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Trotz einiger Widrigkeiten war das von Norbert Schwefel veranstaltete 2. Sulphur Sonic Festival eine runde Sache. Stürmisches Novemberwetter mitten im August, krachende Aggregate und Dioxinwolken konnten die Psychedelic-Sixties-Beat-Welle, auf der neben Schwefel die Mandra Gora Lightshow Society ganz oben surfte, nicht stoppen.

Norbert Schwefel ist seit Ende der 80er in der Mannheimer Musiklandschaft präsent. Steht die Quadratstadt in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem für Soul der Gattung Xavier Naidoo oder Laith Al-Deen und neuerdings für die Popakademie, so repräsentiert Schwefel den musikalischen Underground. Dies stellte er in den letzten Jahren eindrucksvoll mit den Alben "Edge City" und dem 2003 erschienen "Mystifier" unter Beweis. Letztes Jahr fand, als Releaseparty zu "Mystifier", zum ersten Mal das Sulphur Sonic (=Schwefels eigenes Label) Festival statt. Am Neckarufer, unter der Riedbahnbrücke, ohne großes Brimborium, ohne Security und vor allem ohne Eintritt. Keine Selbstüberschätzung à la "Musikmetropole Mannheim", sondern ein Festival, das sich mittels Getränkeverkauf und (vegetarischer) Speisen finanziert. Dies in einer Umgebung, die Mannheim wirklich repräsentiert, veranstaltet von einem Musiker, dessen Projekte neben schlichtem Können vor allem von Vielseitigkeit und Experimentierfreude leben.

Bis auf den Releasecharakter stand das zweite Festival unter den gleichen Vorzeichen wie das erste, d. H. eine gelungene Auswahl an regionalen Bands mit einem überregionalen Highlight, die gleiche Neckarbrücken-Industrieatmosphäre, leider auch ähnliches Wetter. Windig, kühl, teilweise regnerisch - eher November als August. Radio Totale hatten als erste Band um 16.00 diese Suppe auszulöffeln, und dem Wetter entsprechend eine Handvoll Zuschauer. Aber die Weinheimer ließen sich's nicht verdrießen und ihre musikalische Vorgabe zog sich, mit Ausnahme von Mondo Guzzi, durch den ganzen Abend: Garagenbeat, sixties und psychedelic, ein gelungener Auftakt.

Mondo Guzzi waren insoweit der musikalische Ausreißer als sie weder an sixties noch an psychedelic erinnern. Die Mannheimer rocken ganz einfach. Und lassen sich davon auch nicht von dem 20 Meter entfernten, zum Großteil auf Bierbänken sitzendem Publikum abhalten. Im engen und stickigen Rhodos kam das Guzzi-Brett allerdings besser zur Geltung. Trotzdem ein kleines "Hallo wach!". Laut eigener Einschätzung zwischen Black Sabbath und Black Flag, was sich während des Gigs bestätigte. Mondo Guzzi knüppeln allerdings nicht blindlings auf die Zuhörer ein, sie zimmern Stücke, die sich im Ohr einhaken, teilweise unterstützt durch mehrstimmigen Gesang. Aber immer mit gehörig Druck, der gegen Ende des Gigs in Verbund mit wachsender Rotzigkeit zunahm. This stuff got balls.

Mit Townsend Plan kam das Festival in seinen sixties-psychedelic-Rahmen zurück und dank einsetzendem Regen das Publikum unter die Brücke und damit vor die Bühne. Schlechtes Wetter kann auch ein Vorteil sein. Den nutzten Townsend Plan. Mit eingängigen Songs irgendwo zwischen Velvet Underground und Go-Betweens bereiteten sie den Boden für den Auftritt des "Hausherrn" Schwefel.

Der Platz zwischen den Brückenpfeilern war mittlerweile mit ca. 600 Zuschauern gefüllt, der Regen abgeklungen und Norbert Schwefel entsprechend gut aufgelegt. Angekündigt war ein etwas experimentelleres Programm und das wurde in die Tat umgesetzt. Längere Stücke mit ausgeprägtem Psychedelic- und Krautrockcharakter bildeten den regulären Teil des Sets. Norbert Schwefel blieb seiner Ansage, aus dem Sulphur Sonic kein alljährlich wiederkehrendes Schwefel-Best Of zu machen, treu. Die Zugaben lieferten der Meute dann aber doch das zu erwartende Futter. Der Klassiker "Champagne Champagne And The Golden Rain" und das Titelstück der letztjährigen Scheibe "Mystifier" wurden hinterhergeschickt und versöhnten auch diejenigen, die bei den vorangegangenen Tracks begonnen hatten nervös mit den Füßen zu scharren.

Die anschließende Umbaupause hatte durch einen lauten Knall gefolgt von komplettem Stromausfall ihre eigene Dramaturgie. Der Strom kam zurück, ob durch den Generator oder die Acid-Space-Schwingungen der Mandra Gora Lightshow Society aus Hannover ist nicht überliefert. Deren fluorszierende Lightshow kam zwar nicht in erhofftem Maß auf dem Brückenpfeiler zur Geltung, dem Auftritt selbst tat das allerdings keinen Abbruch. Das Mannheimer Publikum wurde auf eine Reise quer durch die Galaxie geschickt, der Antrieb sicherlich auf Psylocybe Semilanceata-Basis. Dabei blieb der Gig trotz gelungener Psychedelic-Ausflüge R'n'R mit Sixties-Beat-Charakter in tanzbarer Form. Eine gelungene Show, herrliche Fuzz-Gitarren- und Hammondsounds, angetrieben von Stef, der neuen Frontfrau der Society, der der Auftritt zwischen den Pfeilern und das Mannheimer Publikum sichtlichen Spaß machte. Auch wenn die "Planquadrate" Mannheims das Navigationssystem der Lichtgesellschaft bei der Anreise wohl überforderten. Welches möglicherweise eher auf outer space geeicht ist.

Zusätzlich gewürzt wurde der Auftritt durch fünf Feuerwehr-Fahrzeuge mit Blaulicht am gegenüberliegenden Ufer. Eine Lagerhalle in der Landzungenstraße auf der Friesenheimer Insel war die Ursache. Laut der Mannheimer Feuerwehr handelte es sich um einen Nachbrand, die Halle sei in der Nacht von Freitag auf Samstag in Flammen gestanden. In dieser Nacht sei zwar eine Dioxinwolke freigesetzt worden, die sich aber auf Grund der großen Hitze und des starken Windes verflüchtigt habe, ohne dass die Messwerte die kritischen Grenzwerte überschritten hätten. Beim Nachbrand in der Nacht vom Samstag auf Sonntag habe keinerlei Gefahr bestanden. Das muss auch so sein, denn die Polizei, die wegen des "Lärms" vorbeischaute, trug weder Atemmasken noch Schutzanzüge ...

Nachdem das Festival mit der Mandra Gora Lightshow Society seinen Zenit erreicht hatte, beendeten Synthesizerklänge von Peter Seiler das Festival – ein passender Chill Out des Solokünstlers, der sich durch die Band Tritonus, Hörspiele und Soundtracks weltweit einen Namen gemacht hat. Als Fazit bleibt ein außergewöhnliches und anspruchsvolles Line Up, exzellenter Sound und improvisationsfähige Veranstalter. Nicht zuletzt ein wetterfestes Publikum, das fair genug war, die gastronomischen Angebote auf der Neckarwiese zu nutzen. Jedenfalls Motivation für Schwefel & Kollegen nächstes Jahr das dritte Sulphur Sonic anzusteuern – hoffentlich bei besseren äußeren Bedingungen.