David Murray Cuban Ensemble (live in Mannheim, 2011)

David Murray Cuban Ensemble (live in Mannheim, 2011) © Daniel Nagel

David Murray und sein Cuban Ensemble bedient bei seinem Auftritt in der Alten Feuerwache in Mannheim die Sehnsucht der Zuschauer nach knackigen Latin-Rhythmen und tropischer Sonne, während seine Band um ihn herum kollabiert. Nur sechs der elf angekündigten Musiker sind anwesend, eine Erklärung für diesen Umstand erhält man im Laufe des Abends nicht. Über ein Konzert, auf dem Wunsch und Wirklichkeit hart kollidieren, berichtet unser Redakteur Daniel Nagel.

{image}"Mit Latin kriegt man die Deutschen", sagt ein Besucher mit Blick auf die hervorragend gefüllte Alte Feuerwache. Im idealisierten Lateinamerika findet sich all das, was der Deutsche an sich selbst vermisst: Leichtigkeit und Lebensfreude, Eleganz und Enthusiasmus. Die unerfüllte Sehnsucht nach einem unbeschwerten Leben unter (sub-)tropischer Sonne sollte am vergangenen Mittwoch durch die kubanischen Rhythmen des amerikanischen Saxophonisten David Murray und seines Cuban Ensemble gestillt werden.

{image}Das Septett spielt verschiedene Stücke, die Nat King Cole in den 1950ern und 1960ern auf Spanisch eingespielt hat – allerdings ohne die Sprache zu beherrschen. Trotz dieses Defizits und des sensationellen, von Klischees nur übertriefenden Albumcover fühlten die Angesprochenen sich ob der Aufmerksamkeit geehrt. Als David Murray viele Jahrzehnte später ein Bild von Cole in einem Studio in Havanna sah, da war es um ihn geschehen: Er holte junge Musiker aus den Waisenhäusern von Havanna und gab ihnen Brot und Arbeit. So jedenfalls die Legende...

Das eigentlich elfköpfige Ensemble muss sich an diesem Abend allerdings mit sieben Musikern begnügen. Differenzen innerhalb der Band führten zur Spaltung – auf welche Weise ist unklar. Dass solche Entwicklungen nicht ohne Einfluss auf die verbliebenen Musiker bleiben, ist offensichtlich, weshalb das Septett einen nicht sonderlich inspirierten Auftritt abliefert. Die Versuche von David Murray, für etwas Stimmung zu sorgen, finden bei den teilweise recht sauertöpfisch dreinblickenden Musikern nur geringe Resonanz. Wirklich überzeugend spielt nur der junge Altsaxophonist Irvin Acao, der wohl als Ersatz für den abwesenden Roman Filiu Oreilly fungiert.

{image}Angesichts der schwierigen Umstände müssen die Defizite des Konzerts, die Mannheimer Morgen-Redakteur Matthias Spindler in seinem Bericht ausführlich thematisiert, nicht ein weiteres Mal im Einzelnen beschrieben werden. Spindlers Ansicht, durch das Fehlen von Sänger Daniel Melingo fehle "dem Projekt ein zentrales Element", ist allerdings zweifelhaft. Wenn man die im Augenblick im Stream verfügbare Studioaufnahme Plays Nat King Cole En Español zu Grunde legt, dann war Melingos Rolle eher marginal und zudem nicht sonderlich überzeugend. Dem Charakter des Konzerts hat seine Abwesenheit eher genützt als geschadet.

Selbstverständlich kann man von Musikern, die in dieser Besetzung zum ersten Mal zusammenspielen, kein telepathisches Verständnis erwarten. So muss sich David Murray nicht nur als Bandleader, sondern auch als Dirigent betätigen, der die Einsätze und die Dauer der Soli seiner Musiker wie ein Dompteur kontrolliert. Obwohl keine wirkliche Begeisterung aufkommen mag, ist das zweistündige Konzert leidlich unterhaltsam, was für die Routine und Klasse von David Murray spricht. In anderer Hinsicht symbolisiert der Auftritt den Augenblick, in dem die romantische Sehnsucht nach Lateinamerika auf die harte Realität trifft und sie als Jagd nach einem Trugbild entlarvt.

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