© Dean Chalkley

Der ehemalige Kopf von The Jam und Style Council ist mit einem neuen Album zurück. "Sonik Kicks" erschien am 23. März bei Cooperative Music (Universal) und präsentiert den Künstler als einen, der den Stillstand scheut. Bei den 14 neuen Songs wirkten außerdem Ex-Oasis-Chef Noel Gallagher und Blur-Gitarrist Graham Coxon als illustre Gäste mit. Wir haben das neue Werk aufgelegt und verraten euch, ob Paul Weller damit an seine besten Momente anknüpfen kann.

{image}"The Modfather" nennt ihn die britische Presse – als "The Changingman" beschrieb er sich selbst in dem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1995. Es war eine ereignisreiche Zeit für ihn damals: Der Britpop-Hype hob junge Künstler, die massiv von ihm geprägt wurden, in die Charts und Weller selbst hatte sowohl in kreativer als auch in kommerzieller Hinsicht seinen zweiten Frühling. Auf der Schattenseite des Erfolges ging seine erste Ehe zu Bruch und sein Alkohol- und auch Drogenkonsum nahm bedenkliche Ausmaße an. Nun, zwei Frauen später, lebt Paul Weller abstinent und nimmt mit seinem neuen Album Sonik Kicks mal wieder in Kauf, die alten Fans durch seine aktuelle Musik zu verprellen. Allerdings hat er im Gegensatz zum letzten Mal, als er Ende der 80er Jahre auf den House-Trend einstieg, diesmal die Kritiker auf seiner Seite, die ihm gar den Thron zuweisen wollen, der seit Bowies Vorruhestand verwaist ist.

{image}So völlig unerwartet ist die musikalische Ausrichtung des neuen Albums jedoch nicht. Es wird allenthalben als Abschluss der "Simon Dine"-Trilogie gesehen, die mit 22 Dreams begann und ihre Fortsetzung mit Wake Up The Nation hatte. Dine, der Produzent, der in den frühen Nullzigern mit dem Projekt Noonday Underground erfolgreich war, ging mit Paul Weller gemeinsam den Weg weg von dem Livesound seiner alten Band hin zu einem experimentelleren Ansatz. So radikal wie auf Sonik Kicks wurde dies auf den Vorgängern jedoch noch nicht umgesetzt. Die bereits Ende 2011 veröffentlichte Single Around The Lake gab einen Vorgeschmack: Drumloops, Effekte auf Gesang und Gitarren – vor allem jedoch: Songstrukturen, die unvorstellbar erscheinen lassen, dass Weller diese Songs auch wirkungsvoll im akustischen Sologewand aufführen könnte. Der Opener Green verzichtet gar auf so etwas wie eine in sich geschlossene Textstruktur und bietet stattdessen nur eine lose Folge von Wörtern, die möglicherweise einen Sinn ergeben, vielleicht aber auch nicht. Musikalisch kommt die Nummer sehr getrieben daher. Weller mag das für innovativ halten, auf der Interview-DVD deutet er jedenfalls so etwas an, aber U2 haben Rockmusik und harten Dancefloor bereits in den 90ern mit ähnlichen Ergebnissen gekreuzt. The Attic spielt dann mit anderen Elementen, hat einen Prä-Beat Popappeal, der durchaus reizvoll ist. Kling I Klang ist vom Titel her ein Tribut an Kraftwerk, musikalisch ist der Song eher von Neu! beeinflusst. Überhaupt fiepen und piepsen die Analog-Synthies auf der ganzen Platte, als wäre man in Düsseldorf und schriebe das Jahr 1973. Man darf gespannt sein, ob er live eine Neu!-Interpretation seines Klassikers In The Kraut spielen wird oder ob die britische Presse ihn gar als "Krautvater" aufzieht.

{image}Es bleibt jedoch auch vieles an britischen Einflüssen in seinen neuen Songs. Die Single That Dangerous Age beleiht ein altes Kinks-Riff und stellt sich mit seinen "Shooo-hooop"-Chören als veritabler Ohrwurm dar. By The Waters, eine Akustiknummer mit raffiniert arrangierten Streichern, könnte gar eine Style-Council-Flispide (ca. 84/85) sein und mit When Your Garden's Overgrown gibt es auch beinahe Vintage-Weller im Soundgewand der aktuellen Platte. Der Song Study In Blue geht in seinem zweiten Teil in eine Art Dub-Jam über, der mit seinen Melodica-Melodien gar vermuten lässt, Damon Albarn hätte hier mitgewirkt. Dem ist zwar nicht so, dafür versammeln sich zwei andere Köpfe des Britpopbattle '95 – Noel Gallagher (Oasis) und Graham Coxon (Blur) – in friedlicher Koexistenz auf dem Album. Und die bewährten Sidekicks von Steve Cradock (Ocean Colour Scene), Andy Crofts (The Moons) bis zu Steve Pilgrim (The Stands) komplettieren dieses abenteuerliche Gipfeltreffen der UK-Gitarrenpopszene.

Bevor das Album mit Be Happy Children einen schönen Ausklang erhält, erklingen jedoch auch eine Reihe mittelmäßiger und schwacher Nummern. Sonik Kicks kann mit Sicherheit (ebenso wie die beiden Vorgänger) nicht mit den Großtaten aus dem Hause Weller mithalten. Es ist ihm dennoch nicht vorzuhalten, dass er diese Platten gemacht hat. Sein selbstbetiteltes Solodebüt, Wild Wood, Stanley Road und auch As Is Now behalten ihren Status vor allem dadurch, dass er nicht versucht hat sie zu kopieren. Keine Frage, dass Paul Weller ein Künstler bleibt, der den Stillstand scheut, und das ist ihm hoch anzurechnen.

Wertung: +++ (von +++++)

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