Napoleon Dynamite (aka Elvis Costello)

Napoleon Dynamite (aka Elvis Costello) © Jan Wölfer

Er zählt zu den größten Musikern unserer Zeit, auch wenn er nie den kommerziellen Megaerfolg erzielen konnte. Momentan ist der britische Musiker auf "Revolver"-Tour durch Europa. Während seines einzigen Deutschlandkonzerts in Hamburg überließ Elvis Costello den Fans die Songauswahl. Sie bestimmten per Glücksrad. Trotz einiger ausgelassener Chancen kamen doch alle auf ihre Kosten, denn am Ende brannte Costello noch das große Hitfeuerwerk ab.

{image}Wir schreiben das Jahr 1986. Elvis Costello hat gerade das vorerst letzte Album mit seinen "Attractions" aufgenommen (Blood and chocolade) und geht zum vorerst letzten Mal mit seiner alten Begleitband auf Tour. Zu diesem Zeitpunkt allerdings ahnt das noch niemand.

Das Motto dieser Tour war jedoch spektakulär: "The spectacular spinning songbook" basierte auf einem riesigen Glücksrad, auf dem dutzende Songtitel standen. Der Clou war, dass Zuschauer von dem lakonischen Gastgeber Napoleon Dynamite (aka Elvis Costello) auf die Bühne gebeten wurden, um das große Rad zu drehen und somit den nächsten Song zu bestimmen.

2011 kündigte Costello "The return of the spectacular spinning songbook" für seine Nordamerikatournee an, wo die Show nach dem gleichen Konzept wieder aufgelegt wurde. Mit Glücksrad (allerdings mit anderer Songauswahl), mit der Theke, an der die glücklichen Auserwählten Platz nehmen durften und von Mr. Dynamites Assistentin mit Drinks versorgt werden, und mit Miss Kitty, die im Bühnenkäfig tanzt. Jetzt führte die Tour nach Europa. Deutschland musste sich dabei aber mit nur einem Auftritt in Hamburg abfinden.

{image}Das CCH ist leider nur etwa zur Hälfte gefüllt. Ein Umstand, der wohl darin begründet ist, dass Costello ein Künstler ist, dessen aktuelle Veröffentlichungen hierzulande kaum promotet werden und er deshalb mehr und mehr zu einem Geheimtipp wurde. Denen, die dennoch den Weg zum Konzert gefunden haben, bietet sich zunächst das faszinierende Bühnenbild und bald darauf eine präzise und engagiert agierende Band, die zu ¾ schon seit der späten 70ern zusammen spielt. Bassist Davey Faragher ist immerhin seit zehn Jahren Mitglied der Imposters, wie Costello seitdem seine Band nennt. Um jedenfalls in der Lage zu sein, ca. 70 Songs auf Zuruf spielen zu können, braucht es eine Basis. Es wird an diesem Abend schnell deutlich, dass die Imposters diese Basis mit Leichtigkeit stellen.

Die ersten fünf Songs – allesamt aus den ersten zehn Jahren ihrer Karriere – werden ohne Pause und ohne Ansage direkt hintereinander ins Publikum gerockt. Es ist ein Auftakt, der mitreißt und keine Längen erkennen lässt.

{image}Danach wird die erste Zuschauerin auf die Bühne geholt. Zu den Klängen von Blood Sweat & Tears' Spinning wheel darf sie das Glücksrad drehen und es kommt – "Round and round it goes – where it stops, no one knows": das Wort "Time". Das sich dahinter mit Stringtime, Man out of time und dem Rolling Stones-Cover Out of time als Jackpot gleich ein ganzer Themenkettenblock verbirgt, ist eine weitere Überraschung. Zu der gradiosen Coverversion von Out of time klettert Dr. Costello bzw. Mr. Dynamite zu der Auserwählten in den Bühnenkäfig und geleitet sie dann wieder ins Publikum zurück.

Ein weiterer Programmpunkt heißt "Hammer of songs", bei dem ein kleiner Hau den Lukas zum Einsatz kommt. Dazu wird ein Pärchen auf die Bühne gebeten. Beide müssen den Hammer schwingen. Wer die Glocke zu erreicht hat die freie Songwahl. Schön, wenn sich die junge Frau Everyday I write the book wünscht. Blöd, wenn ihr Begleiter die Option mit der Begründung ausschlägt, dass er die Songs alle nicht kennt. Schön jedoch wieder, wenn Costello sich dadurch aus der Affäre zieht dass er Purple Rain von Prince aus dem Hut zaubert. Anschließend spielt er allein, tritt als sein eigenes Zwischenprogramm gänzlich unverstärkt mit A slow drag with Josephine vor das Publikum.

Der nächste schöne Showeffekt ist der "guitar shrinking trick", bei dem aus einer voll ausgewachsenene Gitarre eine Ukulele für den Song Who's the meanest girl in town Josephine wird. Später steigt er wieder mit Band in ein grandioses Shipbuilding ein und sorgt dabei für mehrere Momente, in denen sich die Nackenhaare hochstellen.

{image}Zu den wenigen Längen des Abends gehört eine schleppende, düstere Interpretation von National Ransom, die weitaus zäher daherkommt als in der mitreißenden Version auf seinem letzten Studioalbum. Die unerwartet fantastische Version von Dylans When I paint my masterpiece reißt aber sofort wieder alles heraus. Das sich anschließende und in die Länge gezogene Watching the detectives lässt den Verdacht aufkommen, das Konzert ginge jetzt zu Ende. Weit gefehlt: Napoleon Dynamite holt noch einmal zwei weibliche Fans auf die Bühne und bittet sie die Songs für das Finale zu bestimmen.

Dabei bekommt eine der beiden den Joker, der zur freien Auswahl berechtigt; eine Gelegenheit, die sich dann doch schwieriger als erwartet herausstellt. Dankenswerterweise schaltet Mr. Dynamite daraufhin in den "Give-the-people-what-they-want"-Modus und haut dem mittlerweile stehenden Publikum noch ein Hit-Paket um die Ohren. Zwischendurch bringt er noch Day tripper und – passend zum Thronjubiläum – God save the queen.

Am Ende ist die Bühne in rotes Licht getaucht. Costello steigt noch einmal ganz tief in I want you ein. Ein gespenstischer Effekt legt sich auf die Stimme und er zitiert I say a little Prayer – dieser Song gelingt nicht immer so intensiv. An diesem Abend stellt er jedoch einen perfekten Abschluss dar. Dass Alison nicht zum Einsatz kam, scheint keinen im Publikum groß zu stören. Es ist auch nicht so, dass das Hamburger Publikum Grund zu mosern hätte – genug Gelegenheiten sich diesen Klassiker zu wünschen hatte es fürwahr gegeben.

Elvis Costello & The Imposters in Hamburg, 3.6.2012, Setlist:

I hope you're happy now | Heart of the city | Mystery dance | Uncomplicated | Radio radio | Strict time | Man out of time |  Out of time | Livin in Paradise | (I don't wanna go to) Chelsea | Human hands | The stations of the cross | She | Talking in the dark | Everyday I write the book | Purple Rain 

A slow drag with Josephine (solo) | Jimmie standing in the rain (solo) | Who's the meanest girl in town Josephine (solo)

My all time doll | Shipbuilding | National ransom | When I paint my masterpiece | Watching the detectives/Help me

Greenshirt | Red shoes | Pump it up/Day tripper | What's so funny about peace love and understanding/God save the queen | Olivers army | I want you

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