. Er prügelt die Songs so zurecht, dass trotz der introvertierten und melancholischen Texte niemand an das böse Wörtchen "Emo" denken kann.

Nach 60 Minuten steht man mit steifem Nacken und offenem Mund vor der Bühne, die die Schotten gerade ohne Zugabe und mit wenig Worten verlassen haben. Als das Licht und die Hintergrundmusik wieder angehen, ist das Publikum im Häll etwas enttäuscht, einige weitere Songs würden niemandem schaden. Aber auch so gibt es im Rückblick an diesem Sommerabend mehr als genug gute Musik zu bestaunen.

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