The Low Anthem

The Low Anthem © The Low Anthem

Mit ruhiger, intensiver Folkmusik versüßt The Low Anthem dem Hörer so manch einen verregneten Herbsttag. Für die Aufnahmen zum aktuellen Album "Smart Flesh" zog sich die Band in eine ausgediente Fabrik für Pastasauce zurück. Unser Redakteur traf den Sänger Ben Knox Miller in Berlin und sprach mit ihm über das Album, die Aufnahmen in dem altgedienten Fabrikhaus, Folkmusik und Hippies.

{image}regioactive.de: Euer neues Album heißt Smart Flesh. Was soll der Titel bedeuten?
Ben Knox Miller: Mit dem Titel wollten wir die Struktur des Albums bestimmen und vorgeben, dass dieses Lied für das Album zentral ist. Alle Songs sind in einer bestimmten Art miteinander verbunden. Es war eine Kunst, eine Art Zirkel um die Lieder zu bilden. Es soll dem Hörer die Möglichkeit geben, sich die Musik anzuhören und dabei mit seiner Fantasie den Song auszugestalten und das auf das gesamte Album zu projizieren. An dem Titel gefällt mir auch seine Symmetrie. Wenn du genau darauf achtest, dann besteht nämlich jedes Wort des Titels aus fünf Buchstaben.

{image}Eure Musik wird als Country- und Folkmusik beschrieben. Aber wie würdest du eure Musik in eigenen Worten beschreiben?

Ben: Wenn man unsere Musik beschreiben will, muss man dafür unbedingt auch die handwerklichen Aspekte berücksichtigen. So besteht unsere Musik aus vier Teilen, von denen je ein Teil einen unserer Bandmitglieder repräsentiert. Jeder trägt mit seinen Qualitäten etwas zu unserem Sound bei. Dazu kommen die zahlreichen Instrumente, die die Musik mal sättigen, mal minimieren. Ich meine damit Instrumente wie die Trompete, die Geige oder die Klarinette. Was die Instrumente eint ist, dass sie der Musik alle etwas Schlichtes geben. Der Gesang entstammt wiederum der Folk-Tradition. Keinem traditionellen Folk, sondern Songwriter-Folk à la Bob Dylan. Allerdings finde ich, dass das Wort Folk dafür vielleicht eher doch ungeeignet ist. Dazu ist unsere Musik zu poetisch und literarisch. Ich würde sogar sagen spirituell – auf eine optimistische Art.

Was gefällt dir an der Folkmusik?

Ben: Mir ist wichtig, dass mich die Musik berührt. Ihr darf nichts Künstliches oder Plastisches innewohnen und nicht so aggressiv sein, dass sie mich attackiert, sondern eine Welt ist, die man zu jeder Zeit betreten kann. Die gewöhnliche im Radio zu hörende Popmusik befriedigt mich deshalb nur in geringem Maße. Ich höre höchstens Musik von Künstlern wie Johnny Cash, Elvis Presley oder Elvis Costello.

Was hat sich auf eurem neuen Album im Vergleich zu früheren Alben verändert?

Ben: Ich denke, dass unsere neuen Song etwas missmutiger klingen. Dieses Album wurde in einem großen Raum in einem Warenhaus aufgenommen. Der Sound sollte sich diesmal im Raum verbreiten und nicht mehr mit Programmen wie "ProTool" verfeinert oder verbessert werden. Die Musik klang genau nach dem, was wir wollten. Die Akustik dieses Raumes war großartig.

Habt ihr viel experimentiert?

Ben: Ich würde unsere Platte zwar nicht als experimentell bezeichnen, aber wir haben für unser Album eine Reihe von Arrangements ausprobiert. Es ging uns darum, den Sound im Raum einzufangen. Die Musik konnte in jedem Raum eine andere Atmosphäre erschaffen. Das nutzten wir. Das erste Mal, als wir unsere Musik in einem Gebäude aufnahmen, klang das schrecklich. Der Sound klang sehr dünn, weil wir das Monitoring in dem selben Raum machten, wo wir die Musik zuvor auch aufgenommen hatten. Dann nahmen wir den Sound in einer gewissen Distanz auf und das funktionierte viel besser. Am Ende hatten wir zwar nicht den Sound erzeugt, den wir anfangs schaffen wollten, aber meiner Meinung nach haben wir trotzdem etwas sehr Gelungenes gemacht.

{image}Wie haben die vielen Instrumente auf dem Album euren Sound beeinflusst?

Ben: Wir experimentierten auf diesem Album mit jedem Instrument, das wir finden konnten. So überschrieben wir die Songs für dieses Album immer wieder und nahmen insgesamt fast 30 Songs auf, doch schnitten davon fast 20 auch wieder heraus. Wir dachten wir könnten alle Instrumente zusammentragen, doch das funktionierte nicht immer.

Was haben die gezeichneten Flugzeuge auf eurem Cover zu bedeuten?

Ben: Das Flugzeug soll ein militärisches Segelflugzeug sein. Das Cover zeigt eine Fotografie aus den 30er oder 40er Jahren. Einerseits zeigt das Bild die wunderbare Romantik eines Flugzeugs, das wie ein Vogel aussieht. Gleichzeitig offenbart es auch etwas Zerstörbares.

Ein Song von euch heißt Boeing 737. Geht es da um den 11. September?

Ben: Nein, es geht um den französischen Hochseilartisten namens Philippe Petit. Es geht um seine Artistik, seinen Optimismus und sein erreichtes Ziel.

Ein weiterer Song von euch heißt Hey, All You Hippies!. Wie würdest du den typischen Hippie beschreiben?

Ben: In dem Song steckt sehr viel Idealismus drin. Es geht um das Hippie-Leben und das Ideal, das von Präsidenten wie Ronald Reagan unterminiert wurde. Aber am Ende wurde die ganze Bewegung dann leider viel zu sehr kommerzialisiert und in Marketings eingebunden. Die Kulturen wurden am Ende vom Kapitalismus überrannt.

Vielen Dank für dieses Interview!

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