Mit ihrem Film "Projekt E" geht die Mannheimerin Christina Stihler dem auf den Grund, was Menschen antreibt.

Mit ihrem Film "Projekt E" geht die Mannheimerin Christina Stihler dem auf den Grund, was Menschen antreibt. © Projekt E

Christina Stihler hat sich Großes vorgenommen. Mit ihrem Film "Projekt E" geht die Mannheimerin dem auf den Grund, was Menschen antreibt. Anhand der Mannheimer Musikszene wird das Ganze veranschaulicht, wobei neben Musikern, Produzenten und Fans auch Vertreter der Kreativförderung und der Stadtverwaltung zu Wort kommen. regioactive.de sprach mit ihr über Leidenschaft, die unterschiedlichen Sichtweisen auf Erfolg und die Umsetzung ihres Projekts.

{image}regioactive.de: Du studierst Fotografie. Wie kamst du von deinen bisherigen Projekten (ideasformillions.com) zum Film?

Christina Stihler: Letztes Jahr nahm ich an einem Wettbewerb mit dem Thema Anti-Gewalt teil, bei dem sowohl Kurzfilme als auch Fotos eingereicht werden konnten. Im Rahmen dieses Wettbewerbs entschied ich mich für das Format Kurzfilm, da ich so die Menschen besser zu Wort kommen lassen konnte als durch Fotos. Während der Interviews wurde mir dann selbst deutlich, wieviel Spaß mir diese Arbeit bereitete. Deswegen ist auch aus Projekt E ein Film geworden.

{image}Und wie bist du auf die Idee zu Projekt E gekommen?

Die Idee kam während des gleichen Wettbewerbs zustande. Ich lernte über eine Freundin ein paar Jungs kennen, die in der Mannheimer HipHop-Szene aktiv waren. Die hatten eigentlich keine großen Visionen oder Ideale und auch keine wirkliche Vorstellung davon, wo sie hinwollten. Aber sobald sie etwas mit HipHop machten, entwickelte sich eine erstaunliche Konsequenz und Begeisterung, die sich in der Folge auch auf mich übertrug. Im Laufe meiner Arbeit stellte ich fest, wie sehr es mich mitreißt, wenn Leute von ihrer Arbeit begeistert sind. Einer der Jungs beschrieb mir zum Beispiel, was er beim Tanzen fühlt. Das brachte seine Augen sogar im Dunkeln zum Leuchten. Da dachte ich mir, dass man die Musikszene Mannheims als Ganzes zu dem Thema zu interviewen könnte: Was treibt die Menschen an, die das tun, was sie wirklich wollen?

{image}Wie hast du versucht, diese vielschichtige Szene als Ganzes durch Interviewpartner im Film abzubilden?

Es sind verschiedene Menschen aus der Musikbranche. Vom Musiker über den Produzenten, bis hin zu Veranstaltern, Fans oder Menschen in der Verwaltung. Ich wollte Repräsentanten aus so vielen Bereichen der Branche wie möglich dabei haben. Auf diese Art hat jeder in dem Film seine eigene Rolle, ob erfolgreich oder nicht. Es gibt die Vertreter der Kreativförderung, Musiker und Produzenten, aber auch Fans, wie zum Beispiel einen Plattensammler.

{image}Was ist der aktuelle Stand bei Projekt E?

Wir haben die Dreharbeiten für die Interviews im August abgeschlossen und sitzen aktuell am Schnitt. Ich sprach zu Beginn des Projekts davon, den Film im Herbst ins Kino zu bringen. Der Termin im Atlantis-Kino Ende November, den wir anfänglich im Auge hatten, wäre dann wirklich schon äußerster Herbst gewesen, aber wir werden die Premiere noch einmal weiter nach hinten schieben müssen. Ich habe für den Schnitt nun auch eine weitere professionelle Kraft eingestellt, um die Arbeiten möglichst bald abzuschließen. Das wird leider trotzdem nicht mehr in diesem Jahr passieren, dafür wird das Ergebnis aber umso besser ausfallen.

{image}Wer hat dir bei der Umsetzung deiner Idee sonst noch geholfen?

Bisher konnte ich sowohl auf die freiwillige Hilfe von Freunden und Bekannten als auch auf die Unterstützung zahlreicher Profis zählen, die teilweise schon über langjährige Erfahrung im Filmbereich verfügen und sich dennoch für wenig oder kein Honorar ins Projekt einbrachten, weil ihnen das Thema ebenfalls am Herzen lag. Das Kernteam umfasst rund zehn Leute. Die Sichtung des Materials, die Transkription, der Schnitt und so weiter – einen Film zu machen ist mit umfangreichen Arbeiten verbunden, für die ich deren Mithilfe brauche. Die Fäden sind zwar bei mir zusammengelaufen, aber das Teamwork hat mir auch gezeigt, wie erleichternd es sein kann, wenn man mal was aus der Hand gibt.

Wie bist du auf die Idee mit der Finanzierung durch Crowdfunding gekommen?

Auf die Idee kam ich dank einer Protagonistin des Films, die sich ihr zweites Album über eine Spendenaktion auf ihrer Homepage finanzierte. Wir haben dann über Startnext mit Hilfe eines Videos zu Projekt E eine ordentliche Summe gespendet bekommen.

 

 

Wie bist du bei der Präsentation des Projekts vorgegangen?

Man muss sich bewusst sein, dass Menschen motiviert werden wollen. Deswegen war es mir wichtig, dass man auch etwas über die Personen erfährt und diejenigen kennenlernt, die hinter dem Projekt stehen. Das ist einerseits mit einem gewissen Mehraufwand verbunden, andererseits wirkt es natürlich besser, wenn hinter dem Gesicht auch eine Geschichte steht.

Und was waren die Auswirkungen auf das Projekt? 

Es hat sich als unheimlich viel Arbeit herausgestellt, sowohl am Film zu arbeiten als auch das Crowdfunding zu betreuen. Das nächste Mal würde ich mich wohl erst auf die Finanzierung konzentrieren und mich danach um die eigentliche Arbeit kümmern. Oder eben, wie jetzt beim Schnitt, jemanden explizit damit beauftragen. So eine Präsentation kann man nicht einfach hinpfuschen, da sie über Erfolg und Misserfolg des ganzen Projekts entscheidet. Es war aber auch hilfreich durch das parallele Arbeiten am Film den Leuten immer wieder ein Update über den Stand der Dinge geben zu können. So konnte ich zeigen, dass auch wirklich etwas passiert.

 

 

Es war wirklich spannend zu beobachten, wie sich dein Filmprojekt Stück für Stück entwickelte, wie du von Beginn an ein größeres Publikum daran teilhaben ließt. Verändert solch ein Prozess auch den eigenen Blick auf das Stichwort Erfolg?

{image}Ein Interviewpartner erwähnte mir gegenüber, dass sich Erfolg mit der Zeit verändert. Anfangs genügt es, wenn dich die Leute nicht ausbuhen. Später willst du deine CDs vielleicht nicht mehr nur verschenken und dann möchtest du plötzlich von deiner Musik leben können. Natürlich heißt Erfolg für viele, mit der Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber andere Faktoren wie Spaß an der Arbeit und damit glücklich zu werden spielen auch eine Rolle. Da ich auch bald mein Studium beenden werde, stellt sich mir selbst die Frage ganz konkret. Im Endeffekt betrifft sie ja auch den Film als Projekt im Ganzen.

Ist es nicht problematisch, Erfolg im kreativen Bereich nur auf den wirtschaftlichen Faktor herunterzubrechen?

Der wirtschaftliche Faktor ist wichtig, aber nicht alleine ausschlaggebend. Ich glaube schon, dass es befriedigend ist, etwas zu tun, worin man einen Sinn sieht und auch noch davon leben zu können. Das ist der Idealzustand. Viele Musiker wollen mit Musik genug Geld verdienen, um eben die ganze Zeit Musik machen zu können. Ich traf aber auch Gesprächspartner, die in diesem Sinne nicht erfolgreich waren und ihre Musik nur nebenher machten, ihren Lebensunterhalt aber mit etwas anderem verdienten. Die haben auch Spaß daran und sind glücklich, ihre eigene Musik zu machen.

 

 

Ist es nicht auch so, dass wenn man sein Hobby zum Beruf macht, die Freizeit auf der Strecke bleibt?

Auf jeden Fall. Wenn dein Hobby zur Arbeit wird, solltest du ein neues Hobby suchen. Du brauchst etwas, das dich entspannt, wo kein Stress drin ist. Ich habe eine Sängerin interviewt, die zusammen mit ihrem Partner auf dem Weg zum Erfolg war. Also touren, Aufnahmen etc. Da das Tourmanagement aber seinen Job nicht besonders gut machte und die beiden das schließlich selbst erledigen mussten, standen sie am Ende mit einem Burnout da. Ihr Musikpartner hat bis heute kein Instrument mehr angerührt.

{image}Was ist aus ihr geworden?

Das ist auch ein schönes Beispiel für eine andere Art des Erfolgs. Aus der Not heraus hat sie begonnen, Gesangsunterricht zu geben. Im Laufe der Zeit bemerkte sie, dass es sie mindestens genauso erfüllt, das weiterzugeben, was ihr selbst so wichtig ist. Jetzt ist sie glücklicher als damals und für sie stellte sich heraus, dass das, wovon sie dachte, dass es sie glücklich macht, dies gar nicht tat. Sie hat ihre Erfüllung nicht zwangsweise als Musikerin, aber in der Arbeit mit der Musik gefunden. Damit hat sie jetzt nicht nur auf einer finanziellen, sondern auch auf einer persönlichen Ebene Erfolg.

{image}Du hast dich auch mit vielen Leuten aus Mannheimer Institutionen wie zum Beispiel dem Clustermanagement Musikwirtschaft und dem Kulturamt unterhalten. Wie definiert sich Erfolg aus dem Blickwinkel dieser Akteure, bei denen es ja auch oft um die Vergabe von Förderungsgeldern oder andere Formen der Unterstützung geht?

Auch hier muss Erfolg messbar sein, allerdings nicht immer basierend auf wirtschaftlichen Faktoren. Ich selbst habe bei meinem Projekt die Erfahrung gemacht, dass oft der kulturelle Mehrwert vor dem finanziellen kommt. Also beispielsweise ein Mehrgewinn an Reputation als Kreativstandort, eine lebendige lokale Künstlerszene und ähnliches zählt.

Inwiefern wurde auch Projekt E selbst konkret gefördert?

Die Förderung beschränkte sich keineswegs nur auf finanzielle Mittel. Ich habe bei bei den Dreharbeiten von den verschiedensten Stellen Unterstützung durch die Bereitstellung von Equipment, aber auch durch Beratung, konstruktive Kritik und Networking erhalten. Es ist aber nicht so, dass die Kreativförderung ein gemachtes Nest ist. Bis zu einem gewissen Grad ist man da seines eigenen Glückes Schmied.

{image}War es schwierig diese Unterstützung zu erhalten?

Man braucht eine Idee und muss diese auch präsentieren können, ganz besonders wenn es um finanzielle Unterstützung geht. So wie das eben auch bei Startnext der Fall war. Eigeninitiative und Engagement sind gefragt. Die verschiedenen Stellen bei der Stadt oder kulturelle Institutionen bieten Unterstützung durch große Netzwerke und kompetente Beratung, aber die Arbeit muss man immer noch selbst machen. Auch wenn die Menschen bei der Kreativförderung diesen Job mit Leidenschaft ausüben, sind sie nicht dafür da, dir Arbeit abzunehmen. Höchstens dafür, sie dir leichter zu machen.

Was hast du gelernt auf der Suche danach, was Menschen antreibt?

Im weiteren Sinne glaube ich, dass Erfolg im kreativen Bereich auch etwas mit Resonanz zu tun hat. Man wünscht sich auf das, was man tut, immer irgendeine Resonanz. Lob, Kritik, Anerkennung, selbst Geld ist nur eine Form von Resonanz. Persönlich dachte ich anfangs immer, es muss doch eine Sache geben, die immer interessant ist, die dich ständig kickt. Mittlerweile glaube ich, dass wenn du dein Ziel erreichst, du immer nach etwas neuem oder besserem strebst und so nie mit dem erreichten zufrieden bist. Ich muss einfach Spaß haben, an dem was ich tue und dann ist das für mich persönlich Erfolg.

Vielen Dank für deine Zeit und dieses Gespräch!

 

Mehr Informationen und Updates zum Projekt E gibt's unter:

www.das-projekt-e.de
www.facebook.com/musikbitte

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