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Die helle und dunkle Seite von Erika Stucky. © Daniel Nagel

Die musikalisch zwischen Kalifornien und der Schweiz pendelnde Performance-Künstlerin Erika Stucky unterhielt ihr begeistertes Publikum in der Alten Feuerwache mit Humor, Gesangskunst, Erfindungsreichtum und einer gehörigen Portion Verrücktheit.

{image}Erika Stucky will nicht kategorisiert werden. Dabei kommt ihr zugute, dass es vollkommen unmöglich ist, ihre Musik in existierende Kategorien einzuordnen. Wie leicht man aber auch damit scheitern kann, neue Bezeichnungen für sie zu erfinden, verdeutlicht der Versuch des bedauernswerten Veranstalters, der ihre Musik einst als "future jodel jazz" ankündigte. Stucky schaut fast mitleidig, als sie die Anekdote dem lachenden Publikum in der hervorragend gefüllten Alten Feuerwache erzählt, wo ihre Konzerte zum Jahresabschluss beinahe schon eine Tradition sind.

Erika Stucky liebt es, ihr Publikum mit einer wilden Mischung aus Stilen und Stilbrüchen zu überraschen und zu unterhalten. Zum Auftakt des Konzerts betritt sie nicht etwa die Bühne, sondern schlägt mit einer Schaufel an die Heizungs- und Lüftungsanlage, wodurch sie ein dumpfes Dröhnen erzeugt. Dazu singt sie wortlosen Trauergesang, den sie scherzhaft später als "Swiss voodoo" bezeichnet. Ihr Markenzeichen ist es, mit Sprachen, Stilen und Sounds zu spielen. Von einer Sekunde auf die andere wechselt sie von Schwyzerdütsch zu Englisch, zu einer wortlosen Klangsprache und von Sometimes It Snows In April zu Tango Till They're Sore.

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Dazu passt, dass Erika Stucky selbst eine Wanderin zwischen den Welten ist. Geboren im hippiesken San Francisco der 1960er, zogen die Eltern Anfang der 1970er ins Wallis. Der Gegensatz zwischen der kleinstädtisch-bodenständigen Lebenswelt in der Schweiz und dem ultramodernen, experimentierfreudigen Kalifornien bildet bis heute einen zentralen kreativen Impetus in Stuckys Werk. Wenn sie auf Lieder der Hippie-Zeit zurückgreift, dann lotet sie damit aber hauptsächlich düstere Stimmungen aus. An diesem Abend spielt sie das apokalyptische Gimme Shelter, dazu Helter Skelter, das Lied, dessen Titel Charles Manson benutzte, um von einem bevorstehenden Krieg zwischen den Rassen zu predigen. There Was A Girl In 69 schließlich erzählt die Geschichte, wie ein kleines Mädchen, vermutlich sie selbst, fast in einem Fluss ertrank, basierend auf der Melodie von Randy Newmans beklemmenden Kindermörder-Lied In Germany Before The War. Am Ende hört man nur noch die Wellen und die Möwen...

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Erika Stucky genießt es, diese dunkle Strömung humorvoll zu brechen und mit absurdem Theater zu inszenieren. So singt sie den Disney-Dschungelbuch-Song Trust In Me komplett mit zischenden S-Lauten und schlangenartigen Handbewegungen, amüsiert mit Eminems Lose Yourself und bricht nach der eigentlich todtraurigen Performance von Drowning In A Sea Of Love, gesungen von Knut Jensen, in schallendes Gelächter aus. Die clownesken Bewegungen, der Einsatz von Super-8-Videoprojektionen, Schaufel, Schneeschieber, Akkordeon, elektrischer Ukulele, Alphörnern, Posaunen und Tuba verbinden sich in der Person von Erika Stucky in einem Gesamtkunstwerk, das manchmal chaotisch wirkt, aber tatsächlich den Versuch unternimmt, Ernsthaftigkeit und Traurigkeit in der Groteske zu überwinden.

So erzählt Erika Stucky dem Publikum die Geschichte, als ihr amerikanisches Hippie-Kindermädchen dem kleinen Mädchen erzählte, sie könne alles werden, was sie werden wolle. Zurück in der Schweiz schrieb sie daraufhin in einem Aufsatz "Mein Berufswunsch", sie wolle Hula-Tänzerin werden, woraufhin ihr die Lehrerin vorwarf, sie bringe die anderen Kinder durcheinander. "Das Kindermädchen hat irgendwie gewonnen", sinniert Stucky am Ende eines sehr unterhaltsamen Abends. Dann jodelt sie.

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