John Maus war mit Ariel Pink's Haunted Graffiti auf Tour. Dessen Einfluss macht sich deutlich beim Sound des Amerikaners bemerkbar. Lo-Fi war auch bei Gary War, dem Support, die Basis, auf der alles aufbaute. Fotostrecke starten

John Maus war mit Ariel Pink's Haunted Graffiti auf Tour. Dessen Einfluss macht sich deutlich beim Sound des Amerikaners bemerkbar. Lo-Fi war auch bei Gary War, dem Support, die Basis, auf der alles aufbaute. © Daniel Nagel

Im Rahmen des "Prèt À Écouter"-Festivals lädt der Karlstorbahnhof in Heidelberg jedes Jahr Musiker aus den unterschiedlichen Strömungen der Independent-Musik ein. Neben Zola Jesus, Star Slinger und Peter Licht war dieses Jahr auch John Maus zu Gast. Der Musik- und Philosophie-Student, der zur Zeit an seinem PhD in politischer Philosophie arbeitet, fand mit Ariel Pink zur Popmusik. Support war Gary War aus NYC.

{image}Das Konzert der beiden Lo-Fi-Musiker lässt sich schwer mit den klassischen Konzepten einer Rock- oder Pop-Show erfassen. Zunächst einmal handelt es sich bei beiden um Solokünstler, die im Falle Gary Wars mit Gitarre und Mikro, bei John Maus nur mit einem Mikrophon, selbstgebastelte Beats aus der Konsole begleiten. War konstruiert dabei einen Sound, der wohl am ehesten mit "psychodelisch" zu umreißen ist. Schräge Synthiesounds und -beats, die an die Openingthemes billig produzierter Cartoons der 80er wie Masters Of The Universe, Thundercats oder Ulysses 31 erinnern, paaren sich mit Riffs aus dem Kalifornien der Hippies. Dazu gesellt sich eine sphärisch-verhallte Stimme, die eines Körpers beraubt ins elektronische verfremdet wird. War selbst verschwindet hinter langen Haaren, in die das Mikrophon von Zeit zu Zeit eintaucht, um der Soundwand, die er durch seine phrenetische Arbeit an der Gitarre erzeugt, einen weiteren Stein hinzuzufügen. Die circa halbstündige Show ähnelt dann auch eher einer Grenzerfahrung der akustischen Aufnahmefähigkeit als einem Konzert.

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Während sich Gary War physisch weitgehend aus der Show zurückzog, steht der Körper und besonders der Kopf bei John Maus im Mittelpunkt. Um das, was er sich selbst und dem Publikum bei seinen Liveshows antut in einen begreifbaren Rahmen zu setzen muss – wie schon angedeutet – die Kategorie "Konzert" fallengelassen werden. Vielmehr weist das, was er über eine gute halbe Stunde im Foyer des Karlstors präsentiert, mehr die Charakteristika von Performancekunst auf. Maus steht schreiend, sich schlagend, die Augen kratzend auf der Bühne, schweiß- und wasserdurchnässt und eskaliert von der ersten Sekunde an. Er wiegt sich manisch im Rhythmus der übersteuerten Beats und singt oder schreit in einer mehrschichtig synthetisierten Stimme, krampft die Hand zur Faust, zerreißt sein eigenes Gesicht vor Spannung zu den wildesten Grimassen. Er scheint mit aller Macht explodieren zu wollen und scheitert doch an der physischen Barriere seiner körperlichen Integrität. Seine Stimme scheint das einzige Ventil für die Energie zu sein, die in diesem Wahnsinnigen vibriert. Es beeindruckt, wie es ihm zwischen den hemmungslosen Ausbrüchen gelingt, diese wieder unter Kontrolle zu bringen und in einen tiefen, sonoren Gesang zu pressen. Gegen Ende des Konzerts wird seine Stimme immer lauter, immer mächtiger, übertönt und durchdringt alles bevor die Show in einem leeren Loop endet.

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Darf man John Maus ein Konzept hinter dem, was er macht, unterstellen? Darf man voraussetzen, dass er mehr will als nur zu schocken? Man muss es förmlich und das nicht zuletzt aufgrund seines Bildungswegs. Maus hat mit Ariel Pink zur Popmusik gefunden. Solo setzt er sich damit kritisch auseinander. Seine Songs weisen keine klassischen Noise-Elemente auf, sind nicht atonal, verfolgen keine bestimmten Themen. Trotzdem gelingt es ihm den Zuschauer unweigerlich zu der Frage zu führen, an was er gerade partizipiert. Musik wird zerrissen, ebenso wie der Protagonist dieses Exorzismus sich scheinbar zerreißt. Zerstörung in der Hoffnung, einen Kern unter den vielen Schichten des Pop zu finden, von dem alle wissen, dass er nicht existiert. Während Noise, Prog und Konsorten mit den Strukturen des Pop brechen, um Bedeutung zu erzeugen oder zu finden, bedient sich Maus dieser Strukturen, um den Pop in seiner eigenen Sprache zu überführen. Ja, man muss John Maus ein Konzept unterstellen, da sonst nur ein völlig durchgeknallter Wahnsinniger auf der Bühne steht.

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