Nach "Ja, Panik", "The Taste and the Money" und "The Angst and the Money" hat die aus Österreich stammende Band Ja, Panik mit "DMD KUI LIDT" im April 2011 ihr viertes Album veröffentlicht.

Nach "Ja, Panik", "The Taste and the Money" und "The Angst and the Money" hat die aus Österreich stammende Band Ja, Panik mit "DMD KUI LIDT" im April 2011 ihr viertes Album veröffentlicht. © Christoph Voy

Nach "Ja, Panik", "The Taste and the Money" und "The Angst and the Money" hat die aus Österreich stammende Band Ja, Panik mit "DMD KUI LIDT" im April 2011 ihr viertes Album veröffentlicht. Für die Aufnahmen zu ihrer jüngsten Platte kamen die fünf Musiker nach Berlin und erklärten die Hauptstadt danach prompt zu ihrem festen Wohnsitz, um noch mehr Wellen in Deutschland zu schlagen. Unser Redakteur Daniel Voigt traf Sänger Andreas und Schlagzeuger Sebastian zum Interview.

{image}regioactive.de: Euer aktuelles Werk heißt DMD KIU LIDT. In welcher Sprache wendet ihr euch damit an eure Hörer?

Andreas: Es gibt auf diese Frage keine Antwort. Der Titel ist die Sprache von Ja, Panik.

Die Vermischung deutscher und englischer Textpassagen spielt in euren Lyrics eine große Rolle. Ist das eine Referenz an die "Verdenglischung" der Sprache in den Medien und der Gesellschaft?

Andreas: Wir wollen uns für keine Sprache entscheiden. Wir haben uns noch nicht endgültig entschieden, ob wir auf Deutsch oder Englisch singen wollen. Wir wollen lieber ein bisschen weiterdenken und uns nicht nur in der deutschen Tradition sehen – angefangen mit den Ton Steine Scherben –, sondern auch den englischen Teil als das Popgeschichtliche mit hineinfließen lassen.

Was hat die eine Sprache, was die andere nicht hat und umgekehrt?

Andreas: Für uns ist Deutsch schon ganz klar die Muttersprache und Englisch ist eher ein Fremdkörper. Andererseits ist Englisch die artifiziellere, lyrischere und einfachere Sprache. Auf Deutsch zu singen klingt im Vergleich immer viel härter. Dafür kann man damit viel einfacher Inhalte transportieren. Aber im Endeffekt sieht das ein Brite natürlich genau andersherum. In Ja, Panik-Songs ist das Englische immer der musikalische Part, in der es mehr um Lautmalerei als um Inhalt geht. Es soll in diesen Momenten nicht um Referenzen oder Zitate gehen, sondern die Stimmung soll aus der Pophistorie in die Gegenwart projiziert werden. Was das Textliche angeht, zählt für mich mehr der Rhythmus als der Inhalt. Was nicht bedeutet, dass das in Reimform sein muss. Eher bewegen sich die Lyrics nah am HipHop. Wir haben uns dabei zum ersten Mal am klassischen Songwriting versucht und gelernt, dass man hierbei sehr dogmatisch und pragmatisch vorgehen kann.

{image}Wenn ihr eure Musik als Kunstwerk oder Film beschreiben müsstet, wie würdet ihr eure Musik in eigenen Worten definieren? Welches Kunstwerk würde eure Musik am besten beschreiben?

Andreas: Das kann man schwer sagen, da wir eben Musik machen und kein Kunstwerk schaffen. Wir schreiben einfach Popsongs und Noise-Songs, die mir sehr reichhaltig erscheinen. Sowohl sprachlich als auch musikalisch ist unsere Musik sehr assoziativ.

Das neue Album ist das erste Werk, das ihr in Berlin aufgenommen habt. Inwiefern hat diese Stadt euer Album beeinflusst?

Sebastian: Als die Platte entstand, wohnten wir erst kurze Zeit in Berlin und waren deswegen ein wenig sozial isoliert. Das hatte mit Sicherheit einen Einfluss auf das Album.

Andreas: Ich glaube es geht hierbei weniger um den Umzug nach Berlin, sondern um den Umzug in eine Stadt im Allgemeinen, in der man noch fremd und auf sich selbst zurückgeworfen ist. Aus Wien kannten wir das nicht, da wir da eben jeden kannten. In Berlin waren wir anfangs eine Enklave und ich glaube, deswegen ist auch dieses Monstrum von Album entstanden. Es war eine sehr zurückgezogene Arbeit und wir hatten immer das Gefühl in die Stadt rausgehen zu dürfen, wenn wir zuvor auch was gemacht hatten. Das ist vielleicht auch der Grund, warum es auf dem Album so viel um Einsamkeit im Sinne von Vereinzelung geht. So selten haben unsere Handys in unserem Leben noch nie geklingelt. Aber das kann auch schön sein. Dazu haben wir eine so große Masse an Menschen in solch einer Großstadt zum ersten Mal bewusst erlebt.

Euer Titelsong ist mit 14 Minuten ja extrem lang geworden. Habt ihr überlegt daraus einen Kurzfilm zu machen?

Andreas: Das ist durchaus eine Überlegung. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Was hat Österreich, was Deutschland nicht hat und umgekehrt?

Andreas: Es ist schwer über Deutschland zu reden, weil wir uns ja in Berlin eingenistet haben. Da kennen wir uns jetzt aus, aber von Deutschland im Generellen habe ich wenig Ahnung. Beim Touren kriegt man von Deutschland und seinen Städten wenig mit. Das Einzige, was man bewusst wahrnimmt, sind eigentlich nur die unterschiedlichen Konzertlocations. Aber grundsätzlich ist das Klima in Österreich natürlich anders. Da geht es einfach darum, wie ein Land aufgestellt ist und natürlich was für eine Relevanz das Land im Weltgeschehen hat. Man merkt, dass man auf einmal an einem Ort angekommen ist, wo etwas passiert. In Deutschland steht man inmitten des Hurricanes und bekommt alles mit, was in Europa geschieht. In Österreich läuft das alles nur am Rande mit, denn es interessiert da kaum jemanden.

{image}Oft werdet ihr als Poeten der Musik gedeutet. Wie würdet ihr den Begriff "Poesie" definieren?

Andreas: Das ist schwierig, weil wir uns selbst nicht als Poeten bezeichnen – das müssen andere tun. Ich habe selbst noch nicht groß darüber nachgedacht, aber grundsätzlich bin ich dafür solche Begriffe ganz frei zu verwenden. Ich will es nicht definieren, aber ich will Poesie nicht auf die Sprache beschränken. Poetisch kann genauso gut auch ein Mensch oder Moment sein. Poesie ist etwas sehr Formschönes.

Das Album wurde durch den Satz geprägt: "Die Manifestation des Kapitalismus ist die Traurigkeit". Ist Traurigkeit in die Mode gekommen?

Andreas: Ist es eine Modeerscheinung oder eine Reaktion? Es ist schwierig zu erkennen, was zuerst da war. Man muss sich immer die Frage stellen, was real und was Fake ist. Da es vorhanden ist, muss man Aufklärungsarbeit leisten und darüber sprechen. Man hat in den letzten Jahren einfach eine größere Neigung zu Depression und Traurigkeit entwickelt. Man spricht leichter darüber und dadurch gibt es mehr Mitläufer. Trotz allem kann man nicht von der Hand weisen, dass es natürlich ein aktuelles Thema ist. Es hat einen Sinn darüber zu reden, denn die Sache hat Namen: Burn-Out-Syndrom und Depression. Ich finde selbst, dass nur der Dialog darüber eine Modeerscheinung ist. Nicht die Sache an sich. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass da Kräfte wirken, die man nicht beeinflussen kann. Doch das gehört zum Leben dazu.

{image}In eurem Song This Ship Ought To Sink singt ihr an einer Stelle: "Kill yourself/ Und diese Welt wird eine schöne gute Welt". Selbstmord ist aber keine Lösung, oder doch?

Andreas: Es gibt ein schönes Zitat von Jean Améry: "Der Freitod ist ein Pivileg des Humanen". Es ist ein Griff zur Freiheit und das muss man akzeptieren. Wenn nichts mehr geht, dann ist es die letzte Möglichkeit, dich in eine aktive Rolle zu versetzen. Das ist sicherlich manchmal eine sehr fragwürdige Lösung, aber Selbstmord ist dennoch die letzte Konsequenz aus einer Befreiung heraus. Diesen befreienden Moment anzusprechen finde ich wichtig.

Ein Video heißt Nevermind. Dort beschreibt Andreas alle Bandmitglieder auf sehr persönliche Weise...

Sebastian: Es stimmt viel davon, aber nicht alles. Man glaubt sich zwar immer selbst darin wiederzuerkennen und vermutlich zurecht, aber ich glaube, es gibt auch Dinge, die jedem innewohnen.

Andreas: Ich denke, man kann es wie ein Horoskop sehen. Manches stimmt, anderes nicht. Aber ich habe versucht, an den Fakten vorbei die Wahrheit über die Leute zu sagen und die Stimmung der Personen einzufangen. Aber andererseits kann das ja keiner nachprüfen.

Vielen Dank für dieses Interview!

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