Die Säule der Popförderung ist diejenige unter den dreien, die keinen ganzen Gebäudekomplex benötigt und sich hauptsächlich in einer Person manifestiert. regioactive.de sprach mit Markus Sprengler, der seit 2001 das Amt des Rock- und Pop-Beauftragten der Stadt Mannheim innehat.

{image}RA: Auf der Popkomm hat das Statdmarketing gemeinsam mit den drei Säulen die Stadt Mannheim als solche präsentiert. Wie war die Resonanz auf Mannheim in Berlin? Markus Sprengler: Nach meiner Auffassung war der Auftritt dafür, dass sich eine Stadt wie Mannheim auf einer Fachmesse präsentiert, gut. Da war eindeutig ein Überraschungseffekt zu sehen. Warum ist eine Stadt mit einem Stand präsent? Dadurch war der Effekt eben der, dass die Leute rauskriegen wollten, warum "Mannheim" auf der Popkomm präsent ist. Ich hatte auch ein Interview in der Berliner Zeitung, da kamen natürlich diese Berliner Fragen à la "wie kommt denn Mannheim überhaupt dazu, sich als Popstadt in Berlin zu präsentieren?". Die Redakteure waren dann recht verblüfft darüber, wie schlüssig sich das beantworten lässt. Der Aufmacher für das Interview war schließlich "Mannheims Lektion für Berlin in Sachen Pop". Es war interessant zu sehen, dass das Mannheimer Modell auch als solches erkannt wurde. Berlin hat natürlich 20 mal so viele Musiker und musikwirtschaftliche Unternehmen und Clubs als Mannheim aber sie haben nicht die entsprechende Vernetzung.

RA: Die Aufmerksamkeit in Berlin ist also nicht allein an der Pop Akademie hängen geblieben?

Markus Sprengler: Nein, die Akademie war ja auch an unserem Stand vertreten. Es war wahrnehmbar, dass die Akademie in Mannheim eine eigenständige Institution ist, die aber in die Thematik Mannheimer Modell eingebettet ist. Es war also festzustellen, dass Mannheim frühzeitig Popförderung betrieben hat und das war insofern für die Berliner ein Aha-Erlebnis, weil die einfach nicht davon ausgehen, dass im Süden, in so einer kleinen Stadt so viel passiert. Es hat überrascht, dass das nicht kommunal und provinziell bleibt sondern durchaus einen nationalen Zusammenhang bekommt.

RA: Gut, soviel zur Außendarstellung in Berlin. Das Stadtmarketing spricht von drei Säulen, die ineinander greifen um die hiesige Musikszene beleben. Wie siehst du denn das Ineinandergreifen dieser drei Elemente?

Markus Sprengler: Für mich geht es erst los. Die Entwicklung bisher war die: 1999 hat der Kulturbürgermeister Dr. Peter Kurz das Thema Pop auf die kommunale Agenda genommen, genauso wie etwa Klassik oder andere Themenfelder im Bereich Kultur. Das war ein erster Schritt. Mit meiner Berufung 2001 hat man diesem Thema eine Stelle zugeordnet. Und wenn man betrachtet, dass nach diesen zwei Schritten dann 2004 mit dem Musikpark und der Pop Akademie zwei bedeutende Institutionen für die deutsche Popkulturlandschaft existieren, ist das eine rasante Entwicklung wie sie in der Politik eigentlich eher ungewöhnlich ist. Die Vernetzung fängt für mich erst jetzt an, das konnte bislang ja gar nicht passieren. Jetzt haben wir alle drei Institutionen hier, jetzt kann "work in progress" eigentlich erst beginnen. Bislang waren die Aufgaben der Popförderung stark auf die beiden anderen Projekte bezogen. Ich war in das Projekt Musikpark stark involviert, ich war bei der Sachverständigen-Anhörung bzgl. der Pop Akademie immer dabei und dafür standen kommunale Themen erst mal im Hintergrund. Jetzt sind die beiden Institutionen mit eigenen Geschäftsführern selbstständig und kommunale Popförderung kann sich wieder auf Basisthemen, z. B. den Mannheim Music Award konzentrieren und die Vernetzungen durch Regioseminare und RegioNet können beginnen. Die Zusammenarbeit von Städten über das RegioNet kann jetzt angedacht werden, dazu kam man im letzten Jahr einfach nicht.

RA: Gut, es ist klar, dass dieser Prozess erst an seinem Beginn steht. Trotzdem die Frage, inwieweit die Säule der Popförderung jetzt ins Spiel kommt? Nur übers RegioNet?

Markus Sprengler: Das RegioNet läuft im Prinzip über die Pop Akademie und ist eine Landesveranstaltung. Der starke Schwerpunkt auf Mannheim entsteht durch die kurzen Wege, die Tatsache, dass man sich nicht nur bei extra verabredeten Terminen sieht. Ich habe die Federführung für eine Thematik übernommen, die sich Visionsgruppe Popförderung nennt. Das bezieht sich auf die Regionet-Partnerstädte und es soll gemeinsam darüber nachgedacht werden, was in den nächsten 10-15 Jahren erreicht werden kann. Das soll also ein wenig über gängige Dinge, wie einen Bandaustausch, hinausgehen. Damit soll über den Tellerrand geschaut werden, denn die 40 Firmen, die jetzt im Musikpark sitzen, werden in dieser Konstellation nicht immer Bestand haben, da ist es sicherlich sinnvoll auch neue Strömungen aus anderen Städten aufzunehmen. Und dieses Thema "Visionen" leiten wir von der Popförderung Mannheim aus. Man darf natürlich auch nicht vergessen: Es gibt als Musiker auch ein Leben ohne Institutionen. Menschen, die künstlerisch tätig sind, Bands, die hart arbeiten, können sich auch selbst durchbeißen. Man muss sich nicht zwingend in dieses Mannheimer Modell eingliedern, man kann es jedoch. Die Plattform besteht und ich gehe davon aus, dass man mit ihr mehr erreicht als ohne sie. Aber das heißt ja nicht, dass die Musikszene oder vielmehr Szenen, denn das ist ja weder personell noch von den Musikstilen her homogen, nicht auch ohne Institutionen Bestand haben. Subkulturen sind in der Regel nicht institutionalisiert, aber es ist kein Fehler Plattformen zu haben und zu nutzen. Und in den nächsten zwei, drei Jahren wird einiges passieren, was z. B. das Thema Clubs betrifft. Denn da ist hier zu wenig am Start. Nicht in dem Sinn, dass die Institutionen das selbst tun werden, aber deren Präsenz kann zu Veränderungen führen – durch stärkeres politisches Gewicht. Da können interessante Konstellationen entstehen auf die wir heute so noch gar nicht kommen.

RA: Das Mannheimer Modell wird so beschrieben, dass die Pop Akademie Ausbildungsstätte, der Musikpark das Existenzgründerzentrum und die Pop Förderung hauptsächlich die Schnittstelle des Mannheimer Modells zur Szene ist ...

Markus Sprengler: Na sagen wir, es sind alle drei Säulen Schnittstellen. In der Mannheimer Region sind recht viele Szenemenschen und Musiker mit einer dieser drei Institutionen verknüpft. Ob im Pop Akademie-Ausbildungsbereich oder Leute, die im Musikpark arbeiten, die ja auch schon alle länger hier zugange sind und mit denen die Pop Förderung schon vorher kommunizierte und kooperierte, regioactive.de eingeschlossen. Das hat jetzt nur eine konkretere Form bekommen. Die Pop Förderung läuft grundsätzlich nie auf die Nummer hinaus, dass der Rock- Pop-Beauftragte Proberäume schafft und Band X ein paar Euro für Plakate gibt. Vernetzung hat viel damit zu tun, dass gewisse Dinge durch meine Person angeschoben wurden. Z. B. Christian Sommer als Geschäftsführer des Musikparks war mein Vorschlag und dahinter steckte die Idee, dass jemand wie er interessante Zusammenhänge herstellen kann. Dass dieser Job von so jemand gemacht wird und nicht von irgendeinem BWLer, der nen iPod zu Hause hat, ist Pop Förderung. Und in einem kleinen Bereich ist das mit der Pop Akademie ähnlich. 1998 hab ich Udo Dahmen nach Mannheim gebracht und mit ihm im Lagerhaus eine Musikschule gegründet. Bisher war mein Thema also eher das Anschieben, zukünftig geht's wohl mehr in Richtung Basisarbeit. Selbstvermarktung von Bands oder Grundlagenförderung muss ja nicht zwingen über die beiden Institutionen gehen sondern kann auch über mich gehen.

RA: In welchen Formen?

Markus Sprengler: Bildung wird mehr mit meiner Arbeit zu tun haben als vorher. Das heißt Basisförderung zu machen. Kreativitätsschulung ist im Rahmen des Dezernats für Kultur, Bildung und Sport stark im Kommen. Sprich, das Anliegen, dass Menschen im kulturellen Bereich mehr Inhalte vermittelt bekommen. Das lässt sich mit Pop Musik gut machen. Das wird unter dem Aufhänger "Pop an Schulen" laufen. Wir wollen die allgemeinbildenden Schulen dazu bringen, dass sie das Thema Pop als Themenfeld in ihrem Unterricht bringen.

RA: Also im Rahmen des Musikunterrichts?

Markus Sprengler: Genau. Mit Teams in die Schulen gehen und statt zwei Stunden Musikunterricht einen entsprechenden Workshop anbieten. Das Thema Bildung mit Hilfe von Lehrern mit dem Thema Pop Förderung zu verbinden, ist für mich ein neues Arbeitsfeld. Neben den klassischen Dingen, wie dem Mannheim Music Award, die man auch nur dann macht, wenn man jemand hat, der sie auch bezahlt. Der MMA allerdings wird jetzt jährlich laufen, und damit wird auch eine Professionalität einhergehen, die vorher nicht da war.

RA: Schwingt bei "Pop an Schulen" ein sozialpädagogischer Ansatz mit?

Markus Sprengler: Bildungsauftrag ist nicht zwingend im sozialen Bereich angesiedelt. Natürlich ist aus dem Thema Pop mehr zu machen als nur eine Ausbildungs- und Wirtschaftsthematik. Hier kommt eher die Bereitschaft, seitens des Dezernats, Kreativität zu fördern und der Ansatz des Rock- und Pop-Beauftragten das über den Aspekt Pop zu tun, zusammen. Anfänge, die im schulischen Bereich geschaffen werden, können ja ein Interesse wecken, das in den anderen Institutionen mündet. Das wäre eine Erweiterung des Mannheimer Modells.

RA: Den Mannheim Music Award wird es wieder geben. Ist das eine Sache, die innerhalb des Modells mehr oder weniger allein auf der Säule der Popförderung ruht?

Markus Sprengler: Definitiv. Mittelfristig werden wir natürlich vermehrt Kooperationen haben, die sich durch die Existenz der beiden anderen Institutionen ergeben. Man hat einfach mehr Ansprechpartner direkt vor der Tür. Die Szene findet sich bei regioactive.de ja gut abgebildet, wodurch wir fast 100 Bewerbungen hatten. Da waren einige gute Sachen dabei, die man sich bestimmt noch mal anhören sollte. Das Thema ist noch längst nicht ausgeschöpft. Musikalisch nicht, denn es gibt interessante neue Bands, die es vor einem Jahr noch nicht gab und ich gehe davon aus, dass es wieder einen interessanten Pool gibt. Der MMA sollte weniger eine Wettbewerbssituation sondern vielmehr eine Abbildung der Szene sein, und das ist uns dieses Jahr schon gelungen. Natürlich gibt es Bands, die sich bei so etwas aus Prinzip nicht bewerben, dann kann man sie eben auch nicht abbilden, das ist nicht zu ändern.

RA: Also eventuelle Verflechtungen mit den anderen beiden Säulen können sich beim MMA ergeben, aber das wird locker gehandhabt.

Markus Sprengler: Ja, denn der MMA ist ein Produkt der kommunalen Rock- und Pop-Förderung und wird es auch bleiben. Er kann allerdings durch ein paar Facetten erweitert werden, die bislang nicht da waren. Das sind ja fast luxuriöse Vorraussetzungen für solche Arbeit. Und mit Daimler Chrysler haben wir ja eine Partnerschaft am Start, auf der sich aufbauen lässt.

RA: Also insgesamt kann man sagen, dass die drei Säulen des Mannheimer Modells durchaus gemeinsam etwas tragen aber jede Säule ein starkes Eigenleben hat. Wobei sich die Verflechtung zwischen Musikpark und Pop Akademie stärker ausmachen lassen, als die der Popförderung mit diesen Institutionen.

Markus Sprengler: Das ist richtig, die Grundidee war aber sicherlich nie die, dass alle zusammen in einem Büro hocken. Musikpark und Akademie sind ja auch räumlich vernetzt. Die Popförderung dagegen ist eine kommunale Einrichtung und soll diesen Charakter auch erkennbar behalten. Die beiden anderen sind GmbHs und das ist ein Unterschied.

RA: Gut, wenn wir bei der Stadt sind: Der Popkomm-Stand lief unter dem Mantel des Stadtmarketings. Wie fließt die Tätigkeit dieser GmbH in die drei Säulen ein?

Markus Sprengler: Ich hatte ja selbst für ein halbes Jahr einein kleinen Ausflug zum Stadtmarketing gemacht. Wir hatten die Grundidee die Popförderung beim Stadtmarketing anzusiedeln, aber schon nach drei Monaten gesehen, dass das nicht funktioniert. Die Gesellschafter waren – durchaus nachvollziehbar – der Meinung, dass Kulturförderung sich nicht zwingend einer Marketing-Gesellschaft zuordnen lässt. Die Idee war in der Hinsicht finanzielle Ressourcen freizumachen gut gemeint und der Auftritt bei der Popkomm war ein Resultat daraus. Interdisziplinär wird es auch weiterhin Zusammenarbeit geben. Natürlich müssen erst mal alle drei Institutionen gute Arbeit machen, damit man das marketingmäßig kommunizieren kann. Man kann sich nicht auf deren puren Existenz ausruhen.

RA: Das heißt, es müssen Schritte unternommen werden, damit Mannheim auch den Flair einer Popstadt bekommt?

Markus Sprengler: Ja, da ist zunächst die Politik gefordert.

RA: Was kann Politik da konkret leisten?

Markus Sprengler: Da muss man natürlich allgemein bleiben, denn die Parteienlandschaft in Mannheim ist sehr unterschiedlich und dementsprechend auch unterschiedlich motiviert. Konkret liegt der erste Schritt bei der Ordnungspolitik, die Sperrzeiten müssen gelockert werden. Nur dann ist eine Belebung der Innenstadt möglich, das ist eine Grundlage. Das zweite Ding wären konkrete Maßnahmen wie ein Open Air. Als Gegenstück zu den Stuttgarter HipHop Open könnte ich mir z. B. ein entsprechendes Mannheimer Soul Festival vorstellen. Auch eine Sache, bei der man sicherstellen muss, dass nicht um 22:00 der Hammer fällt. Da müssten sich die politischen Lager und Verantwortlichen an einen Tisch setzen und sehen wo es Ansätze gibt. Aber ich bin recht zuversichtlich, denn Oberbürgermeister Widder hat erkannt, dass Pop ein wichtiges Thema für die Stadt ist. Er muss da auch erst reinwachsen, da er aus einer anderen Generation stammt, aber das Verständnis ist da und das stimmt mich zuversichtlich.