In Berlin zeigte Patrick Wolf, dass es gerade die nicht ganz so perfekten Momente eines Konzertes sind, die den Abend letztendlich schön und einzigartig machen.

In Berlin zeigte Patrick Wolf, dass es gerade die nicht ganz so perfekten Momente eines Konzertes sind, die den Abend letztendlich schön und einzigartig machen. © Universal Music

Sein neues Album "Lupercalia" erschien am 17. Juni, nun ist der 28-jährige Londoner wieder auf Tour: Im Astra Kulturhaus in Berlin zeigte Patrick Wolf am vergangenen Montag, dass es gerade die nicht ganz so perfekten Momente eines Konzertes sind, die den Abend letztendlich schön und einzigartig machen. Mit seiner charmanten Art wickelte das britische Popmusikgenie sein gesamtes Publikum um den Finger. Am Ende jubelten und tanzten alle.

{image}Wenn man heute jemanden im Popmusik-Business als Wunderkind bezeichnen kann, dann ist es Patrick Wolf. Obwohl er erst 28 Jahre alt ist, ist die Veröffentlichung seiner ersten selbstbetitelten EP schon fast zehn Jahre her. Zwischen damals und diesem Konzert im Astra, das im Rahmen der Tour zum aktuellen Album Lupercalia stattfindet, liegen vier Alben, ebenso viele EPs und zahllose Live-Auftritte weltweit. Zweimal zuvor sahen wir schon Wolf-Konzerte in Berlin: 2009 ebenfalls im Astra und im April dieses Jahres im Lido. Auch ein Interview haben wir mit Patrick Wolf schon führen können. Das neue Werk beherbergt ohne Frage seine bisher poppigsten Lieder und strahlt förmlich vor Glück und Kitsch. Aber das ist aus unserer Sicht vollkommen in Ordnung, denn es ist schließlich Musik von Patrick Wolf und "der darf das", vor allem weil man trotz aller Glätte und der dick aufgetragenen Instrumentierung zu keiner Sekunde an seiner Authentizität zweifelt. Vielleicht sehen dies aber doch nicht alle seiner Fans so, denn ausverkauft ist das Astra in Berlin-Friedrichshain diesmal nicht gerade.

{image}Als Wolfs Support Chinawoman pünktlich die Bühne betritt, ist der Saal nur ungefähr zur Hälfte gefüllt. Die eher ruhige Synthie-Musik der Sängerin mit der auffällig tiefen Stimme kann die Aufmerksamkeit der Zuschauer leider nur mäßig auf sich ziehen und bekommt eher höflichen Applaus.

Als dann aber nach kurzer Umbaupause erst die Band und dann Patrick Wolf selbst die Bühne betritt, ist der Saal etwas voller – aber fast gänzlich still. Vereinzelt kann man sogar ein "Pssst!" hören, als wolle man ein scheues Reh beobachten. Wolf betritt völlig unspektakulär noch ohne Musik die Bühne und beginnt seine Show mit einem ungewöhnlich ruhigen Opener. Trotzdem hat er die gesamte Aufmerksamkeit der Zuschauer, die auch bis zur letzten Minute nicht weichen wird. Nach einer kurzen Aufwärmphase von ein paar Songs schmilzt die zunächst respektvolle Distanz zwischen dem Sänger und seinem Publikum. Wolf schwätzt zwischen den Songs munter daher. Verkatert sei er, heute morgen mit Verband am Finger, aber ohne jede Erinnerung aufgewacht – man möge es ihm also verzeihen, wenn er beim Zupfen der irischen Harfe ein schmerzverzerrtes Gesicht mache. "Forgive me, I have sinned". fügt er mit freudig-süffisantem Lächeln hinzu.

{image}Das Publikum freut sich mit ihm. Denn Patrick Wolf scheint in einem Katerzustand zu sein, der ihn eher noch besser als schlechter macht. Es ist völlig egal, ob er ein-zweimal den Text vergisst. Ansonsten klappt nämlich alles wie geschmiert. Sein Gesang ist makellos, genau wie sein Spiel der zahlreichen Instrumente von Keyboard über Ukulele, Bratsche und Harfe bis hin zum seltsamen Saiteninstrument, dessen Namen man sich nur schwer bzw. gar nicht merken kann.

So ist es schwer zu sagen, was die Highlights dieses Abends waren. Vielleicht war es sein Duett mit Schauspielerin Gwendoline Christie, vielleicht seine Coverversion von Joni Mitchells All I Want. Definitiv gehört seine Performance von Together dazu, bei der Wolf zeigte, dass dies für ihn nicht einfach nur ein Songtitel ist, und mit dem er durch das Publikum tanzte. Wo Patrick Wolf am morgen noch einen Verband vorfand, befand sich abends sein Publikum: nämlich fest um den Finger gewickelt. Als er dann nach mehr als 90 Minuten die Zuschauer in die kalte Nacht entlässt, haben alle noch lange ein Lächeln im Gesicht. So muss das sein.

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