Sein Debütalbum wurde von den Kritikern fast ausnahmslos positiv bewertet. Ghostpoet nennt sich der Endzwanziger aus England, der an Mike Skinners Thron sägt.
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Sein Debütalbum wurde von den Kritikern fast ausnahmslos positiv bewertet. Ghostpoet nennt sich der Endzwanziger aus England, der an Mike Skinners Thron sägt. Foto: Mischa Richter © Brownswood Recordings

Die Hippster-Szene bemächtigt sich wie ein Krake langsam aller Genres und entkernt unterschiedlichste Szenen zu einer oberflächlichen Fassade. Das nächste Opfer scheint ausgemacht und Hippster-Hop steht in den Startlöchern. Im Karlstorbahnhof treten zwei Vertreter dieses Genres gemeinsam auf, die optisch jedes Klischee erfüllen. Doch während der eine die Fassade zelebriert, wird sie beim anderen zu unwichtigem Beiwerk. Bericht zum Konzert von Ghostpoet und Muso in Heidelberg.

Als Support für die komplette Deutschlandtour hat sich Ghostpoet den Heidelberger Rapper Muso mit ins Boot geholt. Dessen Debütalbum erscheint nächstes Jahr und wird von Konstantin Gropper, dem Mann hinter Get Well Soon, produziert. Dieser stand dann auch gemeinsam mit zwei weiteren Musikern im Karlstorbahnhof auf der Bühne, um den MC zu begleiten.

No Flow

Wer Qualitätsrap aus Heidelberg à la Stieber Twins oder Torch erwartete, wurde allerdings schnell enttäuscht. Die von der Band gelieferten "Beats" arteten eher in überladenes Indiegefrickel aus und die Texte Musos kamen selten über die Akkumulation von sinnverwandten Substantiven hinaus.

Jeglicher Flow erstarb schon im Ansatz, beließ er es doch selten bei mehr als einem Halbsatz. Auch inhaltlich war nicht mehr drin als plakatives Weltverbessern und eine emotionale Tiefe, die spätpubertierenden Mauerblümchen würdig wäre. Zeitweise erinnert die Performance eher an Spoken Word oder einen mäßigen Poetry-Slam-Beitrag, denn an einen Rapsong.

Mit Marteria und Casper hat Emo-Indie-Rap seine Helden bereits gefunden und es wäre gut, wenn es dabei bleiben würde.

Ghostpoets Innovationskraft

Nachdem der Spuk mit einer scooteresken Darbietung endete, zeichnete sich beim Umbau ab, dass der Londoner MC Verstärkung durch einen Drummer und einen Gitarristen dabei hatte. Im Gegensatz zu den Massen an Equipment, die der Support auffuhr, standen dennoch lediglich ein Schlagzeug, ein Gitarrenamp und Ghostpoets Set-Up auf der Bühne.

Da das Debüt Peanut Butter Blues & Melancholy Jam auf Platte mehr nach Chill-Out-Floor im Club als nach einer Liveband klingt, weckte dieser Umstand Neugier auf die Umsetzung der Songs. Ghostpoet greift musikalisch auf verschiedene Elemente urenglischer Clubsounds wie Trip-Hop, Breakbeats oder UK Garage zurück und die Integration von Live-Instrumenten bei diesen Genres gelang bisher fast immer.

Als Ghostpoet, der mit bürgerlichem Namen Obaro Ejimiwes heißt, dann mit Drummer und Gitarrist die Bühne betrat, war man entsprechend gespannt, was von dem drückenden, introspektiven Sound des Albums übrigbleiben würde. Zunächst beeindruckte der Mann auf der Bühne aber durch die gleichzeitige Handhabung des Mikrophons und einer ganzen Phalanx an Gizmos, mit denen er neben Samples auch seine eigene Stimme live bearbeitete.

Ghostpoet gehört eindeutig zur Generation, die mit Kaossillator, Kaospad und 4 Fingern ganze Alben produzieren können, ohne repetitiv zu wirken. Seine Raps trägt er im dicksten Londoner Akzent mit einer fast einschläfernden Monotonie vor, was im krassen Gegensatz zum elaborierten Aufbau des Inhalts steht, aber live Abzüge bei der Verständlichkeit mit sich brachte.

Nach den ersten zwei Songs nimmt das Konzert etwas Fahrt auf und die Rolle der anderen beiden Musiker auf der Bühne wird deutlich. Drückt das Album den Zuhörer noch tief in seinen Sessel, hebelt ihn der Schlagzeuger beim Livegig regelrecht auf die Tanzfläche. Gemeinsam mit dem Gitarristen entwickelt sich ein Sound, der irgendwo zwischen Dälek und TV On The Radio liegt. Komplex, tief, aber trotzdem tanzbar.

Die Struktur der Songs bricht der Mann am Mikrophon immer wieder mit noisigen Sounds auf, versampelt seine eigene Stimme ins Sphärische und hält sich dabei angenehm im Hintergrund. Überhaupt passt das zurückhaltende Auftreten zum nachdenklichen Inhalt der Texte und den unaufdringlichen Beats. Ghostpoet verzichtet auf die In-Your-Face-Attitüde so vieler Rapper und spielt mehr mit Andeutungen, die im Kontext aber konkreter kaum sein könnten.

Vergleicht man den Sound des Albums mit dem, was MC und Miniband live darbieten, wird die Varietät deutlich, die die Stücke durch Gitarre und Schlagzeug erhalten und dass ihnen das durchaus gut zu Gesicht steht. 2002 erschien Original Pirates Material und setzte Maßstäbe, deren Existenz davor niemand auch nur erahnte. Peanut Butter Blues & Melancholy Jam wird an diesen Maßstäben gemessen werden und jeden Vergleich locker meistern.

Und was die Liveperformance des Mannes hinter diesem Album betrifft, so steht diese der Innovationskraft der Platte in nichts nach.

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