Enjoy Jazz 2011: Das Konzert im fast ausverkauften BASF-Gesellschaftshaus in Ludwigshafen zeigte Pianist Colin Vallon, Bassist Patrice Moret und Schlagzeuger Samuel Rohrer von einer anderen Seite. Im Mittelpunkt stand die Erforschung der perkussiven, pulsierenden Strukturen der Musik. Fotostrecke starten

Enjoy Jazz 2011: Das Konzert im fast ausverkauften BASF-Gesellschaftshaus in Ludwigshafen zeigte Pianist Colin Vallon, Bassist Patrice Moret und Schlagzeuger Samuel Rohrer von einer anderen Seite. Im Mittelpunkt stand die Erforschung der perkussiven, pulsierenden Strukturen der Musik. © Daniel Nagel

Das Colin Vallon Trio lotet bei seinem Auftritt in Ludwigshafen im Rahmen von Enjoy Jazz die Möglichkeiten des Klavier-Trios jenseits der verträumten Romantik aus - und hat damit erfreulich großen Erfolg.

Konzerte und Plattenaufnahmen bilden stets zwei Seiten desselben Künstlers ab - manchmal sind sie deckungsgleich, manchmal aber eröffnen sie nicht nur eine andere Sichtweise auf das Studiowerk, sondern stehen vielmehr in starkem Gegensatz zu diesem. Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass Festivalleiter Rainer Kern das Colin Vallon Trio ob seiner Melodik lobt und erklärt, das kürzlich auf ECM erschienene Album Rruga sei sein persönliches Lieblingsalbum des Jahres 2011.

Das Konzert im fast ausverkauften BASF-Gesellschaftshaus in Ludwigshafen zeigt Pianist Colin Vallon, Bassist Patrice Moret und Schlagzeuger Samuel Rohrer allerdings von einer anderen Seite. Nicht das Ausleben der Melodik des Klavier-Trios steht im Mittelpunkt des Auftritts, sondern die Erforschung der perkussiven, pulsierenden Strukturen der Musik.

In seinen zwei Sets von jeweils einstündiger Dauer dominieren längere, ungefähr zwanzigminütige Kompositionen, die sich nicht durch reduzierte Offenheit oder lyrische Sanftheit auszeichnen, sondern im Gegenteil durch einen enorm verdichteten Klang.

Anders als auf Rruga ist Colin Vallons Klavier eingebettet in einen rhythmischen Strom aus Schlagzeug und Bass, die sich als vollständig gleichberechtigte Instrumente präsentieren. Die genuin kollaborative Natur des Konzerts wird auch dadurch ersichtlich, dass alle Beteiligten Kompositionen beitragen.

Colin Vallon spielt das Klavier häufig nicht nur "klassisch", sondern schlägt die Saiten mit den Fingern an, erzeugt durch Reiben mit einem Tuch einen fast an ein Saxophon erinnernden Sound, manipuliert es jedenfalls auf ausgefallene Weise. Meistens beschränkt er sich auf Tonlagen im mittleren Register, als bestünde eine vorgegebene klanglich-räumliche Trennung zwischen den Instrumenten.

Aus diesen Elementen entwickelt sich eine Musik, die sich wie ein breiter Strom unaufhaltsam seinen Weg bahnt, die sich aufteilt und wieder vereinigt, die gemächlich-hypnotisch dahinfließt, um dann tosend laut von Klippen zu stürzen.

Die Musik beschreibt aber keine Reise, sondern Zustände und Erscheinungsformen, die ineinander übergehen, sich auseinander entwickeln, sich aber letztlich auf dieselben Grundformen zurückführen zu lassen.

Nicht das Einzelne interessiert, sondern der Gesamtzustand: Es gibt im ganzen Verlauf des Abends nur ein Solo. Das ist auf seinen übrigen Studioaufnahmen nicht anders, aber das Konzert macht das Konzept des Trios in weitaus intensiverer Weise erfahrbar.

Trotz allem ist die Musik nicht so unbeugsam abstrakt, dass sie das Publikum verschrecken würde. Im Gegenteil, durch ihre Natürlichkeit bleibt sie auch stets zugänglich, da sie sich nicht hermetisch verschließt, sondern gerade durch die repetitiven-hypnotischen Klavier-Motive, die Zuschauer immer wieder aufs Neue einbezieht.

Neben Colin Vallon überzeugt Samuel Rohrer besonders durch die Vielfalt und Ausdrucksstärke seines Schlagzeugspiels, während Patrice Moret - wie so viele Bassisten - eher unauffällig bleibt, ohne dass man seine Leistung unterschätzen sollte. Das Publikum verabschiedet die Künstler nach mehr als zwei Stunden jedenfalls mit großem Applaus.

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